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Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann. Franziska SteinhauerЧитать онлайн книгу.

Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann - Franziska Steinhauer


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hatte der Vater versprochen. Dann! Er bekäme die Möglichkeit sich auszuprobieren. Wenigstens für einige Zeit.

      Und nun?

      Nichts! Der Vater erlitt im Februar einen schweren Sturz und arbeiten war eine schier unlösbare Herausforderung. An manchen Tagen schaffte er es nicht einmal, die Werkstatt zu erreichen. So entschied sich, er, der Sohn, habe den Betrieb zu retten. Jetzt und sofort!

      Was für eine bittere Enttäuschung! All seine Pläne – nur noch Makulatur.

      Immerhin gelang es ihm, dem Vater ein paar Wochen Ferien abzutrotzen.

      Ab kommendem Montag.

      Doch was konnte er in der freien Zeit unternehmen?

      Unschlüssig spazierte er an der Leine entlang, die hier an dicht bewachsenem Ufer vorbeizog. Ein idyllischer, geheimer Ort für Verliebte.

      Damit war es allerdings erst mal vorbei.

      »Seine Sabine« poussierte mit einem anderen, hatte ihn wissen lassen, sie wolle ihn nicht mehr treffen.

      Natürlich sollte er eigentlich wütend auf sie sein.

      Vielleicht sie sogar hassen.

      Aber wenn er ehrlich zu sich war, tat es einfach nur verflixt weh!

      Wie wunderbar hätten die zwei freien Wochen mit ihr an seiner Seite sein können!

      Er seufzte sehnsuchtsvoll.

      Rieb ein wenig Feuchtigkeit aus den brennenden Augen. Blinzelte vorwurfsvoll in die Sonne, als sei sie schuld an den Tränen gewesen.

      »Theo!«, rief ihn plötzlich jemand an. »Na, das ist ja eine Überraschung! Was für ein Zufall!« Ein junger Mann sprang sportlich von seinem Rad und rannte die letzten Meter auf ihn zu.

      Theo kniff die Augen zusammen.

      »Ludwig? Bist du das wirklich?«, jubelte er dann glücklich und nahm den Freund aus Schultagen fest in die Arme. Klopfte ihm auf den Rücken. »Mensch Ludwig! Was tust du denn hier? Deine Mutter hat meiner erzählt, du wärst in Göttingen an der Universität!«

      »Stimmt ja, immerhin fast. Ich beginne dort mit dem Medizinstudium. Aber bis dahin ist noch ein bisschen Zeit.« Das Strahlen war aus seinen Zügen wie ausradiert, als er hinzusetzte: »Das Ende der Freiheit ist nah. Das Studium soll straff und hart sein, danach muss ich in der Praxis meines Vaters mitarbeiten, sie später ganz übernehmen.«

      »Oh, dann wirst du unser neuer Hausarzt!«

      »Gut möglich! Wenn ich euch als junger Arzt frisch von der Uni vertrauenswürdig genug bin!«, freute sich der junge Mann sichtlich über das Zusammentreffen. »Und du? Was machst du?«

      Nun verdüsterte sich Theos Miene schlagartig.

      »Ach, es ist halt, wie es ist«, fiel die Antwort traurig und etwas kryptisch aus.

      »Und das heißt?« Ludwig ließ nicht locker, strich sich das seitlich gescheitelte Haar nach hinten.

      »Na, ich bin fertig mit der Lehre. Geselle. Das Meisterstück entsteht gerade. Und nun soll ich Vaters Tischlerei und Schreinerbetrieb übernehmen«, maulte der Freund, und seine dunklen Augen bekamen einen finsteren Schimmer.

      »Das ist doch das Schlechteste nicht!«, tröstete Ludwig. »Handwerker finden auch in schweren Zeiten wie diesen ihr Auskommen. Oder stimmt das nicht?«

      Die jungen Männer setzten sich an den Rand des Weges. Das Rad lehnte geduldig an einem Busch.

      »Der Boden des Handwerks ist nur dann golden, wenn die Kunden auch was ausgeben können. Und im Moment sieht es damit wahrlich nicht gut aus. Es wird schon weitergehen. Irgendwie.« Er schwieg. Ludwig wartete ruhig ab. Als Theo weitersprach, klang seine Stimme seltsam belegt. »Dabei wollte ich doch Schauspieler werden! Ein richtig guter! Möglich, dass ich berühmt geworden wäre. Einer, von dem man auf den Straßen spricht. Talent sei genug vorhanden, hat man mir gesagt. Lichtspielhäuser oder Theater, ich könne es überall schaffen! Tja. Nun ist es vorbei – ausgeträumt!«

      Ludwig sah den Freund nachdenklich an.

