Liebe, Tod und Pflege. Michael WeißЧитать онлайн книгу.
Schritt immer deutlicher werdende Piepton in die Ohren. Unsere Schritte wurden in ihrem Takt schneller, eine gewisse Zügigkeit wurde beim Unterfangen besagten Piepton, zu erreichen um dessen Indikation in Erfahrung zu bringen an den Tag gelegt. Je näher man der Geräuschquelle kam desto klarer und eindeutiger war zu vernehmen, dass es sich nicht nur um ein einzelnes Alarmsignal handelte, sondern zwei, welche sich gegenseitig überlagerten. Der erste Alarmton wurde von der Beatmungsmaschine erzeugt, welche uns mitteilen wollte, das die Gänsegurgel, das ist der circa zwanzig Zentimeter lange geriffelte und sehr flexible Kunststoffschlauch, welcher zwischen den eigentlichen Beatmungsschlauch und die Trachealkanüle gesteckt wird um eine flexiblere Handhabung zu gewährleisten, zu zwei Drittel gefüllt mit hellgelben zähen Trachealsekret und dadurch in seinem Durchfluss blockiert war. Dieser Umstand machte den Transport von frischer, zusätzlich mit Sauerstoff angereicherter Atemluft zur Lunge als auch den Abtransport von sauerstoffarmer und Kohlenstoffdioxid angereicherter Luft aus dem Organismus unmöglich. Auf gut Deutsch, besagter Pflegeklient war gerade dabei einfach zu ersticken. Diese Tatsache wurde zusätzlich und eindeutig durch das zweite Alarmsignal untermauert und in seiner Unmissverständlichkeit bestätigt, welches von einem Pulsoximeter erzeugt wurde und welches uns über den mehr als beschissenen Begebenheit informieren wollte, das die aktuelle Sauerstoffsättigung unseres unkoordiniert zuckenden und stark die Augen nach oben rollenden Pflegeklienten nur noch bei einem Wert von 16% lag. Dieser viel zu niedrige Wert konnte eigentlich nur eines bedeuten. Nämlich das trotz, dass mein Kollege besagten Pflegeklienten kurz bevor wir uns zu zweit nach oben begeben hatten, nochmal tracheal abgesaugt hatte, kurze Zeit danach eine massive Sekretmobilisation, eventuell hervorgerufen durch einen starken Hustenreiz stattgefunden und die eben paraphrasierte mehr als unglückliche Situation hervorgerufen haben musste. Wir schauten uns nur für den Bruchteil einer Sekunde an und stimmten uns durch einen kurzen Zuruf sofort aufeinander ab. Wir saugten tracheal ab um die oberen Atemwege vom Trachealsekret zu befreien, wechselten die Gänsegurgel damit wieder ein ungehinderter Durchfluss von Atemluft gewährleistet werden könnte. Nach einer kurzen Phase des manuellen bebeutelns, unter der es uns relativ schnell wieder gelang die Sauerstoffsättigung auf über 80% zu erhöhen, schlossen wir ihn wieder an die Beatmungsmaschine an und allarmierten selbstverständlich auch einen Notarzt. Wären wir vielleicht nur ein paar Sekunden später gekommen hätten wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit reanimieren müssen. Als der Notarzt eintraf gestaltete sich die vorherrschende Situation für einen Außenstehenden wieder relativ unspektakulär. Pulsfrequenz war wieder bei circa 60 Schläge die Minute und die Sauerstoffsättigung lag ebenfalls wieder bei 98%, das unkontrollierte Zucken und das Augenrollen hatten aufgehört. Nur der Umstand das ein zuvor in seinem Bewusstsein nicht eingeschränkter, voll orientierter und zur aktiven nonverbalen Kommunikation fähiger Pflegeklient nun bewusstlos in seinem Bett lag und weder durch massive akustische als auch sensomotorische äußere Reize zu erwecken war, bot Anlass zur Sorge.
Unser einziges Glück in dieser mehr als beschissenen Situation, wenn man das denn wirklich so nennen kann, war, dass niemand aber auch wirklich gar niemand auf die Idee gekommen war, tiefer nachzufragen oder sich mit der Frage auseinandersetzte, weder die Angehörigen dieses armen Mannes, noch die Intensivstation auf welche betreffende Person sehr kurze Zeit danach verlegt worden war, wie es denn eigentlich in einer geschützten und professionell fachpflegerisch betreuten Umgebung hat soweit kommen können. Also ich persönlich hätte diese Frage sehr sehr dezidiert und sicherlich auch mit der Unterstützung eines Rechtsbeistandes, in der Rolle der Angehörigen gestellt. Nach circa einer Woche, wurde besagter Pflegeklient zum Glück ohne nennenswerte Neurologische Folgen wieder zurück in unsere Einrichtung verlegt. Diese Tatsache war eben nicht unbedingt selbstverständlich, immerhin kann man niemals wissen welche Folgen nach so einer massiven Sauerstoffunterversorgung im Gehirn zurückbleiben. Sie können mir glauben, dass das Wort Erleichterung nicht mahl annähernd den Gemütszustand welcher durch diesen Umstand in mir zum Vorschein kam, beschreiben kann. Nach diesem Vorfall wurde auch von Seiten der Geschäftsführung über den Einbau einer Rufanlage, an welche diverse Gerätschaften angeschlossen werden können aktiver nachgedacht und mittlerweile auch in die Tat umgesetzt und auch die Gesetzeslage also die Anforderungen welche man an solche Intensivwohngemeinschaften stellt, hat sich mittlerweile zum Glück geändert.
Doch so ist es eben auf der Welt, es muss eben immer erst mal etwas passieren einfaches vorraushauendes und logisches Denken führt zu nix und auch Humanismus oder Ethische Werte zählen nicht sehr viel, nur wenn konkrete Gesetze vorhanden sind oder man Angst haben muss durch eine Klage viel Geld zu verlieren, dann wird plötzlich Mitarbeitersicherheit und Klientenwohlorientierung groß geschrieben.
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