Unsere Zukunft nach Corona. Thies ClaussenЧитать онлайн книгу.
dass entsprechende Lösungen insbesondere auch mit und für den deutschen Mittelstand entwickelt und möglichst alle Chancen für Beschäftigte und Unternehmen in gleicher Weise genutzt werden. Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU) beschäftigen in Deutschland rund 16 Millionen Menschen, 4 Millionen stehen im Handwerk in einem festen Arbeitsverhältnis. Damit sind KMU und Handwerk neben den international agierenden Konzernen tragende Säulen der deutschen Wirtschaft.51
Die Umsetzung des Programms „Zukunft der Arbeit“ soll neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit in gleichem Maße die Bedürfnisse der Menschen im Arbeitsprozess berücksichtigen. Die Bundesregierung will Innovationen in Betrieben fördern, um technischen Fortschritt auch für soziale Innovationen zu nutzen und dadurch neue Arbeitsprozesse und ein Miteinander der Sozialpartner voranzubringen.
Qualifizierung und Kompetenzentwicklung werden dabei als Schlüssel angesehen, um die wirtschaftlichen Potenziale der Digitalisierung zu heben und faire Zugangschancen für den Arbeitsmarkt der Zukunft zu eröffnen. Dabei sucht die Bundesregierung nach neuen Antworten auf die Frage, welche Kompetenzen Beschäftigte und Unternehmen benötigen, um den Strukturwandel zu nutzen, gute Arbeit zu leisten und damit wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können.
Fördermaßnahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ zielen auf verschiedene Projekte ab:52
• Projekte, die modellhaft aufzeigen, wie in der digitalen Arbeitswelt von morgen die Beschäftigung gesichert, die Arbeitsbedingungen verbessert und die Produktivität gesteigert werden können.
• Projekte, die neue Wertschöpfung mit neuer gut gestalteter Arbeit vereinbaren und dabei modellhaft aufzeigen, wo und wie neue Arbeit in Deutschland entsteht.
• Neue, auf den Menschen ausgerichtete Konzepte der Mensch-Maschine-Interaktion und deren pilothafte Realisierung.
• Projekte zur Gestaltung der „Unternehmen der Zukunft“, zum Beispiel hinsichtlich der Flexibilisierung der Arbeit (unter anderem bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben), angepasste Präventions- und Arbeitsgestaltungskonzepte zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit oder neue Arbeits- und Beschäftigungsformen, die auch Fragen hinsichtlich Mitbestimmung und Beschäftigtendatenschutz aufwerfen können.
Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen, um die Entwicklung der künftigen Arbeitswelt positiv zu beeinflussen. Aber täuschen wir uns nicht: Viele Entwicklungen müssen die Betriebe und die Beschäftigten selbst meistern, viele Entwicklungen unterliegen zudem globalen, nur schwer zu beeinflussenden Megatrends.
Arbeit verleiht Würde und Identität
Für die künftige Arbeitswelt gilt es, möglichst vielen Menschen ihren Arbeitsplatz zu erhalten, auch wenn er sich in den Anforderungen wandelt. Es gibt viele Gründe, warum Menschen jetzt und in Zukunft arbeiten. Für die meisten Menschen steht die Absicherung des Lebens für sich und ihre Angehörigen im Vordergrund. Arbeit verleiht Würde und Identität. Darüber hinaus ermöglicht sie Menschen Teilhabe, Aufstieg, Prestige und Erfolg. Viele Menschen arbeiten, um die eigenen Talente zu entfalten, sich selbst in der Arbeit zu verwirklichen oder um Kontakt, Anerkennung und Bestätigung in der Gemeinschaft zu finden. Ob aus Pflicht, Berufung oder Freude – Arbeit ist und bleibt auch künftig für jeden Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt zentral.
Aber unzählige Fragen stellen sich zur künftigen Arbeitswelt, wie zum Beispiel: Ältere Arbeitnehmer werden mit ihrem Know-how für die Betriebe tendenziell zwar wichtiger, gilt das aber auch für alle älteren Arbeitnehmer? Wie lassen sich bei schweren körperlichen Arbeiten die künftigen Anforderungen bewältigen? Werden wir alle künftig noch länger und unter mehr Stress arbeiten müssen oder ermöglichen uns neue Arbeitsformen eventuell auch eine entspanntere Arbeit und eine bessere Kombination zwischen Arbeit und Privatem?
Nur fünf Stunden Arbeit jeden Tag?
