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Menschen und U-Boote. Manuel SchifflerЧитать онлайн книгу.

Menschen und U-Boote - Manuel Schiffler


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Die Briten hatten es sich zum Ziel gesetzt, diesen Handel zu stören. Hierfür schickten sie im Oktober 1914 zunächst zwei U-Boote in die Ostsee, die sich nachts über Wasser durch den Öresund schlichen und anschließend den Winter in Reval, dem heutigen Tallinn in Estland, verbrachten. Im Sommer 1915 versenkten sie und drei weitere U-Boote mehrere Handelsschiffe mit Eisenerz. Dabei hielten sie sich an das Prisenrecht. Wenn die Handelsschiffe allein fuhren, dann wurde den Besatzungen die Gelegenheit gegeben, in Rettungsboote zu steigen. In einem Fall, der „Nicodemia“, schleppte ein U-Boot die Rettungsboote sogar in Küstennähe. In einem Fall nahm das U-Boot E 19 die Besatzung eines versenkten Schiffs, der „Nyland“, kurzzeitig auf, bis ein Handelsschiff gefunden wurde, dem die Besatzung übergeben werden konnte.32 Die Einhaltung des Prisenrechts wurde dadurch erleichtert, dass einige Handelsschiffe zu diesem Zeitpunkt ohne Eskorte fuhren und es noch keine Gefahr durch feindliche Flugzeuge gab.

      Ein Boot, die E 9, beschädigte am 2. Juli 1915 den Kreuzer „Prinz Adalbert“, der mit anderen Kriegsschiffen Stellungen an Land bombardieren sollte, um der deutschen Armee den Vormarsch auf Riga zu ermöglichen. Nach einem weiteren U-Boot-Angriff wurde die Flotte aus Angst vor U-Booten zurückgezogen, und der Angriff auf Riga scheiterte. Dem Kommandanten von E 9, Max Horton, wurde von russischen Zaren daraufhin als „Retter Rigas“ der Sankt-Georgs-Orden verliehen.

      Max Horton (links) und Noel Laurence 1915

      Der damals 32jährige Max Horton war der bekannteste Kommandant der britischen U-Boot-Flottille in der Ostsee, die schließlich auf neun Boote anwuchs. Mit den Russen verstand sich der trinkfeste, zigarrenrauchende Spieler blendend. Die Deutschen setzten 1915 sogar ein Kopfgeld für seine Ermordung aus. Eine junge Frau in Reval erhielt den Auftrag, ihn in ein Gespräch zu verwickeln und heimlich Gift in seinen Kaffee zu mischen. In letzter Sekunde, nachdem das Gift bereits in seiner Tasse war, soll sie sie seinen Arm festgehalten und ihn gewarnt haben, den Kaffee nicht zu trinken. Anscheinend war sie von seinem Charme angetan. Sie verriet ihre Auftraggeber, die von den Russen festgenommen wurden. Horton bedankte sich mit einer goldenen Zigarettenschachtel, in der sein Name eingraviert war. Die britische Marineführung beorderte Horton im Winter 1915/16 gegen seinen Willen zur „Erholung“ zurück nach England. Die Russen verabschiedeten ihn mit einem großen Bankett und begleiteten ihn zum Zug, der ihn nach Murmansk und von dort mit dem Schiff zurück nach England brachte.33

      Fünf U-Booten war es gelungen, den Eisenerzhandel in der Ostsee empfindlich zu stören. Die ab 1916 konsequente Bildung von Konvois band in den nächsten Jahren Ressourcen der kaiserlichen Marine und führte zu Lieferverzögerungen. Nach Einschätzung des Marinehistorikers Innes McCartney ist es in der Geschichte des Seekriegs einmalig, dass so wenige und so kleine Kriegsschiffe einen so nachhaltigen Erfolg erzielen konnten.34

       Erste deutsche Blockade der britischen Inseln 1915

      Nachdem die Blockade der deutschen Häfen durch Großbritannien nur auf mäßige internationale Proteste stieß, plante Deutschland im Gegenzug eine Blockade der britischen Inseln. Die deutsche Regierung hoffte, dass die Proteste dagegen auch so gering ausfallen würden wie die Proteste gegen die Blockade Deutschlands. Deutschland verfügte aufgrund seiner schwächeren Flotte nicht über die Möglichkeit, mit Kriegsschiffen eine Blockade der britischen Inseln durchzusetzen. Deswegen setzte Deutschland dabei, ermutigt durch den Erfolg von Weddigen und benebelt vom Kult um seine Person, auf U-Boote. Auch Passagierschiffe wurden ausdrücklich zur Versenkung freigegeben, wenn sie Soldaten, Waffen oder Munition transportierten. Was die Versenkung von Passagierschiffen für die internationale öffentliche Meinung bedeuten würde, wurde von der deutschen Seite wenig beachtet. Die völkerrechtlichen Probleme aufgrund des Prisenrechts wurden ebenso beiseite gewischt, und die politischen Risiken bezüglich eines möglichen Kriegseintritts der USA wurden zu Beginn des Kriegs noch unterschätzt.35

      Am 4. Februar 1915 kündigte das Kaiserreich eine Seeblockade über die Britischen Inseln an. Da britische Schiffe zuvor völkerrechtswidrig als Tarnung die Flaggen neutraler Staaten benutzt hatten, umfasste die Blockade ausdrücklich auch neutrale Schiffe. Da britische Frachtschiffe bewaffnet wurden, sollten keine Inspektionen nach Prisenrecht stattfinden – dies wurde vom deutschen Kaiserreich ausdrücklich so angekündigt. Als erster Staat der Weltgeschichte begann das deutsche Kaiserreich also am 18. Februar einen „uneingeschränkten U-Boot-Krieg“.

