Sommermordsgrauen: 7 Krimis in einem Band. Earl WarrenЧитать онлайн книгу.
dem Wagen von Roxanne Brady hat einen Volltreffer ergeben. Wo sind Sie jetzt?“
„Wir waren ohnehin auf dem Weg zu Macs Bar.“
„Dann treffen wir uns am besten dort und sehen uns hinterher an, wo genau der Wagen gestanden hat.“
„In Ordnung“, bestätigte ich.“
24
Wir waren natürlich vor Josephson in Mac’s Bar.
Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen. Der Betrieb hatte gerade erst begonnen und es waren kaum Gäste im Raum. Ein junger Mann mit blonden, kurz geschorenen Haaren stand hinter dem Tresen.
„Wo ist eigentlich Mister Anselmo?“, fragte ich.
„Ich habe keine Ahnung.“
Ich legte meine ID-Card auf den Tisch. „Wir hätten noch die eine oder andere Frage an ihn.“
„Vielleicht kann ich ihnen weiterhelfen. An dem Abend, als diese rothaarige Frau hier in der Nähe ermordet wurde, war ich nämlich auch hier in der Bar, allerdings im hinteren Bereich.“
„Ach, so.“
„Ich habe gehört, der verrückte Larry ist inzwischen festgenommen worden. Gut so, der konnte einem wirklich den letzten Nerv rauben. Aber einfach vor die Tür setzen – das hätte unser Chef nicht mitgemacht. Mister MacConroy hat nämlich ein Herz für Leute, die etwas neben der Spur sind. Er sagt immer, dass er selbst mal ein armer Hund war, bevor er diese Bar erbte und aus ihr das Schmuckstück machte, das sie heute ist.“
„Der Mann, den wir festgenommen haben, ist vielleicht aber nicht der Red Hair Killer. Auch deswegen hätte ich Mister Anselmo gerne noch mal gesprochen.“
Der Barkeeper beugte sich über den Tresen und fuhr in gedämpftem Tonfall fort: „Also, im Vertrauen, Sir… Roy Anselmo hat heute Morgen gekündigt.“
„Wo wohnt Mister Anselmo?“
„Eine Straße weiter in der Bellanova Street, Hausnummer 18, Apartment C 033.“
„Danke. Noch eine Frage: Sie sagten, Sie wären an dem Abend, als Roxanne Brady ermordet wurde, auch hier gewesen.“
„Sicher“, nickte der Barkeeper.
„Anselmo ist anschließend noch auf die Straße gegangen, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist – richtig?“
„Ja, das stimmt.“
„Wie lange hat das gedauert?“
„Keine Minute.“
„Und danach?“
Der blonde Barkeeper runzelte die Stirn. Er schien nicht auf Anhieb zu begreifen, worauf ich hinaus wollte. „Wie meinen Sie das?“
„War Roy Anselmo danach die ganze Zeit hier im Schankraum? Oder ist er vielleicht mal nach hinten raus gegangen. – über den Lieferantenausgang und den Hinterhof, von wo aus man sehr schnell in der Straße ist, wo Roxannes Wagen stand.“
„Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass Anselmo irgendetwas mit der Tat zu tun hat! Das kann…“ Er stockte.
„Sagen Sie mir, was geschah“, forderte ich unmissverständlich.
Der Blonde schluckte. „Er hat für den Abend Schluss gemacht.“
„Unmittelbar, nachdem er wieder hereingekommen war?“
„Genau. Er hatte noch Überstunden abzufeiern. In so fern war das in Ordnung. Auf der anderen Seite können die Mitarbeiter natürlich eigentlich nicht so einfach machen, was sie wollen, aber seid Mister MacConroy wegen seiner Fußverletzung nicht hinter allem her sein, kann…“
„Ich verstehe schon“, murmelte ich und wandte mich an meinen Kollegen. „Komm, Milo.“
„Ist das dein Ernst, Jesse?“
„Mein voller. Zumindest müssen wir die Möglichkeit, dass es Anselmo war ausschließen.“ Und an den blonden Barkeeper gewandt, fügte ich noch hinzu: „Falls ein gewisser Captain Josephson von der Homicide Squad hier auftauchen sollte, dann sagen Sie ihm doch bitte, er soll mich auf dem Handy anrufen.“
„Ja, Sir.“
Ich gab dem Barkeeper meine Karte. Dann wandte ich mich zum Gehen. „Komm, Milo, ich fürchte es gibt Arbeit!“
„Würdest du mir freundlicherweise mal verraten, welche Gedanken dir im Moment gerade durch den Kopf spuken?“
„Einen Moment. Die muss ich selbst gerade ein bisschen sortieren, Milo!“
Wir verließen Mac’s Bar und traten ins Freie. Ein kühler Wind fegte vom Erie-See zwischen den Häuserzeilen hindurch.
