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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan SwiftЧитать онлайн книгу.

Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift


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derselben Art ansehen, wie man sich über die jährliche Reihenfolge der Nelken und Tulpen in Gärten erfreut, ohne den Verlust der Blumen zu bedauern, die im vergangenen Jahre verwelkt sind.

      Wir würden uns gegenseitig unsere Bemerkungen und Erfahrungen über den Verlauf der Zeiten mitteilen, Beobachtungen anstellen, wie die Verderbnis sich allmählich einschleicht, und bei jedem Schritt ihr widerstehen, indem wir den Menschen immerwährende Belehrung und Warnung gäben. Käme dieser Umstand zu dem starken Einfluß unseres eigenen Beispiels hinzu, so müßte dies die dauernde Entartung der Menschennatur verhindern, über die man sich so mit vollem Recht zu allen Zeiten beklagt. Zu allen diesen glücklichen Verhältnissen müßte noch das Vergnügen hinzukommen, daß man die verschiedenen Revolutionen der Staaten und Reiche, die Veränderungen der oberen und niederen Welt bemerkte; daß man alte Städte in Trümmer fallen und unbedeutende Dörfer sich zu Residenzen erheben sähe; daß man erblicken könnte, wie berühmte Flüsse sich zu seichten Bächen verminderten, wie der Ozean die eine Küste verließe und eine andere überschwemmte; wie man jetzt noch unbekannte Länder entdeckte; wie Barbarei die feinsten Nationen erdrücke und wie barbarische Völker sich zivilisierten. Ich würde dann die Entdeckung der geographischen Länge, des Perpetuum mobile, der Universalmedizin und anderer großer Erfindungen noch erleben, die zur größten Vollkommenheit gelangen müßten.

      Wie wunderbare Entdeckungen würde man in der Astronomie machen, die dann unsere eigenen Voraussagen überleben oder bestätigen müßten! Man könnte die Wanderungen und die Wiederkehr der Kometen mit dem Wechsel der Bewegung von Sonne, Mond und Sternen beobachten.

      Ich sprach noch lange über andere Gegenstände, die mir der natürliche Wunsch eines endlosen Lebens und einer Glückseligkeit unter dem Monde sehr leicht an die Hand gaben. Als ich geendet hatte und als der Inhalt meiner Rede, wie vorher, der übrigen Gesellschaft übersetzt worden war, so entstand unter dieser ein langes Gespräch in der Landessprache, verbunden mit einigem Gelächter auf meine Kosten. Zuletzt aber sagte der Herr, der mein Dolmetscher war, die übrigen Anwesenden hätten den Wunsch geäußert, er möge mir einige Irrtümer berichtigen, auf die ich durch die allgemeine Schwäche der menschlichen Natur verfallen und deshalb auch nicht sehr zu tadeln sei. Die Rasse der Struldbruggs sei seinem Vaterlande eigentümlich, denn es fänden sich solche Leute weder in Balnibarbi noch Japan, wo er die Ehre gehabt habe, Gesandter Seiner Majestät zu sein; auch habe er dort bemerkt, daß die Einwohner beider Königreiche nicht glauben wollten, daß jene Tatsache möglich sei. Es scheine ihm, nach meinem Erstaunen, als er die Sache zuerst erwähnte, ich habe diese als eine durchaus neue erfahren, welche man kaum für glaublich halten dürfe. In den beiden erwähnten Königreichen, wo er während seines Aufenthalts mit einer großen Anzahl Personen ins Gespräch gekommen sei, habe er bemerkt, langes Leben sei ein allgemeiner Wunsch des Menschengeschlechts. Jeder, dessen einer Fuß schon im Grabe stehe, stemme sich mit dem anderen noch so stark wie möglich dagegen. Der älteste Greis hoffe, noch einen Tag länger zu leben, und betrachte den Tod als ein großes Übel, das die Natur ihn fortwährend zu vermeiden zwinge. Nur auf der Insel Luggnagg sei die Begierde zum Leben nicht so heftig, weil sie fortwährend Struldbruggs vor Augen hätten.

      Der von mir aufgestellte Lebensplan sei unvernünftig und ungerecht, weil er eine immerwährende Blüte der Jugend, Gesundheit und Lebenskraft voraussetze. Kein Mensch könne jedoch so töricht sein, diese zu erhoffen, wie ausschweifend er auch in seinen Wünschen sein möge. Die Frage handle sich deshalb nicht darum, ob ein Mensch stets in der Blüte der Jugend bei Gesundheit und Reichtum leben möge, sondern wie er ein ewiges Leben mit allen Nachteilen des Greisenalters führen werde. Zwar wollten wenige Menschen ihren Wunsch, bei so harten Bedingungen unsterblich zu bleiben, eingestehen; er habe jedoch in den beiden vorher erwähnten Königreichen, Balnibarbi und Japan, die Bemerkung gemacht, daß jeder Mensch seinen Tod noch etwas länger verschiebe, wäre sein Leben auch noch so weit hinaufgerückt. Er habe noch nie gehört, ein Mensch sei gern gestorben, ausgenommen in der Aufregung des höchsten Grades von Gram und Körperqual. Er berufe sich auf mich, ob ich nicht in den von mir bereisten Ländern dieselbe allgemeine Neigung vorgefunden habe.

