Mami Classic 45 – Familienroman. Susanne SvanbergЧитать онлайн книгу.
lächelte wehmütig. »Dein Vorschlag ist gut, aber ich glaube, er läßt sich nicht durchführen. Antonia war immer nur mit Erwachsenen zusammen, sie muß sich an ein Kind erst gewöhnen. Wir müssen Geduld mit ihr haben. Doch auch wenn du alleine schläfst, Lea, brauchst du dich nicht zu fürchten. Mein Zimmer ist gleich nebenan, und es gibt eine Verbindungstür, die immer offen ist.«
Lea nickte erleichtert. »Das ist gut«, meinte sie versöhnlich.
Immer wieder zeigte sich, daß dieses Kind keinerlei Ansprüche stellte, mit allem zufrieden war.
Marlene zeigte Lea das Zimmer, das früher von Antonias Kindermädchen bewohnt wurde. Inzwischen wollte Antonia keine Betreuung mehr. Sie fühlte sich schon zu erwachsen.
»Hier schläfst du, und wenn du magst, kannst du zu mir herüberkommen.« Marlene öffnete die Verbindungstür und wies in den angrenzenden Raum. »Das war früher das Kinderzimmer. Weil Antonia jetzt mehr Platz braucht, haben wir getauscht.«
Lea war beeindruckt, konnte ihre Verblüffung aber nicht in Worte fassen. Hier war alles viel größer und schöner, als sie es gewohnt war. Das verwirrte sie.
»Schau, da ist auch ein Telefon. Du kannst von hier aus jederzeit deinen Vater anrufen. Die Nummer hat er dir ja aufgeschrieben.«
»Und ich darf wirklich ganz allein…?« fragte das blonde Mädchen überwältigt.
»Du sollst dich wohl fühlen bei uns, Lea.« Liebevoll strich Marlene der Nichte übers Haar. Ein Kind wie Lea hatte sie sich immer gewünscht: kindlich, sanft und anhänglich. Antonia war genau das Gegenteil.
Dankbar sah Lea zu ihrer Tante auf. »Du bist so lieb zu mir«, sagte sie leise und schmiegte sich schutzsuchend an Marlene. »Danke für alles. Ich bin froh, daß ich hier sein darf.« Liebebedürftig schmiegte sich Lea an die junge Frau, fühlte sich festgehalten und tröstlich gestreichelt.
*
»Sie ist doch nicht hübscher!« stellte Antonia beim Frühstück erbarmungslos fest. Kritisch musterte sie dabei die etwa gleichaltrige Kusine. »Sie hat noch Milchzähne und eine Babyfrisur. Außerdem trägt sie schäbige Kleider. So kann sie nicht mit mir in die Schule gehen. Ich muß mich ja schämen, wenn die anderen erfahren, daß ich verwandt mit ihr bin. Dieses scheußliche T-Shirt ist doch aus dem Warenhaus und noch dazu von der billigsten Sorte. Die Jeans haben nicht einmal einen Markenaufdruck. Das kann man doch nicht tragen.« Hochmütig schüttelte Antonia den Kopf mit den glänzenden schwarzen Locken.
»Antonia, bitte, das sind doch Nebensächlichkeiten«, ermahnte Marlene ihre Tochter. Normalerweise machte sich eine Siebenjährige über solche Dinge bestimmt keine Gedanken. Doch Antonia kam im Club mit vielen älteren Mädchen zusammen, versuchte ihnen nachzueifern und beschäftigte sich deshalb mit solchen Dingen. Marlene war froh, daß ihr Mann noch schlief, denn er hätte das Töchterchen bestimmt unterstützt.
Lea sah verständnisvoll auf ihre Kusine. Sie fand, daß Antonia wunderschön aussah, beneidete sie aber nicht. »Meine Eltern haben kein Geld für teure Kleider«, antwortete sie bescheiden und biß mit gutem Appetit in ein knuspriges Croissant. Am Abend zuvor war Lea durch die lange Autofahrt zum Essen viel zu müde gewesen. Jetzt holte sie das versäumte Abendessen nach.
»Kein Geld?« erkundigte sich Antonia amüsiert. »Dann muß dein Vater ein Versager sein.« Hochmütig sah sie auf Lea.
Jetzt wurde die Kusine lebhaft. »Nein, das ist er nicht«, verteidigte sie Arne empört. »Es ist, weil meine Mutti so viele teure Medikamente gebraucht hat und eine Pflegerin und Ärzte, die der Papa hat bezahlen müssen.«
»Ph, das kann doch nicht wahr sein, daß man deswegen keine ordentlichen Jeans kaufen kann.«
»Meine Jeans sind ordentlich«, behauptete Lea ohne Aggression. Sie nahm Antonia ihre häßlichen Äußerungen nicht übel, denn sie hatte ja recht, sie besaß tatsächlich die hübscheren Sachen. Doch Lea war nicht neidisch.
