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Reise Know-How ReiseSplitter Jesus liebt Radfahrer – Navid auch. Claudia HildenbrandtЧитать онлайн книгу.

Reise Know-How ReiseSplitter Jesus liebt Radfahrer – Navid auch - Claudia Hildenbrandt


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der Ofen. Nur Dinge, die er täglich nutzt, liegen verstreut und griffbereit: Rechnungen, Toast, Fernbedienung. Der Kühlschrank, groß wie ein Wandschrank, ist dreiviertel leer, darin nur wenige Nahrungsmittel, die zusammen keine Mahlzeit ergeben: eine Gallone Milch, Hamburger-Patties, Pudding und Eiscreme. Wer Tom lächeln sieht, bemitleidet ihn. Zwei Zahnstummel lugen dann hervor. Wenn er spricht, klingt es, als baumele das Gebiss eines alten Mannes schief im Mund. Tom hustet oft und spuckt dabei dunkle Bröckchen aus. Er arbeitet 14 Stunden täglich, macht Spießergärten noch spießiger. Was er erzählt, klingt smart, stark und lustig – über das Radreisen, die Waffenläden der Stadt, über den Zuhälter, der jetzt Bürgermeister werden will. Doch es fällt mir schwer zu glauben, dass Tom, krank und vorgealtert, noch vor wenigen Jahren die Vereinigten Staaten auf dem Rad durchquerte. Das einzige Bild in seiner Wohnung zeigt seine Frau Lauren, die nach 45 Lebensjahren an Krebs verstarb. Für die Behandlung verkaufte Tom seine Waffensammlung mit antiken Stücken. „Ich habe Krebs, nicht der Krebs hat mich!“, behielt Lauren ihre Stärke bis zum Schluss. Doch Toms Leidensweg ging weiter. Vor einigen Jahren arbeitete er noch bei der Freiwilligen Feuerwehr. Damals hoben sie eine Drogenfabrik aus, in der vermutlich Crystal Meth gepanscht wurde. 20 Kollegen waren sie, nur zwei davon sind noch am Leben. Er und der andere versuchten, zu erfahren, mit welchen Substanzen sie in Kontakt kamen, die ihnen die Zähne ausfallen ließen und Lungen verätzten – vergeblich. Wie viel kann ein Mensch ertragen? Aus Tom, dem das Leben die große Liebe und die eigene Gesundheit raubte, ist kein verbissener, jähzorniger Typ geworden. Er macht weiter, und schenkt uns Zuflucht.

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       DOROTHY UND JOHN AUS PRESCOTT, ARIZONA

      Buffet als Vorspeise – der Hauptgang kommt erst noch

      Ein anderer, der sein Schicksal überlebte, lädt uns in seine Wohnung im Zentrum San Franciscos ein. James ist Radmechaniker, könnte 50 aber auch 65 sein, und weil der Tretlagerwechsel im Laden das Reisebudget eines Monats aufbrauchen würde, funktioniert er seine Wohnung zur Werkstatt für uns um. Die Raucherpausen finden im Wohnzimmer statt. Wir fragen ihn, wie er sich diese Wohnlage leisten kann und sind auf seine Antwort nicht gefasst: James hat AIDS und die Stadt sorgt für ihn. Er ist einer der Schwulen, die sich während der Epidemie mit dem HI-Virus infizierten. 1981 starben in San Francisco neun Menschen im ganzen Jahr an AIDS, 1992 waren es 30 pro Woche. Hundert Fragen drehen sich in meinem Kopf und ich weiß dennoch keine zu stellen. Wie viele seiner Freunde und Liebhaber er leiden und sterben sah? Wie er selbst vegetierte und doch überlebte? Ob er Angst vor dem Tod hat? Wir wechseln das Tretlager aus.

      Wir übernachten an diesem Abend bei Ruth und Edward, einem Warmshowers-Paar, das inspiriert. Reiseführer, Geschichtsbücher, Sprachführer, Politikanalysen, die spannendsten Romane – ihr Haus ist eine Bibliothek, die jeden beschenkt, der nichts weniger als die Welt verstehen möchte. Ruth kündigte im Silicon Valley, um als Lehrerin zu arbeiten. Edward schreibt Reiseführer und musste in den 80ern einsitzen – er rebellierte und verweigerte die Registrierung für einen Militäreinsatz. Beide können nicht hinnehmen, nicht wegsehen. Sie protestieren gegen Polizeigewalt, für Obamacare, gegen Aufrüstung. Kinder haben sie keine: „Wir wurden von unseren Eltern misshandelt. Wie sollen wir wissen, wie Familie funktioniert?“

