Ohne Ziel passiert nicht viel!. Friedhelm SommerlandЧитать онлайн книгу.
Ziel. Wenn der Sportler nur daran denkt, dass er sein Ziel eines Tages erreicht haben könnte, wird ihm ganz warm ums Herz. Vielleicht wird er ganz kribbelig und will sofort daran arbeiten, dieses Ziel zu erreichen. Dieser Sportler hat eine konkrete Idealvorstellung als Leitlinie für sein Handeln verinnerlicht. Diesem Ziel liegt eine intrinsische Motivation zugrunde.
Anders verhält es sich mit der „extrinsischen Motivation“. Hier ist das Handeln von der Aussicht auf konkrete Belohnungen oder Vorteile von außen geprägt. Der Ursprung des Selbstverständnisses liegt dabei bei den Erwartungen des jeweiligen Umfeldes. Es handelt sich um Ziele, die eine andere Person oder ein ganzes System von Personen, zum Beispiel deine Eltern, mit dir, durch dich oder für dich erreichen will. In diesem Fall handelst du aus einem externen Selbstverständnis heraus. Die Quelle dieses Selbstverständnisses stammt zuerst aus deiner eigenen Rolle, die du in diesem System (hier: die Familie) spielst, und den Erwartungen des Umfeldes an dich.
Zum Beispiel kann es sein, dass es deinen Eltern sehr wichtig war, dass du in der Schule gute Leistungen erbracht hast, weil sie wollten, dass du einen guten Abiturabschluss und später ein gutes Hochschulstudium absolvierst. Deshalb haben sie dich für gute schulische Leistungen belohnt, vielleicht sogar mit Geld oder anderen Vergünstigungen. Menschen mit Belohnungen zu locken, wenn sie ein bestimmtes Verhalten zeigen, ist eine weitverbreitete, aber leider oft auch problematische Methode. Denn die Gefahr besteht, dass das gewünschte Verhalten nicht mehr gezeigt wird, wenn die Belohnungen seltener werden oder ausbleiben. Du hast also oft gute Noten geschrieben und erfolgreich die Schule abgeschlossen und wurdest dafür belohnt. Dein innerer Schweinehund hat so gelernt, dass er immer, wenn er dich beim Lernen und Hausaufgaben machen unterstützt, ein Leckerchen bekommt. Was dir deine Eltern aber vielleicht zu sagen versäumt haben, ist, dass du nicht für die Belohnungen, sondern für dich selbst und dein Leben lernst und dass Bildung und Wissen Spaß bereiten. Du (und dein innerer Schweinehund) wurdest also auf eine ungünstige Weise konditioniert. Du hast die (unbewusste) Überzeugung gewonnen, dass es sich nur lohnt, Leistungen zu erbringen, wenn es dafür eine (unmittelbare) Belohnung gibt.
Inzwischen bist du in einer Berufsausbildung oder an einer Universität angekommen und musst hart für deine Klausuren pauken. Aber deine Eltern sind vielleicht weit weg und belohnen dich nicht mehr für jede gute Leistung und denken vielleicht auch, dass du alt genug bist, um selbst zu wissen, was du willst. Nun aber legt sich dein innerer Schweinehund auf die faule Haut und denkt gar nicht daran, dich beim Lernen zu unterstützen. Das Fundament für Schieberitis wurde so perfekt errichtet.
Jetzt kann noch ein weiteres Problem hinzukommen. Du wusstest nicht so recht, was du beruflich tun oder studieren sollst und hast deshalb erst einmal irgendetwas, was dir vielleicht gar nicht liegt oder Freude bereitet, begonnen. Oder dein Vater wollte unbedingt, dass du später seine Schlosserei übernimmst, und deshalb hast du nun angefangen, eine Schlosserlehre zu machen oder Maschinenbau zu studieren. Aber du hast gar kein Interesse an seiner Schlosserei, und Maschinenbau interessiert dich auch nicht. Du hast vielmehr Interesse an Politik oder Psychologie. Doch du folgst, weil du ein braves Kind bist, den Zielen deines Vaters, also extrinsischen Zielen, ebenso wie bei der oben erwähnten Steuererklärung. Das kommt tatsächlich – so oder so ähnlich – sehr, sehr häufig vor. Ist es nun ein Wunder, dass dein innerer Schweinehund streikt und einen auf Schieberitis macht? Extrinsische Motivation wirkt allenfalls kurzfristig und ist im Hinblick auf das Erreichen von Zielen etwas sehr Problematisches.
Auch in vielen Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung wird heute noch immer sehr häufig auf das sogenannte operante Konditionieren, also das Lernen am Erfolg, gesetzt. Hier wird den Mitarbeitern oftmals ein umsatzabhängiger Jahresgehaltsbonus in Aussicht gestellt, wenn sie bestimmte (extrinsische) Ziele erreichen. So versucht man offenbar, den fehlenden Spaß und die Freude an der Arbeit durch einen Geldbetrag zu ersetzen. Das funktioniert vorübergehend ganz gut, aber leider nicht dauerhaft. Das Ergebnis ist, dass laut Umfragen mehr als zwei Drittel aller Angestellten in Deutschland nur sehr ungerne ihrer Arbeit nachgehen. Sie sehen für sich nur eine geringe emotionale Bindung an ihren Arbeitsplatz und quälen sich teilweise zur Arbeit. Nicht selten bekommen sie deshalb sogar psychische Probleme. Eines der häufigsten und teuersten psychischen Leiden in unserer modernen Arbeitswelt, das daraus resultieren kann, ist das Burnout-Syndrom.