      Nach dieser Vorrede gab mir der Herr einen besonderen Bericht über die Struldbruggs im Lande. Er sagte: Jene Menschen handelten wie gewöhnliche Sterbliche bis zum dreißigsten Lebensjahre; hierauf würden sie jedoch melancholisch und niedergeschlagen, und diese Stimmung steige bis zum achtzigsten Jahre. Er habe dies durch ihr eigenes Geständnis erfahren; sonst würde er sich kein allgemeines Urteil haben bilden können, da nur zwei oder drei in einem Menschenalter geboren würden und da somit die Zahl der Struldbruggs sehr gering sei. Gelangten sie nun zum achtzigsten Jahre, das sonst in diesem Lande als äußerster Lebenspunkt angenommen werde, so zeigten sie nicht allein die Torheiten und Schwächen anderer Greise, sondern noch eine weit größere Anzahl davon, was durch die furchtbare Aussicht, niemals zu sterben, bewirkt würde. Sie wären nicht allein eigensinnig, grämlich, habgierig, mürrisch, eitel und geschwätzig, sondern auch der Freundschaft unfähig und für jede natürliche Neigung erstorben, die nie über ihre Enkel hinausgehe. Neid und ohnmächtige Begierde seien ihre überwiegenden Leidenschaften. Worauf sich aber ihr Neid besonders richtet, scheinen die Laster bei dem jüngeren Geschlecht und das Sterben bei dem älteren zu sein. Gedächten sie der früheren Zeiten, so fänden sie zugleich, daß ihnen jede Möglichkeit des Vergnügens abgeschnitten sei; sähen sie ein Begräbnis, so beklagten und beneideten sie, daß andere in den Hafen der Ruhe gelangten, von dem sie selbst auf ewig ausgeschlossen sind. Sie erinnern sich, fuhr der Herr weiter fort, nur an die Dinge, die sie in ihrer Jugend und in ihrem Mannesalter beobachteten, und auch in diesem Punkte ist ihr Gedächtnis sehr unvollkommen. Was aber die Wahrheit und die Einzelheiten einer Tatsache betrifft, so ist es besser, sich auf die gewöhnliche Tradition als auf ihr Gedächtnis zu verlassen. Die Unglücklichsten unter den Struldbruggs sind aber die, welche kindisch werden und ihr Gedächtnis verlieren; diese finden mehr Mitleid und Hilfe, weil sie viele schlechte Eigenschaften nicht besitzen, die man bei den übrigen findet.

      Wenn ein Struldbrugg ein Weib von seiner Art geheiratet hat, so wird die Ehe nach dem Gesetz des Königreichs aufgelöst, sobald der jüngere Teil das achtzigste Lebensjahr erreicht hat. Nach dem Rechte wird es nämlich für eine billige Nachsicht gehalten, daß denen, die ohne ihre Schuld dazu verdammt sind, ewig in der Welt zu leben, ihr Elend nicht durch die Last eines Weibes verdoppelt werde.

      Sobald sie das achtzigste Jahr erreicht haben, werden sie als gesetzlich tot betrachtet. Ihre Erben folgen ihnen sogleich in ihren Besitztümern; nur eine kleine Summe wird für ihre Ernährung zurückbehalten, und die ärmeren werden auf Kosten des Staates ernährt. Nach dieser Zeit dürfen sie kein Amt, mit oder ohne Gehalt, verwalten, sie dürfen kein Grundstück kaufen oder pachten; auch wird ihnen nicht erlaubt, in irgendeinem Zivil- oder Kriminalprozeß als Zeuge aufzutreten, nicht einmal bei der Entscheidung über Grenzen und Marken.

      Im neunzigsten Jahre verlieren sie Zähne und Haare, in diesem Alter fehlt ihnen bereits der Geschmack; sie essen und trinken, was sie erhalten können, ohne Vergnügen und Appetit. Die Krankheiten, an denen sie früher litten, dauern fort, ohne sich zu vermehren oder zu vermindern. Beim Sprechen vergessen sie die gewöhnlichsten Benennungen der Dinge und die Namen der Personen, sogar von denen, die ihre nächsten Freunde und Verwandten sind. Aus demselben Grunde können sie sich nicht mehr mit Lesen vergnügen, weil ihr Gedächtnis vom Anfange des Satzes bis zum Ende nicht mehr ausreicht; hierdurch werden sie der einzigen Unterhaltung beraubt, deren sie sonst noch fähig sein könnten.

      Da die Landessprache fortwährenden Veränderungen unterworfen ist, so verstehen die Struldbruggs des einen Zeitalters die eines anderen nicht mehr. Auch sind sie nach zweihundert Jahren nicht mehr imstande, irgendein Gespräch mit ihren Nachbarn, den Sterblichen, zu halten, wenn man wenige Worte ausnimmt. Somit erleiden sie auch den Nachteil, als Fremde in ihrem Vaterlande zu leben.

      Dies war, soweit ich mich erinnern kann, der Bericht, der mir über die Struldbruggs gegeben wurde. Nachher sah ich fünf oder sechs von verschiedenen Zeitaltern, die mir von einigen meiner Freunde zu verschiedenen Malen vorgeführt wurden. Obgleich man ihnen sagte, ich sei ein großer Reisender und habe die ganze Welt gesehen, hegten sie nicht die geringste Neugier, um mir nur eine Frage vorzulegen. Sie baten mich nur, ich möge ihnen ein Slumskudask oder ein Geschenk zum Andenken geben, und dieses ist eine bescheidene Art des Bettelns, um das Gesetz zu


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