Ein einzigartiges Lied.. Heiko WennerЧитать онлайн книгу.
das Gewehr zu reparieren und stellte fest, dass die Verriegelungskammer nicht richtig schloss. Das Gewehr war defekt und für mich unbrauchbar.
Heute, über 40 Jahre später bin ich dankbar dafür, dass meine Schutzengel diesen Selbsttötungsversuch verhindern konnten. Was hätte ich alles versäumt. Mein geschriebenes Buch war zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht zu Ende.
Am nächsten Tag besuchte ich den Waldarbeiter, teilte ihm mit, dass ich nach Montreal gehen würde und schenkte ihm mein Gewehr. Verzweifelt ging ich zur nächsten Polizeistation und bat dort um Hilfe. Die Polizisten schauten mich erstaunt an, begutachteten meinen Reisepass und teilten mir mit, dass sie nichts für mich tun könnten, denn ich hätte ja ein gültiges Visum, welches erst in 5 Wochen auslaufen würde. Dann könne ich gerne wieder kommen.
Verwirrt über die Situation streifte ich ziellos durch Montreal. In einer Einkaufspassage sprach mich ein Mann mittleren Alters in englischer Sprache an und fragte mich, ob er mir helfen könne. Ich erklärte ihm meine Lage und er beschloss, mich mit nach Hause zu nehmen. Er war verheiratet, hatte 2 kleine Kinder und gehörte einer freikirchlichen Gemeinschaft an. Er erklärte seiner Frau meine Situation und sie war damit einverstanden, dass ich erst einmal bleiben durfte. Diesem Fremden erzählte ich, für den Fall, dass jemand in meinem Rucksack nachschauen sollte, sich darin meine Leuchtpistole mit Munition und ein großes Messer, befände. Für ihn war das so in Ordnung und er fand es gut, dass ich ihm dies mitteilte. Am nächsten Tag nahm er mich mit in seine Firma. Hier wurden Haushaltsgeräte hergestellt. Er sprach mit dem Geschäftsführer über meine missliche Lage. Dieser konnte sehr gut Deutsch und er gab mir zu verstehen, dass hier in Kanada jeder Beschäftigte registriert sein müsse. Die Gesetze seien sehr streng und er ginge als Arbeitgeber ein sehr hohes Risiko ein, wenn er mich hier arbeiten ließe. Ihm drohe im Extremfall die Schließung seiner Firma, wenn eine unerwartete Kontrolle käme. Zu meinem größten Erstaunen, nahm er dieses Risiko auf seine Kappe und ich durfte noch am gleichen Tag anfangen zu arbeiten. Meine Aufgabe war es, elektronische Spulen herzustellen. Diese mussten damals noch mit der Hand gedreht werden.
Mit dem Ausgang des Tages war ich sehr zufrieden. Mein Retter nahm mich wieder mit nach Hause. Dort angekommen, gab es zwischen seiner Frau und ihm einen heftigen Streit. Es ging um mich. Sie hatte wohl während unserer Abwesenheit in meinem Rucksack nachgeschaut und meine Pistole entdeckt. Alles Entgegenwirken machte für meinen Schutzengel keinen Sinn. Seine Frau wollte, dass ich noch am gleichen Abend die Wohnung verlassen sollte. Es tat ihm sichtlich leid und er entschuldigte sich bei mir und bot mir an, nach einer Bleibe für mich zu suchen. Zwei Häuserblöcke weiter kam ich dann für günstiges Geld in einem Apartment unter. Ich hatte noch etwas Geld zurückgelegt, aber es reichte nicht mehr, um ein Rückflugticket nach Frankfurt bezahlen zu können. Ich sparte jeden Cent und machte Überstunden. Meine Arbeitszeit begann morgens um 6 Uhr und endete abends zwischen 18 und 19 Uhr. Die Zeit verging und nach vier Wochen harter Arbeit musste ich wieder zum Geschäftsführer. Mit trauriger Miene erklärte er mir, dass er sehr zufrieden mit meiner Arbeit wäre, aber das große Risiko nicht länger tragen könne. Mein Schutzengel war bei dem Gespräch mit dabei. Das Geld, was ich während der Zeit verdient hatte, reicht noch nicht für den Kauf eines Rückflugtickets. Sie beschlossen, mir das fehlende Geld zu leihen.