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       RUTH UND EDWARD | SAN FRANCISCO, KALIFORNIEN

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       KAREN | LOS ANGELES, KALIFORNIEN

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       VERA | KUNMING, CHINA

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       PEGGY, WARREN UND GRANDMA LOIS HAMILTON, MONTANA

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       IGORS GARTENPARADIES DUSCHANBE, TADSCHIKISTAN

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       BARTON | SANTA CRUZ, KALIFORNIEN

      Kinder wollte auch Supaporn nicht, das größte Energiebündel Thailands. Sie sei ja schon Schulleiterin, das reiche. Wer bei Supaporn unterkommen will, muss ihre Schüler unterhalten. Denn die sollen „authentisches“ Englisch lernen. Ich turne mit Dreijährigen, Daniel zeigt den Älteren, wie man Schürfwunden verbindet. Eine angenehme Abwechslung zum Pedalieren.

      In Los Angeles, der Stadt der Engel, lebt eine besonders herzensgute Gastgeberin. Karen hat ihren Kühlschrank für uns gefüllt, Kartons für den Flugtransport der Räder organisiert und ein Paket mit Ersatzteilen aufbewahrt. Sie besteht darauf, jeden Abend zu kochen und tanzt und springt zwischen Herd und Esstisch. Für sie selbst das größte Glück: Noch vor zwei Jahren konnte sie kaum gehen, die Hüftgelenke waren durch Arthrose verschlissen. Karen, nach einer lang ersparten OP wieder fit, chauffiert uns später sogar zum Flughafen.

      Im kanadischen Calgary überlassen uns Heather und Egbert ihr Haus, während sie durch die Rockies wandern. Vera in Kunming lässt uns tagelang in ihrer Wohnung der Fortschrittshektik Chinas entfliehen; Peggy und Warren aus Montana vermachen uns das Obama-Shirt von Grandma Lois, die kurz nach unserem Besuch verstarb; Igor im tadschikischen Duschanbe besteht allabendlich auf einem small shot, einem gemeinsamen Glas Whiskey; Paul und Natt haben in ihrem Gartenparadies am Golf von Thailand schon mehrere hundert Radreisende entspannen lassen.

      Kürzlich las ich eine Unterhaltung auf der Facebook-seite der Gemeinschaft. Ein Radfahrer schrieb, im Gästebett habe es Bettwanzen gegeben, eine Woche nach dem Aufenthalt krabbelte es noch immer in seiner Ausrüstung. Doch es folgte keine Beschwerde, keine Hasstirade, kein Shitstorm – sondern die Frage: „Soll ich dem Gastgeber wirklich eine negative Bewertung auf seinem Profil geben? Er war doch so nett und hilfsbereit!“

       SALZIGSÜSS

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       „Bleibt bei uns in Hunza“, raten sie zum Abschied und wir fragen uns, warum?

      Wir alle erinnern uns, wo wir waren, als wir davon erfuhren. Bei welcher Arbeit wir innehielten, welches Gespräch verstummte. „Seit 9/11 kommen deutlich weniger Touristen zu uns nach Pakistan“, seufzt unser Gastgeber Imran und schenkt dampfenden Chai ein – starker Schwarztee mit Milch und viel Zucker. Er reicht einen Kristall aus Salz und ermuntert uns, ihn darin einzutunken. Das salzigsüße Getränk kommt uns vor wie das Land selbst: wie ein einziger Widerspruch.

      Eigentlich hatten wir nicht vor, ein Rad über die Grenze Pakistans zu setzen. Hier fassten die Amerikaner Osama bin Laden, wie ein Kriegsreport lesen sich die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Sie berichten von Bombenexplosionen und Terroranschlägen, von entführten Radreisenden, erschossenen Bergsteigern und Ehrenmorden. In der Islamischen Republik richten Militär und Scharia-Gerichte und verhängen Todesurteile gegen Minderjährige. Doch durch diesen Moloch aus Gewalt und Extremismus führt eine der höchsten, faszinierendsten Fernstraßen der Welt: der Karakorum Highway. Beginnend im chinesischen Kaschgar, quert der Highway das schroffe Karakorum-Gebirge, streift den Fuß des Nanga Parbat und endet in der Hauptstadt Islamabad. Zuvor ein einspuriges Schotter-Abenteuer, baute China die Fernstraße zu einer modernen Schnellstraße aus und führt sie weiter gen Süden, um sich einen lukrativen Zugang zum Indischen Ozean zu verschaffen. Noch ist das 400-Millionen-Dollar-Projekt nicht fertig – ein Glück für uns, nur wenige Trucks stottern an uns vorbei. Flüsterasphalt, geringe Steigungen, kaum Verkehr: ein Radlertraum!

       HINTERGRUND ISLAM

      aus:


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