Butler Parker Classic 45 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
setzen uns schleunigst ab. Palm-Beach ist mir gründlich verleidet.«
Die beiden Männer verließen das Apartment und fuhren mit dem Lift nach unten. Während Rander nach der Wahl einer Geheimnummer mit Mr. Brown telefonierte, inspizierte der Butler die belegte Hotelhalle. Viele Feriengäste trudelten durch den großen Raum. Es war selbst nur mit einiger Sicherheit kaum zu sagen, wer in Diensten des »Herrn der Welt« stand. Da gab es neben den Männern bunt geschmückte, ältere Damen mit den obligaten Rosenhütchen und Perlenketten, da gab es sexreiche, junge Frauen, da gab es …
Parkers Blick fiel auf eine Dame, die gerade auszuziehen schien. Sie mochte etwa zwanzig Jahre alt sein, war blond und sah ungemein attraktiv aus. Sie bewegte sich mit ungezwungener Natürlichkeit und übersah die bewundernden Blicke, die ihr galten.
Parker hatte das Gefühl, diese junge Dame schon einmal gesehen zu haben. Keineswegs hier im Hotel, sondern möglicherweise auf einer Insel, die er niemals vergessen würde. Gehörte diese junge Dame zu den Henkern des Supergangsters?
Als sie durch die Glastür hinüber zur Freitreppe schritt, erkundigte sich der Butler an der Rezeption nach ihr.
»Miss Jill Carvon«, sagte der Empfangschef mit leiser Stimme, »unverständlicherweise reist sie bereits wieder, obwohl sie doch gerade erst angekommen ist!«
Parker ließ einen recht ansehnlichen Geldschein in die willige Hand des Empfangschefs gleiten.
»Woher kommt Miss Carvon?« fragte er dann weiter.
»Sie kam aus Los Angeles und reist weiter nach New York«, lautete die Auskunft. »Eine bezaubernde, junge Dame, nicht wahr?«
»In der Tat«, pflichtete der Butler dem Mann bei. Dann beeilte er sich, ebenfalls die Halle zu verlassen. Aus wohlerwogenen Gründen kümmerte er sich nicht weiter um seinen jungen Herrn. Die junge Jill Carvon war jetzt wesentlich interessanter.
Draußen vor dem Hotel stieg sie gerade in ein Taxi. Parker merkte sich das Kennzeichen dieses Wagens, eilte zurück in die Halle und winkte den Empfangschef noch einmal diskret zu sich heran.
»Bin ich richtig in der Annahme, daß Miss Carvon neben dem Apartment meines jungen Herrn wohnte«, fragte er.
Die Auskunft lautete positiv.
Butler Parker bedankte sich durch ein Kopfnicken, eilte zum Lift und fuhr hinauf in das zweite Stockwerk. Er blieb vor der verschlossenen Tür sehen, hinter der Jill Carvon gewohnt hatte. Dann griff er ungeniert nach seinem Patentbesteck, öffnete es und schob es in das Schlüsselloch.
Innerhalb weniger Sekunden öffnete sich die Tür.
Parker blickte hinüber zur Wand.
Und entdeckte sofort, wonach er im Grunde gesucht hatte.
An der Wand, die die beiden Apartments voneinander trennte, klebte der Hutkoffer der Jill Carvon.
Auf Zehenspitzen näherte sich der Butler diesem schwarzen Hutkoffer und schob sein Ohr vor.
Im Koffer tickte es monoton!
Parker wußte Bescheid.
Hier war höchste Eile geboten. Er hatte ja keine Ahnung, wann der Zeitzünder reagieren würde. Er wußte nicht einmal, um welches System es sich handelte. Er durfte noch nicht einmal das Risiko eingehen, die Hutschachtel zu öffnen.
Er löste den Koffer vorsichtig von der Wand. Die starken Saugknöpfe machten ihm die Arbeit schwer. Parker hatte das Gefühl, daß der Zeitzünder immer schneller tickte. Schneller und lauter! Ein schlechtes Zeichen!
Er trug den Hutkoffer hinüber zum Balkon, schob die nur angelehnte Tür mit der Schuhspitze vollends auf und sah hinunter.
Im Garten des Hotels befand sich ein Swimmingpool, nicht besonders groß, doch ausreichend, um gut zwanzig schwimmende und plantschende Menschen aufzunehmen.
Im Moment war dieser Swimmingpool leer. Es ging auf Mittag zu, und man zog sich um.