      »Manches erweist sich erst mit der Zeit, Theo. Du kannst auch ein wirklich guter Schreiner und Tischler sein, von dem man mit Hochachtung spricht. Wer weiß, möglich, dass du einen Stuhl oder eine Couch entwirfst, die weltweit für Aufsehen sorgen. Später wird es vielleicht Bücher über deine überaus kunstvoll gestalteten Möbel geben! Und wer weiß denn schon, was die Zukunft bringt – am Ende wird dein Traum doch noch wahr! Ihn aufzugeben, ist es viel zu früh!« Dann fragte er plötzlich aufgeregt: »Wann sollst du den Betrieb denn übernehmen? Dein Vater ist doch nicht im richtigen Alter für ein Sich-zur-Ruhe-Setzen.«

      »Er kann nicht mehr gut arbeiten – hatte einen Unfall. Deshalb soll ich jetzt sofort einspringen. Ich konnte gerade noch eine freie Zeit von etwa zwei Wochen aushandeln.«

      »Beginnen die zwei Wochen vielleicht in den nächsten Tagen?«

      »Ja. Eigentlich wollte ich …«, er seufzte wieder, »aber die Weibsleute, na ja. Du weißt schon.«

      »Gut. Wenn du jetzt keine Planung mehr hast, dann hätte ich vielleicht eine gute Idee für uns beide. Komm, wir gehen ein Stück den Fluss entlang.«

      So spazierten die Freunde nebeneinander her, waren vertraut, als habe es die zeitliche Trennung durch Schule und Lehre nie gegeben. Ein jeder machte seinem Herzen Luft, und Ludwig skizzierte seine Überlegungen für die kommenden beiden Wochen.

      Theodor war sofort Feuer und Flamme.

      »Mit Rad und Zelt? Wunderbar! Ich bin dabei!« Nach kurzem Überlegen: »Ich habe allerdings weder das eine noch das andere!« Nach einer kurzen Pause: »Aber ich weiß, wo ich es bekommen kann!«

      Er schlug ein, und Ludwig versprach, am nächsten Tag wiederzukommen, um die – wie er es nannte – Feinabstimmung zu besprechen.

      3. Kapitel

      1918 September / Fritz Haarmann

      Als ich am nächsten Tag wiederkam, hing schon ein lästiger Geruch über dem Laden neben der Kammer. Auf dem Flur war noch nichts davon zu bemerken, aber das würde sich ändern, es war nur eine Frage der Zeit.

      Irgendwie rechnete ich – völlig wider den gesunden Menschenverstand – fest damit, von ihm angesprungen zu werden, als ich die Tür langsam ein wenig aufschob. Besorgt durch den Spalt blinzelte.

      Alles ruhig.

      Er lag, wie ich ihn verlassen hatte. Zugedeckt, so gut wie möglich unter dem Bett verborgen.

      Und er war längst nicht mehr allein.

      Fliegen!

      Nun, das überraschte mich nicht. Ich dachte daran zu lüften, unterließ es dann zunächst. Musste aber später doch das Fenster öffnen, weil … na ja. Blut und Zersetzung. Keine gute Mischung. Und eine, die den anderen Mietern im Haus besser verborgen blieb.

      Eine halbe Stunde saß ich wohl einfach da und sah ihn an.

      Ich wollte nicht mit dem beginnen, was letztlich unausweichlich sein würde.

      Tatsächlich war er noch immer schön. Und er sah friedlich aus.

      Solange der Hals nicht zu sehen war, konnte man glauben er schlafe tief, sei vielleicht ein wenig blass.

      Das galt schließlich für viele, deren Ernährungslage schlecht war, hatte in der Regel nicht mehr als das zu bedeuten.

      Allerdings zeigten sich bei ihm schon an einigen Stellen violette Flecken.

      Nach einer weiteren Stunde, in der ich ruhelos auf und ab gegangen war, begann ich die Dinge zu richten, die ich wohl benötigen würde.

      Das kleine Küchenmesser, mit dem ich normalerweise Kartoffeln schälte, zog ich energisch über den Wetzstahl, damit es gut durchs Gewebe fahren würde. Das Gleiche tat ich mit der Schneide des etwas größeren Exemplars. Ich legte beide in einen Eimer,


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