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Zukunftsbeben Corona - was nun?. Josef HülkenbergЧитать онлайн книгу.

Zukunftsbeben Corona - was nun? - Josef Hülkenberg


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Entscheidung? Zu einer Entscheidung, die dann auch von allen mitgetragen wird?

      • Werden die in der Abstimmung Unterlegenen ihre eigenen Interessen und Pläne aufgeben, oder werden sie danach streben, ihre Macht zu erweitern, um mit neuer Mehrheit dann nach den eigenen Plänen zu handeln?

      Dieses methodische Dilemma hat das Potenzial, die bislang entwickelte demokratische Kultur zu zerstören. Es zu lösen, bringt diese Kultur aber um wesentliche Schritte auf echte Demokratie voran. Solche Dilemmata löst man nicht im Hau-Ruck. Sie verlangen geduldiges, kraftvolles Engagement. Das eigene, wie das gesellschaftliche Leben reflektierend können wir diese Aufgabe gemeinsam meistern.

      Sie, liebe Leserin, lieber Leser, lade ich ein zu gedanklichen Spaziergängen entlang coronabedingter Krisenerscheinungen. Es wird keine wissenschaftliche Analyse, sondern eine auf die Zukunft ausgerichtete Betrachtung von Phänomenen, Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen. Solcher Spaziergang entlang einer TIMELINE ähnelt einer Stadtführung, bei der selbst vermeintlich Bekanntes immer wieder neu beleuchtet wird. Dabei werden Handlungsmuster erkennbar. Muster1, wie wir mit der Krise umgehen, aber auch Muster, wie wir die Folgen der Krise gesellschaftlich bewältigen können. Fragmentarische Erkenntnisse und Informationen lassen sich wie im Mosaik zuordnen, um neue oder tiefere Orientierung zu geben und zum zielorientierten Handeln zu führen.

      Im choreographischen Zusammenspiel unterschiedlicher Denkansätze und Methoden entsteht ein Weg, in bewusster Reflexion solcher Muster unseren gesellschaftlichen Lebensstil auf eine naturverträgliche und nachhaltige Lebensform anzupassen. Diese Anpassung kann sogar auf Basis demokratischer Entscheidungen und breiter Akzeptanz geschehen.

       1 zur Bedeutung der Muster und ihrer Erkennung siehe: Josef Hülkenberg, Nur mal angenommen… Demokratie ginge anders, tredition Hamburg, 2015,Seite 116 — im weiteren abgekürzt: Nur mal angenommen

      Eine Krise namens Corona

      Wenn uns die ach so gern verdrängte Fragilität und Unsicherheit des Lebens aus liebgewordenem Alltag wirft, sprechen wir schnell von Krisen.

      Der Ausnahmezustand, hervorgerufen durch die Corona-Pandemie, löste nicht nur Ängste aus um Gesundheit und Leben, sondern ebenso um den Erhalt des Wohlstands und des bisherigen Lebensstils. Ängste auch um den Bestand geschichtlich erkämpfter demokratischer Rechte und Strukturen. Zudem sorgten sich Menschen um die Freiheit des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Noch bevor die Wirkung der beschlossenen Maßnahmen sorgfältig überprüft werden konnte, wurden Rufe laut nach einer „Exit-Strategie“. Gleichzeitig verwiesen nachdenkliche Stimmen auf die Chancen, nun endlich Wirtschaftsprozesse an die Gemeinwohlorientierung zu binden, soziale Gerechtigkeit durch längst geforderte Verteilungsstrukturen wie Vermögenssteuer, Transaktionssteuer oder Grundeinkommen zu fördern oder die im Konzept der globalisierungsentgrenzten Wirtschaftsabläufe dezentral neu zu verankern.

      Die gesellschaftliche Ruhepause schuf Raum, über das zwischenmenschliche Miteinander in regionalen, nationalen oder supranationalen Dimensionen nachzudenken. So führte die Corona-Krise die Abhängigkeit des Homo Sapiens als Teil unseres regionalen Ökosystems als auch der weltumspannenden Biosphäre neu vor Augen. Nach und nach schwindet der Druck, den die Epidemiegefahr auf das gesellschaftliche Leben auslöst.

      Endlich! Mai 2020 – der Lockdown wurde gelockert. Händler, Museen, Friseure, Kirchen und viele andere mehr durften für ihre Angebote wieder öffnen. Die unselige Verbannung der Kinder von Spielplätzen, aus Kitas und Schulen findet schrittweise ihr Ende. Noch gelten Auflagen, doch auch die werden nach und nach zurückgenommen.

      Allzu streng haben wir es häufig ohnehin nicht genommen. Bei Spaziergängen in Wäldern und Parks drängten sich schon Fragen auf: „Seit wann haben so viele Kleinkinder betagte Eltern?“, „Leben in unserer Stadt tatsächlich so viele Großfamilien in einem Haushalt?“ oder „Wie variabel ist eigentlich 1,50 m?“.

      Die gelebten Abweichungen von den Vorschriften schlugen sich zum Glück nicht in der Corona-Statistik nieder – so schufen sie Raum für die Lockerungen. Die Abweichler, die Unduldsamen, die Ungehorsamen und Widerspenstigen halten wieder einmal die Freiheitssehnsucht wach. Auch ihnen gebührt es zu gratulieren.

