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Behindert! "Wie kann ich helfen"?. Adam MerschbacherЧитать онлайн книгу.

Behindert!


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und Schwere der Behinderung, sowie deren Ursache sind zwar für den Betroffenen wichtig, aber nicht wesentlich aussagefähig für andere nicht betroffene Mitmenschen, die mit dem Thema und der Behinderung nicht vertraut sind und kein Grundwissen dazu besitzen.

      Im Internet findet man Kontaktportale für Personen mit Behinderung. Da verbindet sich dann, wie ein Psychologe unlängst meinte, „Not mit Elend“. Das sehe ich völlig anders. Warum sollen sich nicht zwei gleich- oder unterschiedlich Behinderte ergänzen? Aber auch Gesunde können sich mit Behinderten zusammentun. Nach meiner persönlichen Meinung ist hier alles möglich und „fast alles“ erlaubt.

      Ob das Leben eines Behinderten trotz dessen Behinderung Spaß und Freude bereitet, hängt in erster Linie von der persönlichen Lebenseinstellung, dem sozialen Umfeld, der Pflegesituation und einer eventuell funktionierenden Partnerschaft ab. Die Behinderungsart und der Grad der Behinderung spielen dabei nicht die Hauptrolle. Im Gegenteil! Häufig sind gerade die Betroffensten und sehr schwer behinderten, die am demütigsten und verständnisvollsten Menschen. Wer ständig jammert, nach Mitleid heischt und jedem sein „Los“ mitteilt, den wünscht man sich sonst wohin, aber nicht in seine ständige Umgebung.

      Auch gesunde Menschen haben Probleme. Da können Fußballprofis nachts nicht schlafen, wenn im gleichen Verein, ein Mitspieler 300.000 € im Monat verdient und man selbst nur 290.000 €. Oder der Nachbar fährt einen neuen BMW und man kommt selbst mit einem 10 Jahre alten PKW daher. Es sind zwar völlig andere Sorgen, aber auch sie sind real vorhanden und können psychisch krank machen.

      „Ziemlich beste Freunde“. Wer hat den Film nicht gesehen? Wie eine Entwicklung von einem völlig illusionslosen Senegalesen nach einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch das Arbeitsamt zu einem unkonventionellen Pfleger für einen Tetraplegiker (Querschnittsgelähmten) wird, der diesem zwar steinreichen, aber isoliert dahin vegetierenden Philippe neuen Lebensmut und für sich selbst eine ganz neue Perspektive hervorbrachte, dies zeigt dieser Film in ganz vielen Einzelepisoden. Wirklich sehenswert!

      Nach meiner ganz persönlichen Meinung ist ein Teil der Behinderten gut versorgt in Deutschland. Der andere Teil ist nicht gut, bis sehr schlecht versorgt. Die Ursache ist hauptsächlich Unwissenheit über Möglichkeiten der Unterstützung und der angebotenen Hilfsleistungen, auf die sogar rechtliche Ansprüche bestehen würden.

      Dazu habe ich sehr viel recherchiert, da vieles auch für mich neu war, sich verändert hat und in mehreren Kapiteln in diesem Buch beschrieben wird. Wir dürfen aber auch die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht überstrapazieren, damit das Erreichte erhalten bleibt. Das stellte ich am Entwurf für das sogenannte Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) fest. Im Kern geht es darum, Geld für die Krankenkassen und die Sozialkassen einzusparen. Diese daraus folgende existenzielle Angst treibt derzeit viele Pflegebedürftige und ihre Familien in Deutschland um. Angehörige und Interessensgemeinschaften sind daraufhin auf die Barrikaden gegangen und haben damit ein Umdenken erreicht.

