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Die Gedichte. Auswahl. Else Lasker-SchülerЧитать онлайн книгу.

Die Gedichte. Auswahl - Else Lasker-Schüler


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      Allfarbig malen auf blauem Grund

      Das ewige Leben. 30

      [59]Marianne von WereffkinMarianne von Wereffkin [73.]

      Marianne spielt mit den Farben Russlands malenMarianne spielt mit den Farben Russlands malen:

      Grün, Hellgrün, Rosa, Weiß,

      Und namentlich der Kobaltblau

      Sind ihre treuen Spielgefährten.

      Marianne von Wereffkin – 5

      Ich nannte sie den adeligen Straßenjungen.

      Schelm der Russenstadt, im weiten Umkreis

      Jeden Streich gepachtet.

      Ihren Vater, der Verweser Alexanders,

      Trägt sie im Medaillon um ihren Hals. 10

      Marianne malte ihn, achtjährig war sie erst:

      Hier fiel vom Himmel eine Meisterin.

      Goldene Saat wächst auf ihrer Landschaft,

      Wenn gottgefällig sich ein Baurenvolk

      Im Kreise um die reiche Ernte freut. 15

      Man hört vom Turm Geläut, malt sie den Sonntag.

      Mariannens Bilder sind Geschöpfe,

      Sie atmen und voll Leben strömen sie

      Und wie ein Meer und wie ein Wald

      Bergen sie auch tiefsten Frieden in sich. 20

      Mariannens Seele und ihr unbändig Herz

      Spielen gern zusammen Freud und Leid,

      Wie sie so oft die Melancholie

      Hinmalt mit zwitschernden Farbentönen.

      [60]An die Einwohnerschaft BerlinsAn die Einwohnerschaft Berlins [74.]

      Ihr lieben Leute lasst Euch sagenIhr lieben Leute lasst Euch sagen

      Dass ich seit Jahren keine Wohnung hab.

      Und die es lesen will ich fragen,

      »Wer lässt mir einige Zimmer ab?«

      Damit wir uns nun auch vertragen – 5

      Mit eigenem Eingang Vorder- oder Hinterhaus!

      Geteilte Wohnung, abgeschlagen,

      Möbliert, auch leer macht mir nichts aus.

      O überlegt und lasst mich nicht verzagen.

      Ich, die ich Euch so viele Verse gab; 10

      Gern will die Kosten ich der Miete tragen

      Vom Tag des Einzugs bis ins kühle Grab.

      AbschiedAbschied (Der Regen säuberte die steile Häuserwand) [75.]

      Der Regen säuberte die steile HäuserwandDer Regen säuberte die steile Häuserwand.

      Ich schreibe auf den weißen, steinernen Bogen

      Und fühle sanft erstarken meine müde Hand

      Von Liebesversen, die mich immer süß betrogen.

      Ich wache in der Nacht stürmisch auf hohen Meereswogen! 5

      Vielleicht entglitt ich meines Engels liebevoller Hand,

      Ich hab die Welt, die Welt hat mich betrogen,

      Ich grub den Leichnam zu den Muscheln in den Sand.

      [61]Wir blicken all zu einem Himmel auf, missgönnen uns das Land? –

      Warum hat Gott im Osten wetterleuchtend sich verzogen, 10

      Vom Ebenbilde seines Menschen übermannt.

      Ich wache in der Nacht stürmisch auf hohen Meereswogen!

      Und was mich je mit seiner Schöpfung Ruhetag verband,

      Ist wie ein spätes Adlerheer unstät in diese Dunkelheit geflogen.

      Jankel AdlerJankel Adler [76.]

      Man nennt ihn überall den lieben JankelMan nennt ihn überall den lieben Jankel.

      Wir sind aus einer Stadt und gingen in dieselbe Schule

      Und schlidderten mit Vorliebe über zugefrorene Gossen.

      Der liebe Jankel hatte damals schon zwei Knospen im Gesicht,

      Die tun sich heute auf verklärt und bibelvoll 5

      Erzählt er uns vom Balchem.

      Im Traum zur Nacht trägt man ihn feierlich,

      Wie seinen Urrabunivater einst auf Zweig und Blatt

      Vom stillen Walde in die Hallelujastadt.

      Weiht er doch jedes Bildnis, das er malt, 10

      Mit dichterischer, großer Harfenschrift

      Seinem jungen Gotte Zebaoth.

      Und selbst dem Argen unter den Gestalten,

      Dem trügerischen Goldverleiher mit dem Fuchshaar,

      Heiligt der Davidstern des alten Judenbluts! 15

      [62]Die Wupperstadt mit rosigem Sterbevogel –

      Im Morgenrot und frühen Tod und brüderlichen Psalm:

      »Mein kleines Schwesterlein ruht hier in Frieden.«

      Und ebenso voll Herrlichkeit das Bildnis seines Freundes:

      Aribert des großen Schauspielers Wäscher in Berlin: 20

      Durchsichtig aus Buntkristall, Farbe kristallisierte sich.

      Hingegen im begabten Maler Seyferts Kopf

      Wird Jankels Farbe zu geronnenem Blut.

      Schauervoll … Herzschlag setzt aus.

      Im wahren Sinn des Wortes malte aus der Vogelperspektive 25

      Mein Heimatfreund krähend den »Hahnenverkäufer«.

      (Es riecht tatsächlich nach Gefieder.)

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