      Doch jede, auch die zurückgewonnene Freiheit hat ihren Preis und der heißt: Mitverantwortung! Nun gilt es nicht mehr, gehorsam bis untertänig den Anweisungen von Vater Staat oder Mutter Kirche zu folgen. Uns wächst so wieder die schwere Verantwortung zu, durch eigenes Verhalten die Pandemie unter Kontrolle zu halten – bis eines Tages Impfstoffe und Medikamente diese Verantwortung erleichtern. Abseits vom betreuten Denken haben wir selbst zu klären:

      • Wann und wieweit kann ich Besuche bei Verwandten und Freunden verantworten?

      • Wie nahe wollen wir uns kommen?

      • Wie halten wir es demnächst mit Kneipengängen, Theater-, Kino- oder Stadionbesuchen?

      Nicht alles Erlaubte ist auch gut für uns und die Mitmenschen – da gilt es abzuwägen. Diese Einsicht des längst verstorbenen Apostel Paulus gilt eh und je, auch nach fast 2000 Jahren.

      Wie schnell absorbieren wir das „Abenteuer Corona“ und fliehen zurück in eine vermeintliche frühere Normalität? Vielleicht suchen wir dabei sogar alles nachzuholen, was uns zwischenzeitlich entging. Vielleicht aber halten sich noch Stimmungen und Einsichten des grundlegenden Wandels unserer Lebensart, um neuen Krisen die Schärfe zu nehmen. Die Reflexion der Pandemie und ihrer gesellschaftlichen Wirkungen kann Wege aufweisen, ein neues gesellschaftliches Miteinander zu entwickeln.

      Wir können die Pandemie durchstehen, unsere Bewegungs- und Kontaktfreiheit zurückgewinnen und die Zukunft mit neuen Erfahrungen gestalten, sobald wir unseren Preis der klugen Mitverantwortung zahlen.

      Das geschieht nicht von heute auf morgen. Es wird ein anstrengender Weg. Es dauert sehr lange, bis verschiedene Erfahrungen sich zu Einsichten und neuem Verhalten verdichtet haben. Es ist unsere Entscheidung, ob wir diesen Weg für ein humanes, naturverträgliches Miteinander auf uns nehmen.

       Wieder zerfällt ein Weltbild

      Es gehört wohl zum Menschsein, hebt es uns doch von den Tieren ab: unsere Gedanken gehen immer wieder über die Alltagsdinge und ihren Banalitäten hinaus. Sobald der Alltag uns etwas Zeit lässt und wir den Kopf frei haben nachzudenken, sinnieren wir: über das Leben, die Welt im Allgemeinen und was Gott, Göttinnen oder wer sonst die Welt beherrscht, mit uns vorhaben. Immerhin sind wir mit Fähigkeiten ausgestattet, die uns Fragen und Denken ermöglichen und erlauben. Vielleicht sind wir nicht alle Vor-Denker, aber auch Nach-Denken fordert uns Einiges ab, soll es nicht zum Nachplappern verkommen. Wir tauschen unsere Gedanken mit den Mitmenschen aus und stellen fest, wie gemeinsam getragene Überlegungen dem sozialen Miteinander Struktur und Sicherheit geben. Manchmal sind wir offen und aufgeschlossen für neue Überlegungen und Einsichten, manchmal suchen wir Sicherheit vor fremdem Gedankengut. Die Geschichte der Menschheit ist ein ständiges Ringen zwischen diesen Polen. Auf den Kampfplätzen des Denkens haben nicht unbedingt die „richtigen“ Ideen gewonnen, sondern vor allem die machtvolleren. Was „richtig“ war, erwies sich erst weit später im Zusammenleben der Menschen.

      Weltbilder, seien sie naturwissenschaftlich, ethisch, religiös oder gar spirituell verankert, geben uns Orientierungs- und Handlungsrahmen für unser Leben. Heikel wird es, wenn jemand mit seinen Ansichten oder gar seiner Lebensweise diesen Orientierungsrahmen gründlich infrage stellt. Dann wird schon mal Sokrates zum Giftbecher verurteilt, der Nazarener gekreuzigt oder dem Galileo der Prozess gemacht. Heute gehen wir mit Querdenkern scheinbar humaner um. Sie werden „nur“ gemobbt, mit Shitstorms belegt, verächtlich gemacht und sozial geächtet. Der eigenen Verunsicherung suchen wir häufig zu entgehen, indem wir das alte Kinder-Versteckspiel nachahmen: solange ich mir die Augen zuhalte, sieht mich keiner!

      Damit verhindern wir allerdings nicht, dass irgendwann nicht mehr Gedankenspiele, sondern Ereignisse uns die Hände vom Gesicht reißen. Dann ist „plötzlich“ die Erde keine Scheibe mehr oder der Mittelpunkt des Universums. Dann zerplatzt der Mythos des Menschen als Krone der Schöpfung und wir erkennen uns als die aggressivste Lebensform auf dem Planeten. Ausgerechnet ein Virus namens Corona (lat.


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