Milo und ich gingen zu Roy Anselmos Adresse. Da es schwierig genug gewesen war, für den Sportwagen einen Parkplatz zu bekommen, gingen wir zu Fuß. Das Haus, das der blonde Barkeeper in Mac’s Bar uns angegeben hatte, war ein Mietshaus mit etwas heruntergekommener Brownstone-Fassade. Es hatte zehn Stockwerke. Überwachung durch einen Security Service oder Kameras gab es nicht. Ich suchte die Klingel mit Anselmos Namen, fand sie aber nirgends. Also klingelte ich bei jemand anderem. Um diese Zeit waren die meisten Leute bereits zu Hause, daher hatten wir Glück.
„Ja, bitte?“, fragte eine Stimme, von der ich annahm, dass sie einem älteren Mann gehörte.
„Agent Trevellian, FBI, bitte machen Sie uns die Tür auf.“
„Woher soll ich wissen, dass Sie wirklich vom FBI sind und nicht zu den Trickbetrügern gehören, vor denen im Fernsehen gewarnt wurde?“
„Sie behindern gerade die Verfolgung eines Straftäters – und ich denke nicht, dass das wirklich in ihrem Sinn ist“, gab ich zurück.
Einige Augenblicke lang hörte ich nichts mehr. Dann surrte es und die Tür öffnete sich.
De Aufzug war defekt. Wir gingen über das Treppenhaus in den dritten Stock und hatten wenig später Roy Anselmos Apartmentnummer erreicht. Allerdings wies nichts mehr darauf hin, dass er hier wohnte oder gewohnt hatte. Ein Schild war vor kurzem abgenommen worden, wie man anhand von Umrissen und Schraubenlöchern sehen konnte. Ich betätigte die Klingel.
„Mister Anselmo?“, fragte ich.
Keine Antwort.
„Mister Anselmo, hier spricht Jesse Trevellian, FBI!“
Erneut keine Reaktion. Milo und ich wechselten einen kurzen Blick. Die Tür bewegte sich ein Stück und bildete einen Spalt. Sie war offenbar nur angelehnt gewesen. Ich zog die Dienstwaffe und nahm den Griff in beide Hände. Dann stieß ich die Tür auf. Schon im nächsten Moment ließ ich den Lauf der Waffe wieder sinken. Es war niemand dort. Wir traten ein. Der Wohnungsschlüssel steckte von innen in der Tür. Das Apartment war offenbar möbliert zu vermieten gewesen. Aber nirgends befanden sich in den Schränken und Regalen noch persönliche Gegenstände.
Milo stieß die Tür zur Küche auf, ich nahm mir das Bad vor. Überall bot sich das Bild einer Wohnung, deren Bewohner gerade ausgezogen war. Alles war gründlich gereinigt. Im Bad glänzten die Armaturen. Der Geruch eines Desinfektionsmittels hing in der Luft und erinnerte mich an die typischen Gerüche einer Klinik. Ich steckte die Waffe wieder ein.
„Ich fürchte, Mister Anselmo sehen wir so schnell nicht wieder, Jesse“, meldete sich Milo zu Wort.
Ich nickte. „Das scheint mir auch so.“
„Aber ist das so wichtig?“
„Ja, das ist es, Milo! Immerhin hat seine Zeugenaussage dazu geführt, dass wir den Falschen verhaftet haben!“
„Moment mal – du denkst, dass Anselmo unser Mann sein könnte?“
„Das weiß ich nicht – aber ich weiß, dass