Vögel im Naturgarten. Engelbert KötterЧитать онлайн книгу.
von Männchen und Weibchen einer Singvogelart unterscheiden, desto eher sind Nistplatzwahl und Nestbau Weibchensache. Vermutlich deswegen, weil das auffällig unterschiedlich gefiederte Männchen stärker mit der Revierverteidigung (s. Seite 28) befasst ist. Wahrscheinlich ist das Gefieder einiger Singvogelmännchen deshalb so auffällig, dass sie bei der Verteidigung ihres Reviers auffallen und den Gegner beeindrucken.
Bei der Art ihres Nistplatzes hat jede Vogelart ihre Vorlieben. Buchfinken etwa suchen sich in luftiger Höhe eines Baums eine Astgabel und bauen dort ihr Nest. Singdrosseln wählen zum Nestbau lieber einen dicht wachsenden Strauch. Rotkehlchen wiederum legen ihr Nest auch im Gesträuch, aber in Bodennähe an. Gartenrotschwänze und Bachstelzen brüten nicht im Gehölz. Sie benötigen Nischen, z. B. in Wänden oder sonst wie an Gebäuden. Als Nisthilfe nehmen sie Halbhöhlen an. Blaumeisen und Stare wiederum sind Beispiele für Arten, die für den Nestbau weder Gezweige noch Halbhöhle, sondern nur eine Höhle wollen (s. Seite 129).
Verändert der Klimawandel das Vogelleben?
Stefan Böhm ist Ornithologe und Artenschützer. Hier gibt er dir die Antwort:
„Ja. Ich gebe dir mal das Beispiel Kuckuck. Hast du schon mal einen rufen hören? Du erkennst ihn an seinem Ruf sofort. Das Problem, das der Kuckuck mit dem Klimawandel hat, ist dies: Er nutzt heimische Vogelarten als „Gasteltern“ bzw. Zieheltern, indem er ihnen sein Ei unterschiebt. Man nennt sie auch Wirtsvogelarten. Sie brüten das Ei aus und füttern das Junge des Kuckuck. Das Kuckucksjunge aber schubst die Eier bzw. die Jungen der Gasteltern einfach aus dem Nest und beansprucht das ganze Futter für sich allein. Bedingt durch den Klimawandel brüten typische Wirtsvogelarten, wie z. B. Teichrohrsänger, heute mitunter 14 Tage früher als sonst. Insbesondere lässt sich dies bei Vogelarten beobachten, die im Mittelmeerraum überwintern (sogenannte Kurzstreckenzieher).
Der Kuckuck hingegen ist ein Langstreckenzieher, der im weit entfernten südlichen Afrika überwintert. Bei den Langstreckenziehern lassen sich (noch) keine so prägnanten Unterschieder in der Ankunftszeit erkennen. Man kann also sagen: Der Kuckuck kommt pünktlich, viele Wirtsvogelarten dagegen früher. Wenn dann einmal die Kuckucke angekommen sind (meist Mitte April), sind teilweise bereits Junge der Wirtsvögel geschlüpft. Eine Eiablage macht dann keinen Sinn mehr. Unter anderem führt dieses Phänomen auch dazu, dass es inzwischen spürbar weniger Kuckucke gibt.
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Der „kleine“ Kuckuck, der hier durchgefüttert werden muss, ist schon größer als das Gartenrotschwanz-Weibchen.
Hast du auch Folgendes gewusst? Kuckucksweibchen legen ihre Eier immer zu derjenigen Wirtsvogelart, bei der es selbst geschlüpft ist. Und außerdem: Die Eier des Kuckucks sind in Größe, Form, Färbung und Musterung an die Eier der Wirtsvögel angepasst.“
Als Nistmaterial dient gerade auch Gartenvögeln alles artgerecht Passende: Gras, dünne Halme, Pflanzenwurzeln, Moos, Fasern von Baumrinden, Wolle, Tierhaare, Federn – und sogar Lehm und Speichel. Schau dir das mal näher an, wenn du beim Reinigen eines Nistkastens oder im Gartenstrauch nach dem Laubfall im Herbst ein leeres Vogelnest vorfindest.
Manche gehen auf Nummer sicher. Zaunkönige bauen sogar zeitgleiche Reservenester, in die sie gegebenenfalls ausweichen können, wenn dasjenige zerstört wird, in dem mit der Brut begonnen wurde. Nicht alle Singvogelarten beziehen ihre „Altbauten“, so wie es Amseln oder Haussperlinge durchaus tun. Stattdessen bauen sie dann für jede Brut ein neues Nest.
