Butler Parker Classic 45 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Amateure Parker und Rander wären mir lieber«, stellte Brown lächelnd fest, »na ja, Rander, vielleicht sitzen wir bald wieder in einem Boot! Wohin werden Sie fahren?«
»Parker und ich reisen morgen ab«, antwortete Mike Rander, »wir werden am Lake Okeechobee den Fischen nachstellen!«
»Passen Sie auf sich auf«, bat Brown, »denken Sie an die weiblichen Henker, die der ›Herr der Welt‹ Ihnen auf den Hals hetzen wird. Unterschätzen Sie die Amazonen nicht!«
»Worauf Sie sich verlassen können. Parker und ich haben sie ja aus nächster Nähe erlebt!«
»Denken Sie daran, wie geschickt Frauen sich tarnen können!«
»Noch mehr von diesen Ratschlägen?« fragte Mike Rander spöttisch zurück.
»Gehen Sie am besten jeder Frau aus dem Weg. Wenigstens in den kommenden Wochen.«
»Warum sperren Sie uns nicht gleich ein. Nur so aus Sicherheitsgründen?«
»Rander, das würde ich wirklich am liebsten tun«, antwortete Mr. Brown sehr ernst. »Sie haben den Staaten einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Dafür … möchte ich mich bedanken, indem ich Sie schütze!«
»Feierlicher geht’s wohl nicht, wie?« Mike Rander grinste wie ein Schuljunge, »und was die weiblichen Henker angeht, na, Brown, mit denen werden wir schon fertig werden! Falls diese Amazonen sich überhaupt blicken lassen. Wenn Sie mich fragen, so hat der ›Herr der Welt‹ jetzt andere Sorgen. Er muß sich eine neue Machtposition aufbauen. Das wird ihn voll und ganz beschäftigen, wetten?«
»Ich wünsche mir schon jetzt, daß ich diese Wette verliere«, schloß Brown die Unterhaltung. »Übrigens, wo steckt denn Ihr Butler?«
»Wie ich ihn einschätze, lustwandelt er jetzt würdevoll wie ein Bischof über die Uferpromenade und träumt von neuen Überraschungen.« Mike Rander lächelte grimmig, »aber die werde ich ihm vermiesen, Brown. Für Parker und mich besteht ab sofort totale Windstille!«
*
Im Gegensatz zu Mike Randers Behauptung lustwandelte der Butler nicht.
Er saß steif und würdevoll auf der Kante eines Strohsessels und beobachtete das lebhafte Strandtreiben. Er hatte sich einen französischen Cognac bestellt und rauchte dazu eine seiner scheußlichen Zigarren. Er konnte sich diesen Luxus leisten, denn er befand sich auf einer Terrasse, die vom sanften Meereswind unaufhörlich bestrichen wurde.
Einige vorwitzige und gierige Möwen, die ihn beobachtet hatten und dann zu einem Erkundungsflug gestartet waren, hatten sich hustend zurückgezogen und mieden ab sofort diesen schwarz gekleideten Mann, dessen Rauchwolken penetrant waren. Diese Möwen saßen auf dem Geländer einer Seebrücke, die weit ins Wasser hinausführte, und beobachteten diesen ungewöhnlichen Menschen, der so gar nicht in das Bild paßte.
Parker dachte an Exuma Island. Parker dachte an die Amazonen, mit denen er sich auf der verschwiegenen Insel herumgeschlagen hatte. Er dachte an den »Herrn der Welt«, wie der Supergangster sich nannte und dachte schließlich daran, daß dieser Mann samt der Masse seiner Mitarbeiterinnen entwischt war.
Im Gegensatz zu seinem jungen Herrn machte der Butler sich keine Illusionen. Er rechnete mit Schwierigkeiten. Er rechnete fest und sicher mit mörderischen Anschlägen. Und da er den Angriff grundsätzlich für die beste Art der Verteidigung hielt, grübelte er darüber nach, wie er seinen lustlosen und ruhehungrigen jungen Herrn aktivieren konnte.
Parker ließ sich einen Moment ablenken.
Sein Interesse galt einer Gruppe junger Leute, die am Strand herumtollten. Sie vergnügten sich mit Pfeil und Bogen. Sie schossen lange Pfeile mehr oder weniger treffsicher in eine Korbscheibe. Wie gern hätte der Butler sich beteiligt, doch seine Würde verbot es ihm, sich diesen jungen Leuten anzuschließen.