Marlene war ärgerlich auf ihre kleine Tochter, verzichtete aber darauf, sie zurechtzuweisen, denn damit hätte sie nur Antonias Trotz herausgefordert und die Sache noch verschlimmert. Also versuchte sie, die Kinder abzulenken.
»Heute ist ja schulfrei, da könnten wir Lea das Meer zeigen. Sie hat es noch nie gesehen, und von hier aus ist es ja nicht sehr weit.« Freundlich sah Marlene die Kinder an.
»Das wäre schön«, freute sich Lea, während das Gesichtchen ihrer Kusine Antonia finster wurde.
»Mann, das ist doch langweilig«, protestierte sie. »Am Meer war ich schon so oft. Ich fahre lieber mit Papa. Er bekommt heute seinen neuen Ferrari. Das ist ein Geschoß, sagt er, der hängt alle ab. Wir fahren zu dem neuen Golfplatz. Der gehört auch meinem Vater. Zur Eröffnung hat er lauter ganz reiche Leute eingeladen. Könige und Prinzen und so.« Die Prahlerei galt Lea, die davon allerdings nicht beeindruckt war.
Sie konnte sich unter einem Golfplatz nichts vorstellen, da ihre Eltern solche Einrichtungen nicht nutzen konnten. Dagegen hatte Arne oft vom Meer erzählt, das dort, wo er aufgewachsen war, sehr stürmisch war.
»Möchtest du es dir nicht überlegen, Antonia? Der Ausflug wird bestimmt viel lustiger, wenn ihr zu zweit seid. Ihr könnt eine Sandburg bauen, vielleicht auch baden.«
»Mama, ich bin doch kein Baby mehr«, kritisierte Antonia vorwurfsvoll. »Sandburgen bauen die Touries. Und das Salzwasser mag ich sowieso nicht. Da schwimme ich doch lieber in unserem Pool.« Antonia sah hinüber zu dem Sportbecken, dessen Wasser türkisfarben in der Sonne glänzte.
»Ich kann noch nicht schwimmen. Zeigst du es mir?« bat Lea verlegen. Aufgrund der Krankheit der Mutter hatte die Familie nie ein Schwimmbad besucht.
Antonia lachte schadenfroh. »Du kannst nicht Tennis spielen, nicht reiten, verstehst nichts von Golf, nicht einmal schwimmen kannst du. Was hat dir denn dein Papa beigebracht? Kannst du wenigstens einen Computer bedienen?«
Lea schüttelte langsam den Kopf. Sie mochte nicht erklären, daß ihre Eltern für all diese Dinge weder Zeit noch Geld hatten.
»Mann, bist du aber blöd«, schnaubte Antonia, ohne sich der Kränkung, die sie der Kusine zufügte, bewußt zu werden.
Marlene empfand sie um so mehr. Die Nichte tat ihr leid. Nach all den schlimmen Erlebnissen in ihrem Elternhaus mußte sie jetzt auch noch Antonias verletzende Sprüche hinnehmen.
»Bitte, sag so etwas nicht«, wandte sich Marlene an ihr Töchterchen.
Antonias schwarze Augen funkelten sie zornig an. »Wenn es doch wahr ist. Überhaupt will ich nicht, daß sie bei uns bleibt. Sie hat hier nichts zu suchen!« Antonia bemerkte wohl selbst, daß sie damit zu weit gegangen war. Sie warf das Brötchen, das sie in der Hand hielt, auf den Teller, sprang auf und stürmte ins Haus.
Marlene wußte, daß sie zu ihrem Vater laufen würde, um sich zu beschweren. Sie hielt Antonia nicht zurück.
Liebevoll wandte sie sich der kleinen Lea zu, der der Appetit nun ebenfalls vergangen war. »Warum ist sie so böse?« fragte sie traurig.
»Antonia meint es nicht so«, versuchte Marlene die Nichte zu trösten. »Sie wird von ihrem Vater sehr verwöhnt und befürchtet jetzt, mit dir teilen zu müssen.«
Lea schnupfte unglücklich. »Ich will ja gar nichts von ihren vielen Spielsachen und ihren schönen Kleidern. Antonia hat mir ihre Schränke gezeigt. Ich glaube, so viele Sachen hat nicht einmal ein Filmstar. Ich habe auch den großen Fernseher gesehen, der in ihrem Zimmer steht, das Videogerät und die Stereoanlage, den Computer und die CDs. Sie hat einen Roboter, der richtig laufen und sprechen kann. Die ferngesteuerten Puppen und Autos mag sie gar nicht mehr, hat sie gesagt. Warum ist sie nicht zufrieden?« Lea sah ihre Tante groß an.
»Vielleicht kannst du mir helfen, Antonia zu ändern. Allein habe ich es nicht geschafft.« Marlene lächelte das Kind gewinnend an.
»Hm, wenn ich kann.« Lea schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. »Soll ich ihr nachlaufen?« Lea machte Anstalten, vom Stuhl zu rutschen.
Marlene