Globetrotter, ein unternehmerisches Abenteuer. ОтсутствуетЧитать онлайн книгу.
davon bis heute nur sechs kleine Büros. Dem Unternehmen konnten sie nicht viel anhaben, aber die menschliche Enttäuschung machte mir jedes Mal zu schaffen.
Seither sind Jahrzehnte vergangen und die Angebotspalette ist längst komplett geworden. Einerseits wurden Sparten wie Leser- und Sportreisen, Geschäftsreisen, Polit- und Studienreisen, die offiziellen Olympiade-Reisen etc. geschaffen, andererseits wurde das Unternehmen durch die Übernahme kleinerer Spezialistenveranstalter zur Globetrotter Group erweitert, die Dutzende inhaltlicher Nischen besetzt – von Trekkings über Mountainbike-Touren bis Frachtschiffreisen, von Fotoreisen über Musik-Cruises und Nostalgie-Bahnreisen bis Ayurveda-Gesundheitskuren.
Inzwischen ist die Globetrotter Group «samt Beigemüse» nicht nur das vielfältigste und originellste, sondern mit seinen umgebauten und einzigartig neu eingerichteten Filialen auch das schönste Reiseunternehmensgebilde geworden: Kein Wunder also, dass die Globetrotter Group unter der Leitung von André Lüthi bereits mehrere Unternehmerpreise erhalten hat. Sosehr mich das freut – noch viel grössere Freude macht mir, wenn wir den fast 500 Mitarbeitenden interessante Arbeitsstellen bieten und die immer anspruchsvolleren Wünsche der Kunden erfüllen können. Gemäss dem jetzigen Credo: «Mehr Welterfahrung durch Entdeckungsreisen = Bessere Chancen fürs zukünftige Leben!»
Mein Wunsch ist, dass immer mehr Reisefans zu noch bewusster reisenden Weltentdeckern werden. Ich möchte achtsame Menschen zu weltweiten Langzeitreisen inspirieren, welche dann weitere Bewusstseinsprozesse auslösen: Reisen um zu lernen.
Globetrotter Walo Kamm
Mühevolle alte Reiseromantik: Per Velorikscha durch Phnom Penh …
… und per Bus und Flussfähren quer durch Laos (1968).
Was ermöglichte den weltweiten Individualreise-Boom?
Von Walo Kamm
Wie kam es, dass ein so aussenseiterisches Start-up wie Globetrotter, gegründet von einem eigenwilligen Anti-Managertyp, einen so einmaligen Erfolg haben konnte? Dazu brauchte es eine Kombination von ein paar Hauptfaktoren, die inhaltlich und zeitlich zusammentrafen. Das war ungefähr Mitte der 1970er-Jahre der Fall. Damit waren die Bedingungen für eine Initialzündung erfüllt. Hier die Voraussetzungs-Hauptfaktoren in Kurzform:
1. Devisenkurse: Bis 1972 waren die Währungen der meisten Länder mit einem fixierten Devisenkurs an die Leitwährung US-Dollar gekoppelt. Die meisten Sehnsuchtsdestinationen waren deshalb fast unerschwinglich teuer. Für 1 US-$ mussten 4.36 Franken bezahlt werden, für 1 AUS-$ wurden nicht weniger als 5 Franken verlangt und für 1 NZ-$ waren 5.70 Franken auszulegen. 1 Rubel schlug mit 5 Franken zu Buch und 1 GB-£ sogar mit 12 Franken – um einige Beispiele zu nennen. Das ist heute kaum mehr zu glauben. Gemildert wurde die Diskrepanz nur durch Schwarzmarktkurse in etlichen Ländern (vor allem in Asien, wenige Länder auch in Südamerika, und Sowjetunion). Anfang 1973 wurde die Fixierung aufgehoben, der US-$ fiel auf 2.70 Franken, später immer tiefer bis auf ein Verhältnis von ca. 1:1. Andere Kursverhältnisse entwickelten sich ähnlich. Die ganze Reisewelt wurde für Schweizer (und für Westeuropäer insgesamt) mit einem Schlag massiv preisgünstiger, für US-Amerikaner natürlich teurer.
