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Welche Schweiz für morgen?. Andreas SchildЧитать онлайн книгу.

Welche Schweiz für morgen? - Andreas Schild


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die mächtigen Veränderungen geopolitischer und gedanklicher Art.

      Kapitel drei versucht, die Kräfte der Gegenreaktion aufzuspüren.

      Das Kapitel vier fokussiert die Schweiz. Ich will zeigen, wie sich die globalen Entwicklungen auf die Schweiz auswirken.

      Das abschliessende Kapitel diskutiert den innenpolitischen Handlungsbedarf, wobei gleichzeitig die Frage gestellt wird, was für eine Schweiz eigentlich wünschbar wäre, und ob wir die Energie und den Willen haben, uns für das neue Jahrhundert fit zu machen.

       1 Die Schweiz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

      Drei internationale Entwicklungen haben die Schweiz und das politische Denken der Schweizer und Schweizerinnen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts beschäftigt und geprägt: Der Zweite Weltkrieg, respektive die Nachkriegssituation, der Kalte Krieg und die Globalisierung der Welt.

       1.1 Die Nachkriegszeit

      Das Resultat des zweiten Weltkrieges könnte salopp als «wir sind noch einmal davongekommen» umschrieben werden. Auch wenn wir unsere Neutralität zelebrierten, können wir doch sagen: Wir gehörten zu den Gewinnern des Weltkrieges. Zwar sind die Meriten der Schweiz durchaus umstritten. Vereinfacht gesagt waren der Bürger, die Bürgerin, das Volk, voll engagiert in der potentiellen Verteidigung der Schweiz. Mobilmachung und Aktivzeit haben eine ganze Generation geprägt: In ihrem Bewusstsein bewirkte der Widerstandswille und die Verteidigungsbereitschaft, dass wir verschont blieben. Je höher man die gesellschaftliche Leiter hinaufsteigt, desto zweifelhafter wird, wie tapfer und verteidigungsbereit die Schweiz wirklich war. Unsere Industrie erbrachte für die deutsche Armee wichtige Dienstleistungen, die Banken verwalteten jüdische Vermögen und die Nationalbank wusch fleissig und wohlwissend deutsches Gold, das teilweise aus den Konzentrationslagern gepresst worden war.

      Obwohl der Durchschnittsschweizer als Soldat, die Durchschnittsschweizerin als Hausfrau sich mit Überzeugung für das Vaterland ins Zeug legten, muss die Beurteilung der Schweiz als Ganzes durchzogen ausfallen. Trotzdem prägte die Parole von der geistigen Landesverteidigung, mit der Herr und Frau Schweizer geimpft wurden, eine ganze Generation und die Weltanschauung der Schweizer und Schweizerinnen für den Rest des Jahrhunderts.

      Die Neutralität, eigentlich nicht viel mehr als eine Überlebensstrategie des Kleinstaates in einer Zeit grosser Bedrohung, war einer der roten Fäden, die uns erhalten blieben. Von aussen betrachtet sah diese Neutralität weniger rosig aus: Für die Siegermächte war die Schweiz nicht einmal eine Kriegsgewinnerin, sondern eine Kriegsgewinnlerin. Unsere Infrastruktur war intakt geblieben, unsere Unternehmen hatten gut verdient, ja einige Unternehmen wurden im Verlaufe des Krieges sogar zu schweizerischen Unternehmen. Für die späteren Siegermächte war die schweizerische Neutralität schon während des Krieges ein Deckmäntelchen, unter dem die Schweiz Profite machen konnte. Schon während der Kriegshandlungen wurde von den Alliierten Druck auf die Schweiz ausgeübt und nach geschlagener Schlacht forderten diese von der Schweiz massive Kompensation, eine Beteiligung am Wiederaufbau Europas und gewissermassen Reparationszahlungen. Nur den geschickten Verhandlungen des schweizerischen Unterhändlers Stucki, und der Konzilianz von Bundesrat Petitpierre ist es zu verdanken, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind.