Mein Gang nach Canossa
Am nächsten Tag saß ich im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Frankfurt. Es bahnte sich für mich nun der „Gang nach Canossa“ an. Seelisch und moralisch bereitete ich mich auf ein Wiedersehen mit meiner Familie vor. Es war sehr unangenehm für mich als Versager nach Hause zu kommen. Ich war noch nicht volljährig und somit war ich dem Wohlwollen meiner Eltern ausgesetzt.
Widerwillig rief ich vom Darmstädter Bahnhof aus zu Hause an. Helmut Schäfer, ein guter Freund meiner Eltern holte mich ab. Es war Fronleichnam, ein Feiertag der einmal wieder passend, wie die Faust aufs Auge, zu meiner Situation passte. Mein Vater war wohl unterwegs und hatte keine Zeit, mich abzuholen. Helmut zollte mir großen Respekt für meine ausgezeichnete Vorbereitung für den Ausstieg nach Kanada. Ich entgegnete ihm, dass ich wohl zu naiv war und alles hätte noch besser planen müssen.
Zu Hause angekommen nahm mich meine Mutter in den Arm und erzählte mir, was sie nach meinem Verschwinden alles durchgemacht hätte. Keiner wusste zunächst wo ich war und ob mir etwas zugestoßen wäre. Erst nach einer Befragung meiner Freunde und Arbeitskollegen bekamen sie eine Ahnung, wo ich hätte sein können. Sie recherchierten weiter und bekamen über Umwege die Antwort im Terminal des Frankfurter Flughafens. Mein Vater reagierte auf seine Art und gab mir so eine heftige Backpfeife, dass ich zu Boden fiel. Ich zog mich die nächsten Tage erst einmal in mein Zimmer zurück. Ich brauchte Klarheit für meine nächsten Schritte. Zum Finanzamt wollte ich auf keinen Fall mehr zurück. Entgegen dem Willen meiner Eltern unterschrieb ich meine Kündigung und bewarb mich bei der Bundeswehr. Ich wollte unbedingt zur Luftwaffe und wenn es ginge zum fliegenden Personal.
Ein Richtfest mit Folgen
Ich wollte mir vorher ein kleines Finanzpolster schaffen und arbeitete bei dem Bauunternehmen Schäfer. Mein Einsatzgebiet war am Rhein in der Nähe von Trebur, wo eine neue Brücke über den Altrhein gebaut wurde. Es war eine gefährliche Arbeit, die den ganzen Tag meine volle Konzentration erforderte. Meine Aufgabe bestand darin, auf eine 6 Meter hohe, ölverschmierte Ramme zu klettern, um dort die tonnenschweren Stahlträger einzufädeln. Danach wurden sie in den Boden gerammt. Mein Vorgänger war einmal unachtsam und hatte dabei fast seine Hand verloren. Auf dieser Baustelle blieb ich ungefähr 3 Monate. Unser Arbeitsteam bestand aus einem Amerikaner, der noch seine traumatischen Erlebnisse aus Vietnam zu verarbeiten hatte und das ein oder andere Mal ausrastete, wenn etwas nicht so lief wie er sich vorstellte, einem Schweißer und einem Vorarbeiter.
Irgendwann war auch dieses Projekt erfolgreich beendet und wir feierten auf einem in der Nähe gelegenen Campingplatz unser Richtfest. Den Apfelkorn tranken wir aus Wassergläsern. Wir waren alle sturzbetrunken und der Vorarbeiter, der ein sehr trinkerfahrener Geselle war, fuhr uns zu später Stunde zurück in den ca. 30 km entfernten Bauhof.
Ungewaschen und mit ölverschmierten Klamotten kam ich zu Hause an und legte mich so wie ich war direkt ins Bett. Als mich meine Mutter morgens weckte, traf sie fast der Schlag, als sie mein noch ölgeschwärztes Gesicht und die Ölflecken auf dem Bettbezug sah. Obwohl es mir sehr elend ging, stand ich auf, wusch mich, verzichtete auf das Frühstück und ging wie immer zur Arbeit.
Es war das erste, aber auch das letzte Mal, wo ich ein Richtfest auf diese Art feierte. Die Quälerei am nächsten Tag war eine sehr hilfreiche Lektion für mich.
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