Dr. Norden Bestseller Classic 50 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Tasche, dann sah sie Theo Rodenberg an.
»Es gibt noch ehrliche Menschen«, sagte er.
»Aber ich kenne diese Frau doch gar nicht«, sagte Helga stockend.
»Vielleicht sind Papiere in der Tasche«, sagte er. »Wenn Sie einen Zeugen haben wollen, ich stehe zur Verfügung. Kommen Sie doch herein.«
Sehr konventionell schien er nicht zu sein, nur ein wenig verlegen war er jetzt.
»Ich muss mich nur schnell ein bisschen zurechtmachen«, sagte er. Purzel folgte ihm zutraulich ins Bad. Sie schienen sich gut zu kennen.
Helga befand sich nun in einer fremden Wohnung, in einer sehr schönen Wohnung, wie sie feststellte.
Daran änderte auch der Staub nichts, der auf allen Möbeln lag. Es waren sehr kostbare alte Möbel. Herrliche Gobelins hingen an den Wänden und auch einige Bilder, deren Wert hoch einzuschätzen war.
Theo Rodenberg kam nach wenigen Minuten zurück. »Es sieht noch mies aus bei mir«, sagte er, »aber da ich ein misstrauischer Mensch bin, lasse ich niemanden in die Wohnung, wenn ich abwesend bin. Anbieten kann ich Ihnen auch nichts, außer Wein oder Schnaps.«
»Ich brauche nichts«, erwiderte Helga. »Ich weiß auch gar nicht, was ich hier soll.«
»Die Tasche«, erinnerte er sie.
»Ach ja, die Tasche. Ich bin ein bisschen durcheinander. Ich habe Dr. Norden gerufen. Er hat die Frau in eine Klinik bringen lassen.«
»Dr. Norden wird uns dann schon weiterhelfen. Ein sehr netter Mensch. Ich mag ihn. Aber erzählen Sie doch erst mal genauer, was passiert ist.«
Da er der Hausherr war, hatte er wohl ein Recht darauf. Helga erzählte. »Ich glaube, sie wollte zu Viola«, sagte sie nachdenklich. »Jedenfalls nannte sie ihren Namen. Ich bin mit Viola schon ziemlich lange befreundet, aber diese Frau habe ich nie kennengelernt.«
»Na, dann schauen wir doch mal nach, ob ein Ausweis in der Tasche ist.«
Es war eine schon etwas abgegriffene Ledertasche, die aber einmal sehr teuer gewesen sein musste. Da kannte sich sogar Helga aus, obgleich sie nicht viel Geld für kostspielige Accessoires ausgab.
Sie überließ es Theo, die Tasche zu öffnen und den Inhalt zu untersuchen. Sie beobachtete ihn dabei nachdenklich. Sein flächiges, sehr markantes Gesicht verdüsterte sich plötzlich.
»Marlen Broda«, sagte er dumpf. »Das ist doch die Schauspielerin, die vor ein paar Monaten den Nervenzusammenbruch hatte.«
»Keine Ahnung«, sagte Helga. »Sie scheinen sich auszukennen.«
»Ich bin aus der Branche, aber mein Name scheint Ihnen auch nicht bekannt zu sein«, sagte er ironisch.
»Müsste ich ihn kennen?«, fragte sie ebenso ironisch zurück. »Ich bin Übersetzerin.«
»Ich bin Kameramann, ich mache Tier- und Landschaftsfilme.«
Helgas Augenbrauen ruckten empor. »Etwa auch diesen Islandfilm?«, fragte sie atemlos.
»Ja, ja«, erwiderte er gleichmütig.
»Er ist wundervoll«, sagte Helga. »Auf Namen achte ich eigentlich nie«, fügte sie dann entschuldigend hinzu.
»Ist auch nicht wichtig. Also Marlen Broda ist das. Und sie wollte zu Viola?«
»Sie nannte ihren Namen«, erwiderte Helga.
»Komisch. Sie war nie hier. Jedenfalls habe ich sie nie gesehen. Wo steckt Viola eigentlich?«
»Wahrscheinlich jetzt schon auf den Bahamas.«
»Allein?«, fragte er.
»Mit Werner Kilian.«
»Das gibt’s doch nicht. Wie ist sie denn an diesen Heini geraten?«, rief er aus.
