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Ende offen. Peter StraußЧитать онлайн книгу.

Ende offen - Peter Strauß


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kann, wenn man von der Entwicklung überholt wird (siehe auch S. 457).

      A. S. Neill schrieb in den 1960er Jahren: „Die meisten Eltern glauben ihr Kind zu vernachlässigen, wenn sie ihm keine moralischen Werte beibringen, wenn sie es nicht ständig auf den Unterschied zwischen Gut und Böse hinweisen. Praktisch alle Eltern sehen es, abgesehen von der Sorge für die körperlichen Bedürfnisse des Kindes, als ihre wichtigste Pflicht, dem Kind Moral einzupauken. Für sie würde ein Kind ohne moralische Belehrung als Wilder aufwachsen, zügellos im Verhalten und ohne Rücksicht auf andere. Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft akzeptieren eben, zumindest passiv, dass der Mensch sündig von Geburt und schlecht von Natur sei und dass er raubgierig, grausam und mordlüstern werde, wenn man ihn nicht zum Gutsein erziehe.“154 Bei den Yequana lernen Kinder überwiegend durch den Nachahmungsdrang und das Spiel mit Gleichaltrigen, aber nicht durch Lob und Tadel, durch Überwachung oder Anleitung: „Dem Kind ein Beispiel oder Vorbild zu bieten, geschieht im Idealfall nicht ausdrücklich, um es zu beeinflussen, sondern heißt lediglich, sich normal zu verhalten: dem Kind keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sondern eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich vor allem um die eigenen Angelegenheiten kümmert; von dem Kind nimmt man dabei nur Notiz, wenn es dies braucht, und auch dann nicht mehr als notwendig. Ein Kind, welches das Getragenwerden vollständig erfahren hat, wird es nicht nötig haben, über seine körperlichen Bedürfnisse hinaus um Aufmerksamkeit zu betteln; denn es wird nicht, wie die Kinder, die wir unter zivilisierten Umständen kennen, irgendwelche Bestätigung benötigen, um sich seines Daseins oder seiner Beliebtheit zu versichern.“155

      Neill: „Wenn man Kinder in Freiheit erzieht, werden sie ihrer selbst immer stärker bewusst, weil die Freiheit einen immer größeren Teil des Unbewußten bewusst werden lässt.“156 Diese Idee findet sich in ähnlicher Form schon bei Rousseau: „Der Geist der hier aufgestellten Vorschriften geht darauf aus, den Kindern mehr wahre Freiheit und weniger Herrschaft zu gestatten, sie mehr an Selbständigkeit zu gewöhnen und von dem Verlangen nach fremder Hilfe zu entwöhnen. Indem sie sich auf diese Weise schon frühzeitig gewöhnen, ihre Wünsche mit ihren Kräften in Einklang zu bringen, werden sie die Entbehrung dessen, was zu erlangen nicht in ihrer Macht steht, nur wenig empfinden.“157 Das Gegenteil davon, die „Erziehung“ zur Unterordnung unter Autoritäten, führt demnach zu Wünschen, die nicht mit der Realität in Einklang gebracht wurden. Dazu gehört das Streben nach Vermögen, Macht und Geltung.

      Lob und Tadel bedeuten immer eine Bevormundung und etablieren eine Hierarchie. Sie legen den Grundstein für Anpassung und Obrigkeitshörigkeit und reduzieren die empfundene Freiheit. Die in der Kindheit meist erzwungene Unterordnung unter die Autorität der Eltern führt im Erwachsenenleben zu übermäßiger Akzeptanz existierender Herrschaftsverhältnisse. Es ist eine große Errungenschaft, dass in der westlichen Welt Obrigkeitshörigkeit nicht mehr – wie bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts – als Ideal gilt. Dies bietet das Potential, die „Erziehung“ so zu verändern, dass der Kontinuumserwartung der Kinder Genüge getan wird und sie in Zukunft in mehr Freiheit aufwachsen können. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang Christian Felbers Aufsatz Charakterskizze des autoritär erzogenen Österreichers.158 Ähnliche Gedanken finden sich bei Alice Miller.159 Wird ein Kind nicht durch Lob und Tadel verunsichert und konditioniert und lässt man es seine eigenen Erfahrungen machen, so hat es die Möglichkeit, mehr Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln.

      Viele Erwachsenen versuchen, ihre Kinder nicht nur ohne physische, sondern auch ohne psychische Gewalt zu erziehen, indem sie ihnen oft eine Wahl lassen oder ihnen ihre Entscheidungen erklären. Wenn es allerdings hart auf hart kommt, zeigt sich, dass sie sie doch als in der Hierarchie unter sich stehend empfinden. „Ich hab’s Dir jetzt drei Mal erklärt, Du musst einfach auch mal auf mich hören.“ Und dann wird doch mit Macht durchgesetzt, was der Erwachsene will. Kaum ein Mensch käme auf die Idee, so mit anderen Erwachsenen zu reden. Es wird damit entschuldigt, dies seien Ausnahmesituationen, aber sie zeigen den wahren Charakter, und das spürt das Kind auch und lernt Unterwerfung. Wenn die tiefste Wahrheit, die Rückfalllösung immer noch die Struktur der Hierarchie ist, ist nur wenig gewonnen. Es hat keinen Sinn, das als Ausnahme zu entschuldigen, wenn es die Ultima ratio ist, wenn also die Gewalt als Mittel immer dann eingesetzt wird, wenn das Thema besondere Tragweite hat.