Er schloß die Augen, um sich nicht weiter ablenken zu lassen. Er dachte immer wieder an die Amazonen von der Insel und fragte sich, wo sie sich jetzt wohl auf hielten. Hatten sie sich nach Südamerika zurückgezogen? Rüstete der »Herr der Welt« dort ein neues Machtzentrum aus? Vielleicht in den unwegsamen Dschungeln des Amazonas?
Parker gestand sich wieder einmal ein, daß er von diesem Supergangster im Grunde nichts wußte. Gewiß, er hatte ihn auf der Exuma Island einige Male gesehen. Das heißt, er war der Ansicht gewesen, ihn gesehen zu haben. Doch konnte das auch genausogut eine Verwechslung gewesen sein. Der »Herr der Welt«, ein Meister der Tarnung und der Maske, war bestimmt in eine andere Haut geschlüpft.
Parker wurde leicht abgelenkt.
Eine Stechmücke, verwegen und hart im Nehmen, näherte sich seinem Nacken. Sie gierte danach, Parkers Blut zu kosten. Sie ließ sich selbst von den Rauchschwaden nicht vertreiben.
Parker hob gemessen die Hand, um sie zu verscheuchen. Da sie aber hartnäckig blieb und sich jetzt seinem Ohr näherte, mußte er nach ihr schlagen.
Dabei bewegte er seinen Oberkörper automatisch zur Seite.
Und dabei hörte er ein giftiges Zischen, das keineswegs von der Stechmücke herrühren konnte. Er spürte deutlich einen plötzlichen Luftzug an der linken Halsseite und hörte Bruchteile von Sekunden später knapp hinter sich splitterndes Reißen.
Parker öffnete sofort die Augen und nahm den Kopf herum.
Nur dank seiner Selbstbeherrschung sprang er nicht sofort auf.
Er starrte aus grauen, prüfenden Augen auf den zitternden Pfeilschaft, der nur wenige Zentimeter hinter ihm wippte. Die Pfeilspitze stak im Holz des Pfeilers, der zur Pergola dieses Lokals gehörte.
Eine mörderische Waffe!
Parker wußte sofort, daß hier von einem bedauerlichen Zwischenfall keineswegs die Rede sein konnte. Ein Zufall schied ebenfalls aus. Hier war bewußt mittels Pfeil und Bogen nach ihm geschossen worden!
Parker ahnte, daß der nächste Pfeil nicht lange auf sich warten ließ.
Er verzichtete diesmal auf Würde, ließ sich blitzschnell auf die Knie fallen und ging hinter der Balustrade der Terrasse in Deckung.
Sein Entschluß zahlte sich aus.
Ein zweiter Pfeil zischte heran und blieb von außen in der Balustrade stecken. Auch diesmal war ungemein präzis gezielt worden.
Parker war peinlich berührt.
Er sah nach dem lustigen Völkchen, das nach wie vor am Strand herumtollte und das kreisrunde Ziel mit Pfeil und Bogen beschoß. Gewiß, von dorther konnten die beiden Pfeile auf die Reise geschickt worden sein, doch er glaubte nicht daran. Solch ein Versehen wäre selbst den ausgelassenen, jungen Leuten aufgefallen. Zudem schossen sie in eine ganz andere Richtung.
Nein, die beiden Pfeile mußten dort oben vom gegenüberliegenden Fenster abgeschossen worden sein.
Parker sah hoch und entdeckte sofort das Fenster, das gerade ganz langsam geschlossen wurde. Die Sonne spiegelte sich für einen kurzen Moment in der Scheibe.
Wer sich hinter dem Fenster befand, ließ sich leider nicht ausfindig machen. Doch Parker wußte Bescheid.
Die Henker des »Herrn der Welt« hatten hiermit die kriegerischen Handlungen eröffnet.
Parker ahnte in etwa, was seinem jungen Herrn und ihm bevorstand!
*
Mike hatte sich von Brown verabschiedet und wartete auf die Rückkehr seines Butlers. Er genoß die klimatisierte Luft seines Apartments und rauchte genußvoll eine Zigarette. Er wartete darauf, daß man ihm einen Whisky servierte. Er hatte ihn telefonisch bestellt, da die Trinkvorräte im eingebauten Zimmereisschrank von Mr. Brown dezimiert worden waren.
Er dachte über die Worte seines früheren Chefs nach. Während der Kriegsjahre hatte Mike Rander unter Brown gedient. Und zwar in einer geheimen Organisation, über die man nie sprach, die aber dennoch sehr aktiv war und nach wie vor existierte. Sie lief neben der CIA einher, ohne mit diesem Dienst etwas zu tun zu haben.