Werfen wir hierzu mit Kathrin Werner53 einen Blick nach Kalifornien zu einem Modell, das für etliche wohl verlockend klingt, das aber auch künftig wohl eher noch eine Ausnahme darstellen wird: Stephan Aarstol ist der Gründer einer Firma für Steh-Paddelbretter in San Diego mit inzwischen elf Mitarbeitern. Aarstol arbeitet jeden Tag nur fünf Stunden und hat das auch für alle seine Mitarbeiter zur Vorgabe gemacht. Um acht Uhr morgens erscheinen alle Mitarbeiter im Büro in San Diego, um 13.00 Uhr sollen alle gehen. Gleichzeitig hat er angefangen, fünf Prozent der Gewinne unter seinen Mitarbeitern zu verteilen. Im Ergebnis verdienen einige seiner Mitarbeiter pro Stunde jetzt fast doppelt so viel wie vorher.
Aarstol: „Meine Mitarbeiter und ich haben angefangen, unser Leben mehr zu genießen, als wir es je für möglich gehalten hätten. Und gleichzeitig wurden wir unglaublich produktiv im Büro.“
Ganz so großzügig, wie es klingt, war Aarstols Angebot jedoch nicht. Denn die kürzere Arbeitszeit war nicht mit geringerer Arbeitsbelastung verbunden, sie war nur eine Aufforderung, effizienter zu arbeiten. Richtige Arbeit macht nur zwei bis drei Stunden pro Tag aus, sagt der Gründer. Den Rest verschwenden vor allem Büromitarbeiter mit unnötigen E-Mails, Privatangelegenheiten, Internet-Surfen, Kaffeepausen und Tagträumen. Damit sollten seine Leute aufhören – und stattdessen früh nach Hause gehen oder über Seen und Meere paddeln.
Seit der Umstellung auf das neue Arbeitszeitmodell stiegen die Umsätze der Firma von Stephan Aarstol um 40 Prozent auf fast zehn Millionen Dollar.
Das Beispiel zeigt, dass ausgefallene Ideen kreativer Unternehmer unsere künftige Arbeitswelt weiterführen könnten. Auch zeigt es, dass die Wertschöpfung, die jeder Arbeitsplatz leistet, nicht in erster Linie von der Dauer der Anwesenheit des Einzelnen abhängt, sondern davon, wie intelligent und effizient der Einzelne seine anstehenden Aufgaben bewältigt und welche Möglichkeiten der Betrieb dafür bietet.
Die Arbeitswelt wird weiblicher
Auch von zwei wichtigen Aspekten wird die Arbeitswelt von morgen geprägt sein: Die Arbeitswelt wird weiblicher und die älteren Beschäftigten werden stärker gebraucht.54
Frauen bekommen zunehmend größere Berufschancen. Sie sind immer besser qualifiziert und bauen ihre bisherige Benachteiligung gegenüber männlichen Kollegen Schritt für Schritt ab. In der künftigen Arbeitswelt werden Frauen verstärkt präsent sein als Firmengründerinnen, in kreativen Berufen, aber auch in Technik-, IT- und Beratungsberufen. Als Führungskräfte setzen Frauen neben ihrer fachlichen Kompetenz vor allem auf ihre soziale Kompetenz und dringen damit – wenn auch langsam und oft mühsam – in die Vorstandsetagen vor.
Frauen legen besonderen Wert auf das Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben. Familie und Freunde haben ebenso Bedeutung wie Arbeiten im Beruf.
Ältere Mitarbeiter werden verstärkt gebraucht
Ältere Beschäftigte werden von den Unternehmen künftig wieder verstärkt nachgefragt. Der Jugendwahn früherer Jahre tritt bei vielen Betrieben wieder hinter eine realistische Beurteilung der Qualitäten und Kompetenzen der älteren Arbeitnehmer zurück. Geschätzt wird dabei sowohl die umfangreiche Berufserfahrung als auch Lebenserfahrung.
Ältere Mitarbeiter verfügen über langjährige Kenntnisse und Erfahrungen, sie haben gelernt, Ziele beharrlich zu verfolgen, aus Fehlern zu lernen und sie lassen sich nicht so schnell durch zum Teil unnötige Hektik aus der Ruhe bringen.
Um die Qualitäten der älteren Mitarbeiter im notwendigen, schon allein demografisch bedingten Umfang nutzen zu können, müssen die Unternehmen künftig Arbeitsbedingungen gesünder und stressfreier gestalten und mehr Flexibilität durch flexible Arbeitszeiten und einen gleitenden Eintritt in den Ruhestand ermöglichen.
39 Zur Frage der künftigen Arbeitswelt siehe unter anderem: Ulrich Reinhardt; Reinhold Popp: Schöne neue Arbeitswelt? Was kommt, was bleibt, was geht, Hamburg 2018; Horst, W. Opaschowski: Deutschland 2030. Wie wir in Zukunft leben, Gütersloh 2013, S. 132 ff.; oder: Thies Claussen: Zukunft beginnt heute. Gedanken zur Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Technik, Hamburg 2018, S. 21 ff.
40 Vgl. https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/arbeit-der-zukunft-wie-sich-die-ar-beitswelt-2035-von-heute-unterscheidet/11700318.html [Stand: 28.1.2020]