2. Flugtarife: 1975 hielten auf Schleichwegen die sogenannten «Graumarkt-Flugtickets» (Linienflüge für die Hälfte oder einen Drittel des offiziellen Tarifs) in Westeuropa Einzug. Zuvor waren derartige Tickets nur punktuell in Südostasien erhältlich. Ein offizielles Langstrecken-Flugticket kostete meistens zwei bis drei Schweizer Monatslöhne, ein Graumarktticket nur einen halben bis einen Monatslohn. Jetzt waren Flugreisen für alle Reisefans erschwinglich, nicht nur für Reiche und Geschäftsleute. Globetrotter war Pionier dieser Sparte; die etablierte Reisebranche verschlief diesen Trend in den ersten Jahren. (Heute ist die Flugtarif-Situation wiederum total anders. Die Lowcost-Airlines haben dem Markt noch viel tiefere Tarifgefüge aufgezwungen – eine neue, kurzsichtige und unerfreuliche Situation.)
3. Reise-Know-how: Anfang der 1970er-Jahre erschienen die ersten alternativen Reisehandbücher für Rucksackreisende mit wenig Geld (zum Beispiel Der billigste Trip nach Indien beim Regenbogen-Verlag, ab 1974 die englischen Lonely Planet Guides, danach produzierten deutsche Alternativ-Verlage jede Menge solcher Tipps-und-Tricks-Handbücher). Nun hatte man plötzlich alle Detailinformationen zur Verfügung und konnte selbstständig planen und weltweit reisen.
4. Wohlstand: Die Konjunktur zog ab Mitte der 1970er-Jahre markant an. Die Ölpreiskrise von 1973/74 und andere Abschwünge wurden schnell vergessen. Die Menschen in der Schweiz und in ganz Westeuropa verdienten gut und konnten sich immer mehr leisten.
5. Reiselust: Weltoffene Europäer entdeckten die Lust auf Fernreisen und erkannten, dass individuelle Reisen mit ihrer grossen Erlebnis- und Erinnerungsfülle mehr Lebensqualität und Erfahrungswert bieten als blosse Ferienaufenthalte – speziell in jungen Jahren.
6. Unternehmen: Nun war nur noch ein innovativer Unternehmer notwendig, der diese Synchronizität erkannte und es verstand, die Konstellation zu nutzen. Ich fühlte mich zwar nicht als Unternehmer, sondern betrachtete die neue Welle der Lebensgestaltung – die mich einschloss – als Weiterbildung. Ich kannte die Reiseträume der Menschen. Und ich hatte eine Vision. Ich hatte kein Kapital, aber dafür den Mut, ein neues Abenteuer zu wagen: ein Beratungs- und Dienstleistungsforum speziell für Weltenbummler – etwas, was es bis dahin noch nirgends gab. Erforderlich waren Innovationsgeist und Selbstvertrauen. Ich war bereit für eine unternehmerische Expeditionsreise ins weitgehend Unbekannte.
Klar, um einen so speziellen Grosserfolg zu haben, reichen die passenden Grundvoraussetzungen allein nicht aus. Das würde bloss eine kleine Nische bedienen. Man muss – wie einst Amundsen oder Shackleton – auch die richtigen «Expeditionspartner» an Bord resp. ins Büro holen. Und dann auch im täglichen Geschäft «alles» richtig machen. Vor allem aber braucht es die Freude am Metier, die Leidenschaft und den 150-prozentigen Einsatz. Und dazu die Fähigkeit, etwas ganz Spezielles zu bieten. In diesem Fall war es eine einzigartige Kombination von Dienstleistungen und Produktepalette – mehr dazu in weiteren Kapiteln.
7. Nomen est omen: Globetrotter Travel Service.
Globetrotter = Weltenbummler
Travel = Reise
Service = Dienstleistungen
Zur damaligen Zeit wäre ein Firmenname wie Kamm-Reisen GmbH logisch gewesen. Ob ich mit einem solchen Namen auch so viel Erfolg gehabt hätte, bezweifle ich selber sehr.
Bei Globetrotter heisst’s «Reisen statt Ferien». Erfahrene Reisende wissen, wie das gemeint ist: Aktiv statt passiv. In Bewegung sein. Entdecken statt konsumieren. Begegnungen statt Besichtigungen. Menschen statt Museen. Herausforderungen statt Bequemlichkeit. Lernen statt konsumieren. Neue Horizonte statt alte Ansichten. Bewusstwerdung statt Ablenkung. Reine Natur statt Wodka pur. Also Reisen statt Ferien: Damit frischer Wind in deine Gedanken und neue Bewegung in dein Leben kommt.
Globetrotter Walo Kamm
In der Hippiezeit fuhren wir auf der Ladebrücke solcher Lastwagen durch den Norden Afghanistans.