WIN - With Intention Now. Christian JaerschkeЧитать онлайн книгу.
zu rennen. Vielleicht war ich einfach nicht fokussiert oder bissig genug. Von daher war, rational betrachtet, das Ziel zu groß. Doch ich habe in der Zeit kaum darüber reflektiert, sondern vielmehr täglich über den Wettkampf nachgedacht.
Zwar kannte ich die Strecke, aber das Profil und andere Einzelheiten jedoch nicht. Trotzdem hämmerte ich mir immer wieder ein, dass ich die 40 Minuten knacken will. Die Zahl 39 war allgegenwärtig! Ich träumte ungelogen sogar schon von der 39! Du wirst es vielleicht schon vermuten: Bei dem besagten Lauf habe ich es tatsächlich geschafft, erstmals auf für mich wundersame Weise in 39: 11 Minuten zu finishen. Nüchtern auf die Trainingsfakten geblickt, hatte ich ja eigentlich nicht den nötigen ‚Motor‘ dafür. Also wenn das nicht der Beweis für mentale Kraft ist!“
EMPFEHLUNGEN FÜR DEIN TRAINING
1. Diese Szenarien lassen sich auf jede Sportart und für jedes sportliche Leistungsniveau adaptieren. Deshalb empfehle ich, dir etwas Zeit zu nehmen und dir deinen eigenen Wettkampf auszumalen, am besten mit allen Sinnen.
2. Visualisiere deinen nächsten Wettkampf, wie ich es dir in diesem Kapitel beschrieben habe. Gehe den Wettkampf in Gedanken durch und erlebe ihn mit allen Sinnen so real wie möglich.
3. Und falls bei dir gerade kein Wettkampf ansteht oder momentan keine Wettkampfsaison ist, kannst du trotzdem üben. Du kannst dir bereits heute einen Wettkampf für die nächste Saison vorstellen.
4. Hier noch eine andere Alternative: Du kannst die Übung auch gut in den beruflichen Alltag übertragen. Ersetze den Wettkampf einfach durch ein anderes wichtiges Ereignis, z. B. eine Präsentation vor dem Management, einen wichtigen Kundentermin oder einen bevorstehenden Vortrag. Nutze diese Woche gezielt zum Visualisierungstraining. Auch hier ist es sinnvoll aufzuschreiben, was du visualisieren willst. Das hilft dir dabei, deine Visualisierung zu strukturieren, und du vergisst keine wichtigen Details.
45 Hamilton (2019).
46 Ein Spiegelneuron (Plural: Spiegelneurone oder Spiegelneuronen) ist eine Nervenzelle, die im Gehirn von Primaten beim „Betrachten“ eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster zeigt wie bei dessen „eigener‘ Ausführung. Wikipedia (2019): Spiegelneuron.
47 Vgl. Rizzolatti/Sinigaglia (2007): S. 256.
48 Ursula Haller ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung gesammelt in der tiefenpsychologischen Therapie und mit zahlreichen anderen psychologischen Methoden.
49 Athletes Mind Talk (2015a).
50 Taylor/Schneider (2007), S. 235.
Ich wünschte, ich wäre wie Hannes. Hannes ist talentiert, kommt aus einer gut situierten Familie, hat die meisten seiner sportlichen Ziele bereits erreicht und ist auf dem Zenit seiner sportlichen Leistungsfähigkeit. In seiner bisher 20-jährigen Karriere war er immer gesund und blieb von Verletzungen verschont, sodass er seine Trainingspläne ungestört umsetzen konnte. So etwas wie einen Mangel an Motivation oder temporäre Stimmungstiefs kennt er nicht. Wo er lebt und trainiert, spielt das Wetter zum Glück stets mit. Bei eisiger Winterkälte oder glühender Sommerhitze zu trainieren, kennt er nur vom Hörensagen. In Wettkämpfen, wenn es darauf ankam, ist er dennoch mit jeglichen Bedingungen und unerwarteten Situationen bestens klargekommen.
Überhaupt ist er der perfekte Wettkampftyp. Er ist zwar etwas nervös vor jedem Wettkampf. Aber es handelt sich um die Art von positiver Anspannung, die optimal für Höchstleistungen ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass er ein Meister der Erholung ist, einer, der im Hotel stets gut schläft, immer ausgeschlafen wirkt und mit vollem Akku an den Start geht. So etwas wie Niederlagen kennt er nicht, denn im Zweikampf geht er natürlich als Sieger hervor. Und auch wenn er einmal einen Rückstand hat, weiß er genau, dass er den locker aufholen wird.
