DAS MEDIZIN-ESTABLISHMENT. H. T. ThielenЧитать онлайн книгу.
vieler Ärzte noch aus verhaltenspsychologischer Sicht betrachten. Es ist – erfreulicherweise – nicht immer der schnöde Mammon, der primär ihre medizinischen Entscheidungen maßgebend beeinflusst. Vielfach geraten sie durch äußeren Druck, aus Unerfahrenheit, Unkenntnis oder einfach aus Naivität, in die für die Medizin typischen Interessenkonflikte.
Die Ursachen liegen versteckt in dem spezifischen stringenten Umfeld der Medizin. Schon während ihres Studiums werden die angehenden Ärzte in einem absolut dominanten System konditioniert – konditioniert, um zu gehorchen. Kritikfähigkeit wird ihnen ab dem ersten Semester aberzogen. Sie werden von den tradierten Dogmen dermaßen durchdrungen, sodass sie deren Sichtweise auf die Wirklichkeit grundsätzlich übernehmen. Was an Lehrmeinungen und wissenschaftlichen Studien vorliegt, ist zutreffend, das hinterfragt man nicht. Sie studieren – das Studium scheint ganz bewusst so organisiert zu sein – in einem ausgesprochenen Manipulationskontext und alles, was an den Universitäten gelehrt wird, ist absolutes Gesetz.)
Später im Arbeitsleben setzt sich die Einflussnahme beständig fort. Ob in den Fortbildungen, bei Vorträgen auf Kongressen, in Fachzeitschriften und bei Fachgesprächen mit den Pharmareferenten: Immer hören sie unisono die gleichen Informationen, und, wie sollte es anders sein, gehen davon aus, dass diese auch richtig sind. Mit dem Wissen gehen sie anschließend in die Praxis, therapieren nach den erlernten Theorien, und die Patienten vertrauen ihrer Arbeit. Sobald sie sich jedoch einmal nicht an die Standards der Schulmedizin halten, werden sie oftmals unter Druck gesetzt oder in der Öffentlichkeit diskreditiert.
Warum die Mehrheit der „aufgeklärten“ Ärzteschaft diese völlige Konditionierung und Durch-Ökonomisierung der medizinischen Praxis zulässt, ist schwerlich nachzuvollziehen. An den Einzelfällen, die an die Öffentlichkeit kommen, sieht man aber, dass es auch anders geht.
Oft, erst Jahre später, wenn Erkenntnisse, Kritikfähigkeit und Verantwortung die Oberhand gewinnen, wechseln Wenige die Seite. Es sind diejenigen, die erkannt haben, was an Indoktrination und Vorsatz dahintersteckt. Geht es nicht immer nur um Profit? War die Pharmaindustrie nicht schon im Studium omnipräsent? Ist sie nicht auch bei Kongressen, Vorträgen und Weiterbildungsmaßnahmen, also überall, wo Medizin stattfindet, als Veranstalter und Sponsor, allgegenwärtig? Sind die Fachzeitschriften und Studien nicht ebenfalls das wohldefinierte Resultat der Industrie?
Geld ist lediglich ein Mittel zum Zweck. Das kostbare Ziel menschlichen Daseins ist das Streben nach dem Sinn des Lebens und nach Idealen, auch wenn die individuelle Freiheit in der Moderne, sofern wir sie denn tatsächlich besitzen, uns etwas anderes suggeriert.
51 R. Inglehart: Modernisierung und Postmodernisierung: Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften. trans. by Ivonne Fischer, 1st edn, Frankfurt/Main: Campus Verlag, 1998, S. 91.
52 Intrinsische Motivationen beziehen sich auf einen Zustand, bei dem wegen eines inneren Anreizes, der in der Tätigkeit selbst liegt, gehandelt wird.
53 Vgl. D. Osenberg et al.: Wer wird denn noch Chirurg? BDC|Online, BDC <https:// www.bdc.de/wer-wird-denn-noch-chirurg-zukunftsplaene-der-nachwuchsmediziner-an-deut schen-universitaeten/> [letzter Zugriff am 26. Mai 2018].
54 Vgl. G. Maudsley et al.: Junior Medical Students’ Notions of a “Good Doctor” and Related Expectations: A Mixed Methods Study. Medical Education, 41.5 (2007), 476–86 <https://doi.org/10.1111/j.1365-2929.2007.02729.x>. [letzter Zugriff am 12. März 2019]. Seiten 431–526.
55 Vgl. M. Schrauth et al.: Selbstbild, Arztbild und Arztideal: Ein Vergleich Medizinstudierender 1981 und 2006. PPmP - Psychotherapie · Psychosomatik · Medizinische Psychologie, 59.12 (2009), 446–53 <https://doi.org/10.1055/s-0029-1202343> [letzter Zugriff am 02. März 2018].
56 Extrinsische Motivationen sind durch äußere Reize hervorgerufene Motivationen.
57 Vgl. M. Ramm et al.: Studiensituation und studentische Orientierungen. 106. 9. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen. 9. Aufl. Bonn, Berlin 2005.