      Es geht im Leben weniger darum, das Richtige zu tun. Die reine Ausführung einer Anordnung hat eine untergeordnete Bedeutung. Es geht darum, das Richtige zu wollen, weil nur dies bedeutet, dass der Einzelne an der Entwicklung der Gesellschaft teilhat, wodurch „die Weisheit der Vielen“ ermöglicht wird. Das Richtige zu wollen, können wir nur lernen, wenn wir uns frei entscheiden können. Nur dann lernen wir, Verantwortung zu übernehmen. Man muss als Kind die Freiheit haben, sich zu entscheiden160, sonst können daraus keine Erfahrung und keine Verantwortlichkeit entstehen. Als Erwachsene ärgern wir uns, wenn andere sich in unsere Entscheidungen einmischen und wir dadurch daran gehindert werden, aus unseren Fehlern zu lernen. Das gilt ebenso für Kinder.

      Verantwortung kann man nur für das eigene Handeln übernehmen und eingeschränkt für Vorgänge, die im eigenen Einflussbereich liegen. Niemand kann jedoch für andere so gründlich wachsam sein wie für sich selbst.161 Eltern sind schnell gestresst und überfordert, wenn sie versuchen, die ganze Zeit für ihr Kind mitzudenken. Und sie tun ihm damit keinen Gefallen, denn ein überbehütetes Kind hat gar keinen Anlass, ein Gefahrenbewusstsein zu entwickeln. Deutlich weniger aufwändig und dabei nachhaltiger ist es, wenn das Kind zum eigenverantwortlichen Handeln befähigt wird.162 Ich halte Regeln, die uns Verantwortung abnehmen, nur insofern für sinnvoll, wenn sie uns vor etwas schützen, vor dem wir uns nicht selbst schützen können.163

       Grenzen, die Kinder brauchen

      Es heißt immer wieder, Kinder bräuchten Regeln, man müsse ihnen Grenzen setzen, und sie müssten gehorchen, weil sie von sich aus nichts könnten. Als Begründung wird oft angeführt, dass sie sonst vor Autos liefen. Das ist jedoch eine unzulässige Verallgemeinerung. Dass sie von Natur aus mit Autos nicht umgehen können, liegt daran, dass sie in den Jahrhunderttausenden der Evolution vor unserer Zivilisation nicht mit Autos in Kontakt kamen und sich nicht daran anpassen konnten. Gleiches gilt auch für elektrischen Strom.164 Als Radfahrer in einer Großstadt erlebe ich oft Erwachsene, die nach Gehör über die Straße und einem direkt vor die Lenkstange laufen. In Zeiten zunehmender Elektromobilität wird das lebensgefährlich. Die Evolution hat uns keinen Instinkt zur Orientierung im Straßenverkehr mitgegeben.

      Vom Lernen durch Ausprobieren sind nur die Dinge ausgenommen, die im Erwartungshorizont des Kindes nicht vorkommen oder die kein Lernen erlauben, weil sie hochgefährlich sind. In früheren Zeiten gab es keine menschengemachten Gefahren wie Straßenverkehr, und Menschen lebten üblicherweise nicht dort, wo ein kleines Fehlverhalten lebensbedrohliche Auswirkungen hatte. Die Kontinuumserwartung gebietet Kindern einen instinktiven Respekt vor Höhe, spitzen Gegenständen und anderen gefährlichen Dingen. Darauf hat uns die Evolution vorbereitet.

      Jean Liedloff hat festgestellt: „Ein Baby hat keine selbstmörderischen Neigungen“.165 Kinder können intuitiv mit Gefahren umgehen, die in ihrer Kontinuumserwartung vorkommen. Es geht nicht darum, alle gefährlichen Situationen zu vermeiden, sondern solche, die in der Natur nicht vorkommen oder die unverhältnismäßige Schäden erzeugen. Unsere frühen Vorfahren werden nicht in der Nachbarschaft von Bären gelebt haben, und sie haben wohl kaum zugelassen, dass ihre Kinder an Bären den Umgang mit Gefahr lernen. Aber wenn ihre Kinder auf Bäume geklettert sind, sind sie nicht sofort hinterhergerannt wie viele heutige Eltern.

      Es ist schon tragisch genug für Kinder, dass wir sie in Situationen wie dem Straßenverkehr nicht selbständig lernen lassen können und sie bevormunden müssen. Wir sollten uns überlegen, wie wir die Häufigkeit solcher Erlebnisse für Kinder reduzieren können, indem wir die möglichen Kontakte mit solchen menschengemachten Gefahrenquellen reduzieren, um ihnen mehr Freiheit zu ermöglichen.

      Dass Kinder an der Supermarktkasse etwas Süßes oder ein kleines Spielzeug wollen, ist kein Beweis dafür, dass man ihnen Grenzen setzen muss. Ebenso ist es kein Beweis dafür, dass Kinder schlecht sind, wenn sie zuerst zu Papi gehen, wenn sie etwas wollen, und danach zu Mami, wenn Papi es ihnen nicht gibt. Beide


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