       1.2 Der Kalte Krieg

      Unsere tatsächliche Rettung war allerdings der Kalte Krieg. Er liess die auf Reparationen drängenden Personen in der amerikanischen Administration - vor allem im Finanzministerium - verstummen. Exponenten des Aussenministeriums hatten nun das Sagen. Ab 1948 war der neue Feind die Sowjetunion und es herrschte der Kalte Krieg. Für die Schweiz war klar: Unser Herz schlug für die demokratische Freiheit, von ihr waren wir überzeugt. Wir schlugen uns ins Lager des Westens, blieben aber politisch neutral. Die bewährte Ideologie von der geistigen Landesverteidigung rüstete uns gut für die neue Situation. Die Siegermächte dankten uns dies. Die radikalen Forderungen der Amerikaner verschwanden, respektive fielen, wie sich später zeigen sollte, in einen Dauerschlaf. Wir blieben stramme kalte Krieger und Kriegerinnen bis gegen Ende des Jahrhunderts. Wer sich da nicht einreihte wurde observiert, registriert und womöglich plakatiert. Diese Situation dauerte beinahe bis zum Ende des Jahrhunderts, verlor allerdings in den Augen der nachrückenden Generation viel vom Heiligenschein, mit dem wir uns geschmückt hatten. 1989 glaubten gewisse Kreise, heroisch das 50-Jahr-Jubiläum der Mobilmachung feiern zu müssen, was weder im Ausland noch bei der neuen Generation zu mehr als einem Kopfschütteln reichte. Dass der zweite Weltkrieg bis Ende des Jahrhunderts nachwirkte, zeigte sich beim Thema Rückzahlung der namenlosen Vermögen. Mit dem Ende des Kalten Krieges erhielten in der amerikanischen Verwaltung die Strömungen wieder die Oberhand, die bereits am Ende des Weltkrieges finanzielle Forderungen an die Schweiz gestellt hatten. Der Faden von 1946 wurde wieder aufgenommen und führte zu einer Krise unseres Nationalstolzes, einer gehörigen Verstimmung in der schweizerischen Volksseele - und zu einem unglücklichen Verhalten unserer politischen und wirtschaftlichen Führung. Das Wiedererwachen der amerikanischen Forderungen traf die Schweiz völlig unvorbereitet. Der finanzielle Schaden konnte begrenzt werden, weil er auf die Grossbanken abgeschoben werden konnte. Diese konnten ihn verkraften - sie hatten ja inzwischen international genügend Geld verdient. Aber das ungetrübte Verhältnis des Schweizers, der Schweizerin zu den USA - um nicht zu sagen die Bewunderung - erhielt einen gehörigen Nasenstüber. Wobei allerdings auch - nicht nur im Ausland, sondern auch in den Augen eines Grossteils der schweizerischen Bevölkerung - der Finanzplatz Schweiz einen gehörigen Tolggen im Reinheft fasste. Das Erlebnis des zweiten Weltkrieges und die geistige Landesverteidigung verschafften uns aber innenpolitisch gewissermassen einen lateralen Gewinn. Die innenpolitische Auseinandersetzung zwischen links und rechts wurde in ordentliche, mit politischer Konkordanz versehene Bahnen gelenkt und verlor an Radikalität. Die politische Mehrheit zeigte gesellschaftliche Verantwortung. Der ärmere Teil der Bevölkerung hatte den Krieg besser überstanden als den ersten Weltkrieg. Das Nationale half, die politischen Gegensätze zu relativieren, was in der Nachkriegszeit zu einem sozialen Ausgleich führte. Die beschworene kommunistische Gefahr half uns, den innenpolitischen Solidaritätsschub weiter zu pflegen: Die Sozialdemokratie wurde aktiv an der Regierung beteiligt und die Einführung der AHV ermöglichte der älteren Generation, das Alter besser zu geniessen.

      Der innenpolitische Ausgleich war wichtig. Man wollte keine Armut aufkommen lassen, welche die Vernachlässigten in die Arme der Kommunisten getrieben hätte. Der innenpolitische Ausgleich fand seinen Niederschlag auch gegen aussen. Solidarität wurde schon in der Nachkriegszeit auf die Fahnen der schweizerischen Aussenpolitik geschrieben und kam in Darlehen an die kriegsversehrten Nachbarstaaten zum Ausdruck. Engagierte Organisationen der Zivilgesellschaft, interessierte aussenwirtschaftliche Kreise und die verbreitete Furcht vor dem kommunistischen Vorrücken in der «Dritten Welt» bewirkten, dass die Schweiz regelmässig Kredite für die Auslandhilfe bewilligte. Der Ausbau des Sozialstaates machte weiter Fortschritte, führte aber auch zu einer gewissen Entsolidarisierung in der Gesellschaft. In den 80er Jahren wurde die Entlassung von Mitarbeitenden zwecks Erhaltung der Profitabilität einer Unternehmung plötzlich sozialpolitisch akzeptierbar, Profitabilität wurde wichtiger als Vollbeschäftigung.

      Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen begannen sich in den 80er Jahren zu verändern. Der Neoliberalismus machte sich breit. Die Idee vom sozialen Ausgleich und der Verteilung der Einkommen wurde ersetzt durch die Ansicht, die Unternehmen müssten gestärkt werden. Das Kapital werde durch erhöhte Rendite Anreize erhalten, Arbeitsplätze zu schaffen. Entwicklungspolitisch war der Auslöser für diese neue Sicht die Finanzkrise Mexikos. Erstmals erklärte ein Staat, dass er die Schulden nicht mehr bedienen konnte. Durch diese Krise wachgerüttelt, wurde die verteilungsorientierte Armutsbekämpfung in Frage gestellt. Strukturanpassungen und makroökonomische Sanierungsmassnahmen rückten nun ins Zentrum.

      In den Industriestaaten machte sich die Neuorientierung bemerkbar, indem plötzlich nicht mehr die Vollbeschäftigung ein wirtschaftspolitisches Ziel war, sondern wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen, welche es Kapitalgebern erlaubten, erfolgreich in Unternehmen zu investieren. Diese Tendenz wurde verstärkt durch die zunehmende Automatisierung der Produktion: Man brauchte Kapital, um in die teuren Maschinen investieren zu können, während gleichzeitig der Bedarf an qualifizierten Arbeitern und Arbeiterinnen


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