58 Vgl. C. Heine, P. Scheller, J. Willich: Studienberechtigte 2005. Studierbereitschaft, Berufsausbildung und Bedeutung der Hochschulreife. Ergebnisse der ersten Befragung der Studienberechtigten 2005 ein halbes Jahr vor Schulabgang. Pilotstudie, Kurzinformation. A (HIS, Hochschul-Informations-System), Ausgabe 16, 2005.
59 Laut einer Forsa- Umfrage zählen Feuerwehrleute (93 %) und Ärzte (87 %) zu den Berufsgruppen, vor denen die Deutschen am meisten Achtung haben. Vgl. Beamtenbund und Tarifunion (DBB): Bürgerbefragung, Öffentlicher Dienst. Forsa_2016.Pdf <https://www. dbb.de/fileadmin/pdfs/2016/forsa_2016.pdf> [letzter Zugriff am 22. Juni 2018].
60 Die Zahl der jährlichen neuen Herzinfarktfälle wird in Deutschland um 75 Prozent steigen, die Zahl der neuen Schlaganfallpatienten um 62 %. Die Zahl der Demenzkranken wird sich in den nächsten 40 Jahren verdoppeln, von ca. 1,1 Millionen im Jahr 2007 auf ca. 2,2 Millionen im Jahr 2050. Vgl. F._Beske, Morbiditaetsprognose_2050._Institut_AOK <http://ernaehrungsdenkwerkstatt.de/fileadmin/user_upload/EDWText/TextElemente/PHN-Texte/Bericht e_Gesundheit_Ernaehrung/DAK-Berichte/Morbiditaetsprognose_2050_Fritz_Beske_Institu t_AOK.pdf> [letzter Zugriff am 26. Juni 2018].
61 Vgl. www.studieren-medizin.de: Bewerbung um einen Studienplatz. <https://www.studierenmedizin.de/9,1,bewerbung_deutschland.html> [letzter Zugriff am 26. Juni 2018].
62 ÄApprO: Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (BGBl. I).
63 Vgl. K. Riedler: Ausbildung zum Allgemeinmediziner im Vergleich. Zeitschrift für Gesundheitspolitik, Ausgabe 1, 2017.
64 In englischsprachigen Ländern ist der Doctor of Philosophy (PhD) in den meisten Disziplinen der höchste Studienabschluss.
65 Moderne medizinische Forschungsansätze: z. B. Genetik, Tele-Medizin, Stammzellen-Medizin etc.
Geist-Körper-basierte Methoden: z. B. Meditation, Entspannungstechniken, autogenes Training, Tai-Chi, Yoga, Hypnose, Akupunktur, Biofeedback, Deep Breathing, Mal- und Musiktherapie etc.
Körper- und bewegungsbasierte Methoden: z. B. Massage, Chiropraktik, Cranio-Sacral-Therapie, Osteopathie, Pilates etc.
Energiefeld-basierte/bioenergetische Methoden: z. B. Therapeutic Touch, Magnettherapie, Lichttherapie etc.
Traditionelle medizinische Systeme: z. B. Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin, Homöopathie etc.
66 Einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts nach werden die direkten Krankenkosten bis zum Jahre 2037 um ca. 28 % zunehmen, wenn sich der jetzige Trend weiterentwickelt. Vgl. Gesundheitsentwicklung in Deutschland bis 2037: Eine volkswirtschaftliche Kostensimulation, HWWI, Seite 36.
67 Unter Drittmitteln versteht man Zuwendungen aus Verträgen und Vereinbarungen, durch die sich die Hochschulen Dritten gegenüber verpflichten, als Gegenleistung Forschungs-, Lehr oder universitäre Dienstleistungen im Sinne der Geldgeber zu erbringen.
68 Z. B. UNI Köln und der Bayer-Konzern, UNI Berlin und Sanofi-Aventis, UNI Mainz und Merck etc.
69 So hat die Universität Köln beispielsweise seit Jahren einen „vertraulichen“ Kooperationsvertrag mit dem Chemiekonzern Bayer. Das Gesuch um Akteneinsicht des allgemeinen Studentenausschusses blieb bislang ohne Erfolg. Vgl. Medico international: Kooperationsvertrag der Uniklinik Köln mit der Bayer AG in der Kritik. medico international <https://www.medico.de/kooperationsvertrag-der-uniklinik-koeln-mit-der-bayer-ag-in-der-k ritik-13364/> [letzter Zugriff am 26. Juli 2018].
70 Bundeszentrale für politische Bildung: Gekaufte Tatsachen: Lobbyismus in der Forschung. bpb.de <https://www.bpb.de/dialog/netzdebatte/212941/gekaufte-tatsachen-lobbyismus-in-d er-forschung> [letzter Zugriff am 26. März 2018].
71 Bei den Bildungsausgaben gehört die Bundesrepublik zu den Schlusslichtern in Europa. Von den 28 Mitgliedstaaten der EU liegen 21 vor der