Zuerst baut der Vogel eine Nestbasis, indem er geeignetes Material auf einer Stelle anbringt (z. B. auf dem Boden eines Nistkastens oder in einer Gabelung von drei starken Zweigen) und verdichtet. Darauf wird rundherum immer mehr Nistmaterial aufgebaut und verdichtet. Durch Drehen des Körpers wird mit der Brust eine Mulde verpresst. Ist sie tief genug, also der Nestrand hoch genug, erfolgen Innenausbau und Polsterung.
Gelegentlich wirst du in deinem Garten den Diebstahl von Nistmaterialien durch andere Vögel, speziell Sperlinge, beobachten können. Dass sie halb oder auch ganz fertige Nester anderer Arten (Rauchschwalben, Meisen) besetzen, wurde bei Haussperlingen auch schon beobachtet.
Revierverhalten
Wenn du in deinem Garten beobachtest, wie sich im Februar die Amselhähne balgen oder im Juni die Buchfinkenmännchen scheuchen, sogar wenn du dem Frühling verkündenden Gesang der Kohlmeisen im März lauschst, dann bist du immer Zeuge einer Revierverteidigung dieser Vögel. Mal zeigt die Kohlmeise dabei eine Grenze auf: „Hier wohnt schon jemand – ich.“ Oder du erlebst eine Attacke des Buchfinks: „Runter von meinem Gelände!“ Der Kampf Amsel gegen Amsel zum Beispiel, setzt noch deutlicher auf das Recht des Stärkeren. Du siehst: Die Revierverteidigung der Vögel hat unterschiedliche Formen. Einige setzen auf Warnung aus der Distanz, andere auf Konfrontation mit Körperkontakt. Dabei gibt es eine typische Reihenfolge: Erst die Warnung, dann die Balgerei.
Ob der Zaun den Ärger wert ist?
Warum aber tun die Vögel das und wie groß ist überhaupt ein Revier, das ein Vogel(paar) für sich in Anspruch nimmt? Reviere bedeuten für Vögel zweierlei: Hier haben sie das Sagen, wenn es um Paarbildung, Brut und Jungenaufzucht geht. Dabei wollen sie von Rivalen ungestört sein. Aber auch Nahrung, Nistplätze und Nistmaterial wollen sich Vogelpaare nicht von anderen Artgenossen auf gleicher Fläche streitig machen lassen.
Die Größe eines Vogelreviers ist von Art zu Art, aber auch von Situation zu Situation unterschiedlich. Geht es um den Revierbereich Nest, so kann das aus dem kleinen Terrain in unmittelbarer Nestumgebung bestehen, z. B. in Brutkolonien von Seevögeln auf Klippen. Komplette Reviere können aber auch einige zig Quadratkilometer groß sein, wie im Falle derjenigen von Steinadlern. Wesentlich hängt die Reviergröße davon ab, ob eine Vogelart darin all diejenigen Strukturelemente vorfindet (z. B. Nistplätze, Rückzugsraum) und Nahrungsquellen, die sie benötigt. Wenn also Nahrung, Nistplätze und Nistmaterial auf vergleichsweise kleiner Fläche verfügbar sind – auch okay. Um dir eine Vorstellung von Reviergrößen verschiedener Arten zu geben, schau mal hier: Ein Grauammer-Pärchen findet alles, was es braucht, auf etwa einem Hektar (ha) Weideland. Na? Wie groß ist ein ha? Stimmt: 100 m × 100 m, also 10.000 m2. Einer Goldammer reichen schon 2000 m2 (= 0,2 ha) Baumhecken, wenn ihr da alles passt. Ein Gartenrotschwanz braucht bis zu einem halben Hektar (= 5000 m2) Reviergröße. Was bedeutet das praktisch für deinen Garten? Nun, dieses Buch zeigt dir in vielen Facetten auf, was du von Fütterung bis Nisthilfe in deinem Garten oder auch Schulgarten für unterschiedliche Vogelarten tun kannst. Wenn du Vögel unterstützt, z. B. durch hilfreiche Gartenbepflanzung, durch das Aufhängen von Nistkästen, das Hinstellen von Vogeltränken und Sandbädern, durch ganzjähriges Füttern, dann finden Vögel mehr Struktur und mehr Nahrung auf einer kleineren Fläche. Ihre Reviere werden somit kleiner. Dadurch ergibt sich in deinem Garten Platz für mehr Vögel! Wenn du das umsetzt, trägst du zu einem strukturreicheren Garten und damit kompakten Vogelrevier bei. Entstehen um deinen Garten herum in der Nachbarschaft, um deine Schule herum, in deinem Wohnort oder Stadtteil ähnliche Gärten, so können sich auf kleinerer Fläche mehr Paare einer Art ansiedeln. Das passt zu der Tatsache, dass bei Ganzjahresfütterung (s. Seite 98 ff.) mehr Bruten durchgebracht werden und folglich mehr Jungvögel eigene