»Das müssen Sie Viola schon selbst fragen. Sie kennen sie anscheinend recht gut.«
Seine dichten Augenbrauen schoben sich zusammen. »Man begegnet sich, wenn man in einem Haus wohnt«, erklärte er. »Sie habe ich hier auch nie gesehen.«
»Ich war auch erst ein- oder zweimal hier. Ja, zweimal«, sagte Helga. »Viola kam meistens zu mir. Sie wohnt ja noch nicht lange hier.«
»Ein halbes Jahr, und ich war die meiste Zeit unterwegs. Aber wir kommen vom Thema ab. Ich werde mich mal um Marlen kümmern.«
Vielleicht kennt er sie besser, als er zugeben will, dachte Helga. Vielleicht wollte sie gar zu ihm.
»Wollen Sie nicht mitkommen?«, fragte er nun. »Schließlich haben Sie erste Hilfe geleistet.«
»Ich habe nur Dr. Norden angerufen«, erwiderte Helga. »Sein Name ist mir eingefallen, weil Viola mir von ihm erzählt hat. Sonst habe ich nichts getan. Ich kann gar keine erste Hilfe leisten, weil es mir schlecht wird, wenn ich Blut sehe.«
»Endlich eine menschliche Seite«, sagte er rau.
Helga errötete. »Bin ich denn so unmenschlich?«
»So sachlich, so kühl, so steril«, erwiderte er. »Genau das Gegenteil von Viola.«
»Es wäre sehr aufschlussreich, wenn Sie mir sagen würden, wie Sie Viola einstufen«, sagte Helga.
»Sehr wirklichkeitsfremd, sehr ätherisch und gutgläubig. Sonst wäre sie wohl auch nicht mit Kilian auf die Reise gegangen.«
Nun konnte sich Helga ihre Gedanken machen, aber in einem stimmte sie mit diesem Mann ja überein. Sie beide hegten keine Sympathie für Werner Kilian, und außerdem hatte dieser Theo Rodenberg sehr viel für Viola übrig. Darüber hätte sie gern mehr gewusst. Das war allerdings auch eine Entschuldigung für sie, weil sie sich für Theo zu interessieren begann.
»Gut, ich komme mit, aber Purzel muss ich mitnehmen«, sagte sie.
»Er bleibt im Auto. Ich habe mich auch manchmal um ihn gekümmert. Wir verstehen uns, nicht wahr, Purzel?«
Der Hund spitzte die Ohren, als er angeredet wurde, und gab ein freudiges Wau, wau zur Antwort.
»Ich verstehe gar nicht, dass Viola kaum von Ihnen gesprochen hat«, sagte Helga, als sie losfuhren.
»Sie sind misstrauisch«, stellte Theo fest. »Aber das gefällt mir. Viola ist ein richtiges Veilchen, bescheiden, sittsam und rein. Jedenfalls war sie so, wenn sie von Kilian nicht verdorben worden ist. Ihr konnte man alles erzählen, sie glaubte auch alles. Sie war wütend auf mich, weil ich ihr sagte, dass man gerade in ihrem Job nicht jedem trauen dürfe. Sie hatte mal ein Angebot bekommen, in einem Film mitzuspielen, aber ich sagte ihr gleich, dass das nichts werden würde. Sie hat eine schöne Stimme, aber nicht eine Spur schauspielerisches Talent. Das stellte sich dann auch heraus, aber empfindsam, wie sie nun mal ist, meinte sie wohl, ich hätte quergeschossen. Ich mag sie nämlich sehr, aber ich bin wie ein Elefant im Porzellanladen, und Viola hört lieber auf schmalzige Töne. So, nun wissen Sie es.«
»Ich bin nicht für schmalzige Töne. Ich sage Viola auch meine Meinung deutlich.«
»Aber Sie sind eine Frau, und bei Ihnen braucht sie nicht zu befürchten, dass sie Heiratsabsichten haben.«
»Hatten Sie die?«, fragte Helga.
»Vorübergehend«, gab er ehrlich zu, »aber es wurde mir schnell klar, dass es schiefgehen würde. Sie steht mit den Füßen nicht auf dem Erdboden. Sie schwebt zwischen Himmel und Erde. Ich bin ein Elefant und sie ist eine Maus, wenn auch eine sehr hübsche Maus.«
»Sie stellen Vergleiche«, sagte Helga empört.
Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Viola eine Freundin hat, die so ganz auf dem Boden der Tatsachen steht«, erklärte er. »Wie haben Sie sich kennengelernt? Das müssen Sie mir später erzählen. Wir sind am Ziel.«
*
Dieser Mann hatte eine Art, gegen die Helga nicht