Dr. Norden Extra 10 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
waren doch kürzlich Schlagzeilen«, meinte Dorle. »Er ist mit Kundengeldern durchgebrannt, mit mehreren Millionen, aber als sie ihn verhaftet haben, war nichts mehr da.«
Jobst schüttelte ungläubig den Kopf. »Er war ein netter Junge«, sagte er gedankenvoll. »Wir hatten später keinen Kontakt mehr. Jetzt fällt mir ein, daß in der Klinik darüber geredet wurde, aber ich habe Peter damit nicht in Zusammenhang gebracht. Es ist doch seltsam, wie sich manche Menschen entwickeln.«
»Du kanntest doch seine Frau auch recht gut«, meinte Dorle beiläufig.
»Seine Frau? Ich wußte gar nicht, daß er verheiratet ist.«
»War, um es genau zu sagen, mit Vivi Conrad. Man sagt, daß sie an seinem Dilemma schuld ist.«
»Vivi? Liebe Güte, sie war doch so unbedarft. Es scheint, als sei manches an mir vorbeigegangen.«
»Wir haben es auch erst jetzt erfahren«, sagte Dorle. »Franziska hat uns besucht. Sie hat sich eingehend nach dir erkundigt. Sie war ja sehr mit Vivi und Peter befreundet.«
»Und sie besucht euch«, sagte Jobst spöttisch. »Hoffentlich kreuzt sie jetzt nicht auch auf. Ihr werdet Ihr doch nicht gesagt haben, daß ich komme.«
»Natürlich nicht, wir wollen dich für uns haben«, erklärte Dorle.
»Sie scheint ein ziemlich lustiges Leben zu führen«, brummte Jacob Börner. »So sieht sie jedenfalls aus.«
»Sie befindet sich doch anscheinend in der richtigen Gesellschaft«, meinte Jobst anzüglich. »Aber das soll kein Thema für uns sein. Ich bin froh, daß die Kontakte zwischen uns abgerissen sind. Bin nicht interessiert, sie wieder aufzunehmen.«
»Du fühlst dich wohl in der Behnisch-Klinik?«
»Ja, sehr wohl, ihr braucht nicht daran zu zweifeln. Ich kann mir Zeit lassen, nach einer Praxis Ausschau zu halten.«
»Aber da gibt es doch sicher auch Patientinnen«, meinte Dorle vorsichtig.
Jobst lachte jungenhaft. »Du scheinst zu ahnen, daß man Probleme bekommen kann, Mutsch. Bisher hatte ich solche nur mit einer. Die ist jetzt tief beleidigt, daß ich ihr mein freies Wochenende nicht widme«, meinte er amüsiert. »Ich weiß nicht, was sich manche Frauen einbilden.«
»Du bist halt ein hübscher Bursche«, meinte sein Vater neckend. »Aber gerade als Arzt muß man besondere Vorsicht walten lassen.«
»Das weiß ich, Paps, und ich bin ständig auf der Hut.«
Sie machten dann noch einen Abendspaziergang, aber Jobst wollte früh ins Bett, damit er die beiden Tage ausgeschlafen ausnutzen konnte.
*
Dr. Daniel Norden war am Freitagnachmittag noch zur Behnisch-Klinik gefahren, um sich mit Dieter und Jenny Behnisch, mit denen er schon lange befreundet war, wegen Donata Rohden zu besprechen.
Er erkundigte sich vorher nach Irene Brück, die er auch in die Klinik eingewiesen hatte. Jenny sagte ihm, daß sie Theater mache, weil sie wohl um eine Operation nicht herumkommen würde.
»Und außerdem ist sie sauer, weil Jobst ein freies Wochenende hat«, erklärte sie ironisch. »Der arme Junge muß sich kräftig seiner Haut wehren.«
»Was ihm doch wohl nicht schwerfallen wird angesichts der bereits welkenden Schönheit«, spottete Daniel. »Sie kann es nicht lassen. Sie muß einen Tick haben, daß sie sich auf Ärzte konzentriert, dabei hat sie doch sicher noch andere Chancen. Siebert ist jedenfalls sehr an ihr interessiert.«
»Siebert ist Metzger«, brummte Dieter.
»Er ist Fleischfabrikant und schwerreich«, wurde er von Daniel korrigiert. »Man müßte es ihr schmackhaft machen.«
»Tu das, sie wird hocherfreut sein, wenn du sie besuchst«, grinste Dieter.