Parker nutzte diese Chance. Wie ein Baseballspieler holte er aus und warf die Hutschachtel hoch in die Luft. Dann verfolgte er ihre Flugbahn. Sie erreichte den Gipfelpunkt, senkte sich, und dann landete die Hutschachtel prompt und zielsicher im Swimmingpool.
Sie verschwand unter der Wasseroberfläche, tauchte auf, schaukelte ein wenig in den sanften Wellen und barst dann mit einem gewaltigen Knall auseinander.
Die Detonation verursachte eine, haushohe Wassersäule. Die Druckwelle ließ Fensterscheiben zersplittern. Kacheln wurden aus dem Swimmingpool hochgerissen und verwandelten sich in gefährliche Geschosse, die aber erfreulicherweise keinen Schaden anrichteten.
Parker nickte zufrieden und trat zurück in das Apartment.
Als er draußen auf dem Korridor war, auf dem sich bereits die ersten erschreckten Hotelgäste versammelten, kam ihm Mike Rander entgegen.
»Ich fürchte, Sir, draußen im Swimmingpool muß eine Art Seemine detoniert sein«, berichtete der Butler, »ein Grund mehr, schleunigst diese ungastliche Stätte zu verlassen.«
»Wir können sofort losfahren«, sagte Mike Rander. »Brown läßt die Tote im Apartment abholen.«
»Wurden irgendwelche Abmachungen getroffen, Sir?«
»Ich weiß schon, worauf Sie hinaus wollen, Parker«, Mike Rander schmunzelte, »ich habe Brown erklärt, daß wir weitermachen werden. Sonst werden wir ja niemals Ruhe haben.«
»Ein Entschluß, Sir, zu dem zu gratulieren ich mir die Freiheit nehme«, erwiderte der Butler. »Wenn ich dann also packen darf?«
Sie gingen zurück in ihr Apartment. Sehr vorsichtig übrigens. Es konnte ja sein, daß Miss Jill Carvon einige zusätzliche Überraschungen hinterlassen hat.
Doch sie blieben aus.
Dafür meldete sich das Telefon.
»Bei Mr. Rander«, meldete sich Parker, nachdem er abgehoben hatte.
»Eine Botschaft für Mr. Rander und Josuah Parker«, sagte eine leidenschaftslose, fast unterkühlte Frauenstimme. »Der ›Herr der Welt‹ hat bisher nur mit Ihnen gespielt. Ab sofort beginnt die Vernichtung!«
»Wie …?« fragte Josuah Parker gedehnt zurück, »reicht Ihrem Herrn und Meister denn nicht das, was man gemeinhin eine Pleite nennt und die sich draußen auf Exuma Island abgespielt hat?«
Nach dieser Antwort legte der Butler auf und traf alle Vorbereitungen für die Abreise. Mike Rander telefonierte unterdessen noch einmal mit Mr. Brown und berichtete ihm von jener Miss Jill Carvon, die ein fulminantes Feuerwerk hinterlassen hatte. Er bat feststellen zu lassen, wohin der Taxifahrer sie gebracht hatte.
»Parker und ich melden uns von Okeechobee«, schloß der junge Anwalt.
»Passen Sie höllisch auf sich auf«, warnte Mr. Brown, »diese Fahrt kann mit gepfefferten Überraschungen gepflastert sein!«
»Wir rechnen sogar fest damit«, erwiderte der Anwalt, »aber bevor wir losfahren, kauft Parker noch eine Spezialkarte. Sie wissen ja, wie gründlich er ist! Er möchte mit einigen Gegenüberraschungen aufwarten!«
*
Vor der Abfahrt studierte Parker die Detailkarte.
Auf ihr war praktisch jede Bodenerhebung, jedes Waldstück und jedes Haus verzeichnet. Mit nur etwas Fantasie ließ sich der Weg zum Binnensee also vorausberechnen. Vorausberechnen ließen sich auch alle jene Stellen, die für einen Überfall besonders geeignet waren.
»Parker, wir sollten auf die üblichen Spielereien verzichten«, warnte Mike Rander, nachdem der Butler kurz vor dem Verlassen der Stadt sich noch ausgiebig in einem Scherzartikelgeschäft umgesehen hatte. »Wir haben es zwar mit Frauen zu tun, aber jede von ihnen ist ein potentieller Mörder!«
»Ich vergesse dies keineswegs, Sir«, gab der Butler zurück und rückte sich stocksteif vor dem Steuerrad zurecht, »aber auf der anderen Seite möchte ich, wie es üblich ist, auf jede sinnlose Gewalt verzichten.«