Wenn du in deinem Alltag dem Schieberitis-Phänomen begegnest, frage dich zuallererst: Wessen Ziel will ich hier gerade erreichen? Ist das wirklich mein Ziel? Ist es mein Herzenswunsch, dieses Ziel zu erreichen? Verursacht es ein warmes Bauchgefühl? Bringt es mich in meinem Leben meinen Träumen und Wünschen näher? Oder rackere ich mich hier für die Wünsche und Vorstellungen anderer ab?
Bevor du nun aber voreilige Entscheidungen triffst, solltest du bedenken, dass ein Richtungswechsel mit einem klaren (intrinsischen) Ziel und einem guten Plan einhergehen sollte. Es reicht nicht, zu wissen, was du nicht willst. Viel wichtiger ist es zu wissen, was du selbst wirklich willst.
An dieser Stelle möchte ich dich noch auf ein anderes Phänomen aufmerksam machen. Es kann sein, dass du dich nun entschlossen hast, deinen eigenen Wünschen und Zielen zu folgen. Du hast eine tolle Idee für ein neues Projekt und brauchst jetzt die Unterstützung von Menschen aus deinem Umfeld und bittest deshalb diese Menschen um Rat. Jetzt kann es passieren, dass du unbewusst wieder den Vorstellungen, Ansichten und Zielen anderer Personen folgst, statt deine eigenen Ziele im Blick zu behalten. Denn was wir uns in solchen Situationen wünschen, sind Menschen, die unsere Pläne befeuern, die zu uns sagen: „Das ist eine gute Idee! Mach das unbedingt!“ Wenn das der Fall ist, hast du Glück. Vielleicht steht dir jetzt ein echter Befürworter oder sogar Mitstreiter zur Seite.
Es kann aber auch das Gegenteil eintreten. Du berichtest anderen von deiner Idee, deinem neuen Ziel, und die anderen fangen an, Zweifel in dir zu säen und deine Idee auseinanderzunehmen: „Wie soll denn das gehen? Das hast du doch noch nie gemacht! Dazu braucht man doch …!“, usw.
Im schlimmsten Falle stellen diese Menschen sogar deine Kompetenz offen infrage, ein solches Ziel erreichen zu können: „Kann ich mir nicht vorstellen, dass du das schaffst. Da brauchst du doch Wissen/Erfahrungen/Abschlüsse/Verbindungen/Geld etc. Lass das doch lieber.“
In diesem Fall hast du Pech gehabt, denn diese Menschen sind nicht deine Verbündeten, sondern die deines inneren Schweinehundes. Schnell spitzt dieser die Ohren, wenn er derartige Bemerkungen zu hören bekommt. Nach solchen Erfahrungen die eigene Meinung weiter zu vertreten und bei dem eigenen Entschluss zu bleiben, der ja noch frisch ist und auf wackligen Beinen steht, erfordert viel Kraft und Selbstbewusstsein. Du musst dich dann schon am Anfang, da deine Idee vielleicht noch nicht besonders ausgereift ist, mit Argumenten zur Wehr setzen, die dir noch gar nicht zur Verfügung stehen.
Im besten Falle löst diese Erfahrung eine Trotzreaktion bei dir aus („Warte, dir werde ich es zeigen!“). Oder du wirst resignieren und dein Vorhaben verwerfen. Dein innerer Schweinehund kann sich nun wieder auf die faule Haut legen.
Mir haben Klienten, mit denen ich intensiv an ihren Zielsetzungen gearbeitet habe und die voller Mut und Hoffnung nach Hause gingen, beim nächsten Zusammentreffen von solchen Situationen berichtet. Auch ich selbst habe in meinem Leben ähnliche Erfahrungen gemacht.
Wie kommt es dazu? Zum einen hat das etwas mit der alten Ratschlag-Falle zu tun. Kennst du die Formulierung „Ratschläge sind ebenfalls Schläge“?
Wenn du mit einer spontanen Idee oder einem neuen Ziel zu einer anderen Person gehst und um ihre Meinung dazu bittest, forderst du sie auf, dir einen „Ratschlag“ zu geben. Dieses Wort setzt sich aus „Raten“ und „Schlagen“ zusammen! Beides kannst du in dieser Situation überhaupt nicht gebrauchen! Du brauchst niemanden, der dich schlägt! Du brauchst auch niemanden, der mit dir zusammen raten will! Du benötigst jemanden, der dich unterstützt, der dir hilft, deine noch vage Idee zu untermauern, bis sie auf einem stabilen Fundament steht!
Manchmal funktioniert es ganz gut, sich Ratschläge einzuholen. Vielleicht bekommst du wichtige Anregungen, die dir weiterhelfen. Die Meinung der anderen regt uns zum Nachdenken an. Und vor Gefahren gewarnt zu werden, ist gelegentlich sehr hilfreich. Aber manchmal schadet uns die Rückmeldung anderer auch. Warum ist das so?
Jeder