»Sprechen wir lieber über Frau Rohden«, lenkte Daniel ab. »Mich stimmt ihre Blutsenkung sehr besorgt. Hoffentlich steckt nicht ein Tumor dahinter, wenngleich ich dafür noch keine Anhaltspunkte gefunden habe.«
»Manchmal bleibt einem nichts weiter übrig, als unter die Haut zu schauen«, sagte Dieter. »Sind beide Nieren befallen?«
»Ich bin kein Urologe, ich wage keine endgültige Diagnose, aber ich konnte sie nicht bewegen, noch einen Facharzt aufzusuchen. Es hat aller Überredungskünste bedurft, sie für eure Klinik zu erwärmen. Sie muß schon bittere Erfahrungen mit Ärzten gemacht haben, obwohl sie sich nicht darüber äußert. Sie ist äußerst zurückhaltend, sehr schweigsam, voller Hemmungen, was ich nicht verstehen kann, da ich den Eindruck habe, daß ihre Ehe sehr glücklich ist.«
»Der Schein trügt manchmal«, sagte Jenny.
»Aber Rohden ist sehr besorgt um seine Frau.«
»Er ist ein prominenter Architekt, aber sie treten sehr selten gemeinsam in der Öffentlichkeit auf«, sagte Jenny.
»Woher willst du das denn wissen?« fragte Dieter. »Du bist doch nicht für Klatsch.«
»Das ist kein Klatsch. Erst kürzlich habe ich ein Interview mit ihm im Fernsehen gesehen. Ein eigenartiger Mann. Er hat auch betont, daß sein Privatleben tabu sei für die Öffentlichkeit und seine Frau Publicity nicht schätze.«
»Kinder haben sie wohl nicht«, meinte Dieter.
»Nicht, daß ich wüßte«, sagte Daniel. »Wie ich schon sagte, sie ist sehr schweigsam.«
Sie unterhielten sich noch einige Zeit, und Daniel bat darum, hinreichend informiert zu werden, was diese Patientin betraf.
»Ist doch selbstverständlich«, sagte Dieter. »Alles wohlauf in der Familie?«
»Wir können nicht klagen«, erwiderte Daniel. »Wir sollten uns mal wieder treffen.«
»Wenn wir nur mehr Zeit hätten«, seufzte Jenny.
*
Jobst schlief tief und traumlos in dieser Nacht. Diese himmlische Ruhe, die herrliche kalte Luft, die durch das gekippte Fenster in sein Zimmer strömte, trugen zu einer völligen Entspannung bei. Als es langsam hell wurde, war er putzmunter und beschloß gleich, auf seine Langlaufski zu steigen und noch vor dem Frühstück einen Morgenlauf zu unternehmen. Lange schon war er nicht mehr dazu gekommen. Seine sportliche Betätigung beschränkte sich in letzter Zeit auf ab und zu mal eine Stunde Tennis oder auch Schwimmen. Immer war die Arbeit ihm doch wichtiger gewesen.
Im Hause war es still, und er bemühte sich auch, keine Geräusche zu verursachen. Es wurde erst langsam hell, als er auf seinen Ski durch den frischen Schnee glitt, der unberührt den Boden deckte. Pulvrig stäubte er auf, als er mit langen, federnden Gleitschritten einen Weg bahnte. Die Stille war traumhaft, kein Mensch, kein Tier weit und breit. Alles schien zu schlafen. Tiefe Atemzüge hoben seine Brust. Er genoß es, die reine Luft einzuatmen. Aber dann trieb ihn der Hunger heim. Als er das Haus betrat, stieg ihm schon aromatischer Kaffeeduft in die Nase. Der Frühstückstisch war gedeckt, seine Mutter kam ihm lächelnd entgegen.
»Hab’ es mir schon gedacht, daß du den Morgen genießt«, sagte sie weich. »Aber du hättest doch auch mal ausschlafen können, Jobst.«
»Ich habe so gut geschlafen, daß ich gleich munter war, Mutsch. Und jetzt habe ich den richtigen Hunger. Da schmeckt das Frühstück doppelt gut.«
Er schaute sich um. »Es gibt ja sogar frische Brötchen«, staunte er. »War Paps denn schon unterwegs?«
»I wo«, lachte Dorle, »die Brötchen bringt der Heimbuchner-Sepp jeden Morgen. Jacko schläft jetzt gern ein bißchen länger. Es tut ihm gut. Er ist längst nicht mehr so nervös wie früher.«
»Er sieht auch gesunder aus«, stellte Jobst fest. »Es war ein guter Entschluß von euch, hierher zu übersiedeln, weg vom Streß.«
Dorle nickte. »Hier kann er sich seine Zeit einteilen.« Sie konnten sich noch eine halbe Stunde allein unterhalten, erst dann kam Jakob und setzte sich zu ihnen.