      Die Briten lehnten zunächst Konvois, bei denen Frachter in größeren Gruppen unter dem Schutz von Kriegsschiffen unterwegs waren, ab. Ein Grund dafür war logistischer Art. Fahrten wurden dadurch verzögert. Durch die erzwungenen längeren Liegezeiten der Schiffe konnten diese letzten Endes in einem bestimmten Zeitraum weniger Tonnage transportieren. Außerdem wurde der Transport insgesamt verlangsamt, weil ein Konvoi so langsam fahren musste wie das langsamste Schiff im Konvoi. Die Briten hielten es für wichtiger, ihre Kriegsschiffe gemäß der Mahan-Doktrin andernorts einzusetzen. Der Glaube an die Mahan-Doktrin war ein wesentlicher Grund dafür, dass in den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs keine Konvois gebildet wurden, wodurch Handels- und Passagierschiffe besonders verwundbar waren.

      Die „SMS Lusitania““ wurde von einem deutschen U-Boot versenkt

      Als die deutsche Seite durch Spione erfuhr, dass das in den USA vor Anker liegende britische Passagierschiff „Lusitania“ insgeheim auch Munition nach Großbritannien transportieren würde, schaltete die deutsche Botschaft in Washington in amerikanischen Zeitungen Anzeigen, die Zivilisten davor warnten, an Bord der „Lusitania“ zu gehen. Dennoch befanden sich einige amerikanische Zivilisten und auch Kinder an Bord. Die unbewaffnete und ohne Eskorte fahrende „Lusitania“ wurde am 7. Mai 1915 von einem deutschen U-Boot südwestlich von Irland entdeckt. Da Kriegsschiffe in der Nähe vermutet wurden, wurde sie nicht gestoppt und inspiziert, sondern ohne Vorwarnung mit einem Torpedo versenkt. 1.198 Passagiere, darunter viele Kinder, kamen dabei ums Leben. Die amerikanische und britische Regierung bestritten wider besseres Wissen, dass sich Munition an Bord befand, und stellten Deutschland vor der Weltgemeinschaft an den Pranger. So protestierten selbst Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich, die mit Deutschland verbündet waren, gegen die Versenkung. Die USA waren damals kurz davor, aufseiten Großbritanniens und Frankreichs in den Krieg einzutreten. Um dies zu verhindern, befahl der Kaiser am 13. Mai 1915, neutrale Schiffe und größere feindliche Passagierdampfer zu schonen. Dadurch konnte der Kriegseintritt der USA zu diesem Zeitpunkt noch verhindert werden.

      Britische Frachter und auch kleinere britische Passagierschiffe wurden jedoch fast vier Monate lang weiter angegriffen. Neutrale Frachtschiffe sollten unter Beachtung der Prisenordnung inspiziert werden. Britische Frachter, die zum Teil bewaffnet waren, sollten hingegen direkt versenkt werden. Die Briten setzten daraufhin ab Juni 1915 verschiedene kleine Schiffe als U-Boot-Fallen ein. Diese U-Boot-Fallen – nach ihrem Heimathafen Queenstown auch Q-Ships genannt - waren Frachter, die versteckt Geschütze an Bord hatten. Wenn keine Gefahr durch feindliche Kriegsschiffe bestand, versenkten U-Boote kleinere Frachter bevorzugt mit ihren Deckkanonen, weil sie ihre wenigen und teuren Torpedos für wertvollere Ziele aufheben wollten. Dies bot den U-Boot-Fallen eine Chance. Mit den versteckten Geschützen sollten U-Boote, die sich den Frachtern über Wasser näherten, überraschend versenkt werden. Manchmal fuhren die britischen U-Boot-Fallen auch völkerrechtswidrig unter neutralen Flaggen. So sollten U-Boote gezwungen werden sie zu inspizieren, wodurch die U-Boote leichter zerstört werden konnten.

      In manchen Fällen erschossen die Besatzungen der britischen U-Boot-Fallen die überlebenden deutschen Besatzungsmitglieder, die auf ihr Schiff zu schwammen. So erschoss die Besatzung der „HMS Baralong“ am 19. August 1915 schiffbrüchige deutsche U-Bootfahrer.

      Ebenfalls am 19. August 1915 versenkte ein deutsches U-Boot ein kleineres Passagierschiff, da der Kaiser ja nur die Versenkung großer Passagierschiffe untersagt hatte. Wieder kamen US-Staatsbürger ums Leben. Am 9. September erhielten die deutschen U-Boote dann den Befehl, keinerlei Passagierschiffe mehr anzugreifen und Frachter jeglicher Nationalität – also auch britische Frachter - nur unter strikter Einhaltung der Prisenordnung aufzubringen. Da dies für die U-Boote


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