Weil er weiß, dass er keine Fehler macht und ihm keine Missgeschicke passieren, ist er mutig und kontrolliert das Risiko so, dass er ein optimales Ergebnis erreicht. Seine Emotionen hat er voll unter Kontrolle und kann sie ganz gezielt so steuern, dass sie ihm immer dienlich sind. Fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass es zwischen ihm und seinen Trainern keine Differenzen gibt.
„Mit den in diesem Buch vorgestellten Mentaltechniken, Strategien und Tipps kannst du viele typische Situationen und mögliche Realitäten im Sport besser meistern bzw. besser mit ihnen umgehen“
Seine Familie und Freunde stehen stets hinter ihm, und so etwas wie Streit oder Probleme jeglicher Art im privaten Umfeld sind ihm fremd.
Vielleicht gibt es tatsächlich so einen Hannes, ich habe ihn allerdings noch nicht getroffen, sondern frei erfunden. Die Realität der meisten Sportler, egal ob Hobbyathlet oder Vollzeit-Profi, sieht anders aus. Auf den folgenden Seiten gehe ich auf einige typische Situationen oder mögliche Realitäten ein und wie du sie in deinem Sinne steuern kannst. Eines haben sie alle gemeinsam: Mit den in diesem Buch vorgestellten Mentaltechniken, Strategien und Tipps kannst du sie besser meistern bzw. besser mit ihnen umgehen.
2.1 SCHLECHTWETTER UND MANGELNDE MOTIVATION
So etwas wie schlechtes Wetter gibt es nicht, nur unpassende Kleidung. In vielen Fällen mag das zutreffen, stimmt aber längst nicht immer. Nehmen wir die Olympischen Spiele von Rio 2016. Vielleicht erinnerst du dich an die Wetterkapriolen mit praktisch kaum vorhersagbarem und unkontrollierbarem Wind auf der Ruderstrecke. Da mussten Trainings und auch Wettkämpfe abgesagt und verschoben werden.
Ein anderes Beispiel ist das Training von Sportpiloten mit ihren Ultraleichtflugzeugen. Ich bin selbst jahrelang eine „Ikarus C42“ geflogen und kann aus Erfahrung sagen: Es gibt definitiv Wind und sonstige Wetterbedingungen, mit denen ein Training nicht sicher absolviert werden kann oder einfach nichts bringen würde, weil bestimmte Flugmanöver nicht durchführbar sind.
Dann heißt es, flexibel zu reagieren und ggf. zu alternativen Trainingsmöglichkeiten zu greifen. Der Kreativität sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. Wenn zu hoffen war, dass der Wind in absehbarer Zeit abnimmt, habe ich abgewartet und das Training einfach verschoben. In der Zwischenzeit arbeitete ich z. B. mit Visualisierungsübungen oder nutzte die Zeit für das Mentaltraining mit anderen Techniken.
„Wenn du ein konkretes Ziel hast, dann stell dir die Frage nach dem Warum – am besten gleich heute“
Aber was ist, wenn das Wetter einfach nur schlecht ist, z. B. zu heiß oder zu kalt? Du könntest schon trainieren, aber die Motivation ist im Keller?
Maurice Clavel, Profi-Triathlet, über seine Motivation und was ihn antreibt während der oft langen Trainingstage: „Zum einen mich selber an Grenzen zu bringen, einfach das Beste aus mir herauszuholen. Und zum anderen große Wettkämpfe, die ich dann am Horizont vor mir sehe. Da geht irgendwie auch ein bisschen Kopfkino los: Wer wird da am Start sein bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft zum Beispiel? Da sind die und die am Start, und die liegen jetzt auch nicht im Bett und trainieren gerade bestimmt superhart. Das pusht mich einfach ungemein, da richtig ans Limit zu gehen und alles aus mir herauszuholen.“51
Motivation ist eine wesentliche Voraussetzung, um im Sport und sonst im Leben erfolgreich zu sein. Deine Motivation bestimmt, welchen Stellenwert du deinem Sport oder einem anderen Bereich in deinem Leben gibst. Sie bestimmt, wie viel und wie intensiv du trainierst, wie sehr du dich im Training und im Wettkampf antreibst und ob du trotz schlechtem Wetter deine Trainingseinheiten absolvierst oder nicht.
Nur wenn du weißt, was genau dich motiviert und zu Bestleistungen antreibt, kannst du deine Motivation steuern. Was ist deine Motivation? Warum betreibst du deinen Sport? Welchen Nutzen ziehst du daraus?
Wenn du ein konkretes Ziel hast, etwa Teilnahme an einem Ironman, einem Marathon oder einem anderen Wettbewerb, dann stell dir die Frage nach dem Warum! Nimm dir etwas Zeit,