      Da sollten Patienten beispielsweise mit ALS, jener Nervenkrankheit auf die vor fünf Jahren die „Ice Bucket Challenge“ aufmerksam machte, laut dem neuen Gesetz, das Jens Spahn plante, wohl gezwungen werden, ihr Zuhause zu verlassen und in ein Pflegeheim umzuziehen. Ziel des Gesetzes ist, die Pflege Schwerstkranker zu reformieren. Denn in der Intensivpflegebranche läuft derzeit einiges schief. Die gesetzlichen Krankenkassen geben pro Jahr mehr als zwei Milliarden Euro aus, um jene Patienten im Land zu versorgen, die rund um die Uhr Pflege benötigen und nicht in einem Pflegeheim leben, sondern zu Hause oder in einer „Wohngemeinschaft“. Es ist sicherlich richtig, dass einige schwarze Schafe aus den ambulanten Pflegediensten hier ihr „Schindluder“ treiben. Will man dieses Problem auf dem Rücken und der Lebensqualität von Schwerstbehinderten lösen, dann macht es sich die Politik einfach nur zu leicht.

      Deshalb war der Appell an das Gesundheitsministerium so wichtig, noch einmal darüber nachzudenken und nachzurechnen, wie hoch die Einsparungen tatsächlich sind, da der Aufwand in Pflegeheimen – sofern ausreichend Personal abgestellt wird – nicht sehr viel geringer sein kann, da das Pflegeheim ein vielfaches an Lohnkosten erwirtschaften muss, ohnehin kein Personal findet und die Herauslösung von gepflegten Personen aus der vertrauten Umgebung einfach nur menschenunwürdig und brutal ist. Sehr viel einfacher wäre es, die Qualifikation und Abrechnungsmethoden dieser ambulanten Pflegekräfte intensiver zu überprüfen und Anforderungen den Umständen nach neu und konkret zu definieren. Der Gesetzgeber müsste nur einmal die Betroffenen fragen, mit welchem Lebenswillen und Glücksempfinden sie sich zu Hause, trotz schwerster Krankheit und Einschränkung dennoch sehr wohl fühlen.

      Was die Akzeptanz von Behinderten anbetrifft, so können wir Behinderten sehr viel dazu beitragen, indem wir nicht bei jeder Kleinigkeit auf unsere Rechte bestehen, wenn es auch anders ginge. Jeder Nichtbehinderte wird sich künftig weniger hilfsbereit zeigen, wenn man für seine angebotene Hilfe vor den Kopf gestoßen wird oder schlechte Erfahrungen mit Menschen mit Handicap macht. Persönlich habe ich den Eindruck, dass die Toleranzgrenze untereinander äußerst gering ist. Da kommt es sogar zur Rivalität und Aussagen unter Behinderten, wie z. B.: „Ich bin aber mehr behindert als du“. Da kann ich nur sagen „Gratuliere“.

      Speziell unter Jugendlichen werden Behinderte oft verächtlich mit Bezeichnungen bedacht, die verletzen und ausgrenzen. Auch wenn es nicht so böse gemeint ist, bitte keine Namen verwenden, wie „Krüppel“, „Spastiker“, „Freak“, „Fruchtzwerg“, „Mongo“, „Trottel“, „Schwachsinnig“, „Dummkopf“, „Missgeburt“, „Abnormal“, „Spasti oder Spacko“, „Wasserkopf“ oder „Blöd“.

      Es gibt durchaus auch andere Namen, die man verwenden kann, wie „Mensch mit Handicap“, „behindert“, „gehörlos oder gehörgeschädigt“, „Invalide“, „Autist“, „Mensch mit Beeinträchtigung“ oder „blind“.

      Aber es kommt nicht allein auf die Bezeichnung an. Sehr viel wichtiger sind die Absicht und der Zusammenhang, zu dem etwas gesagt wird. Während ein „Du bist doch Behindert“ eine Beleidigung sein kann, wenn man die Worte eines körperbehinderten kommentiert, so kann „Bist du auch ein Krüppel?“ eine Anerkennung sein, wenn er oder sie zum Beispiel Mitglied im „Münchner Crüppel Cabaret“ ist. In München hat die Wiesenwirtin Katharina Inselkammer ein Lokal mit besonderen Menschen eröffnet. Sie hat einen ganz neuen Versuch mit dem Projekt „Kunst-Werk-Küche“ gewagt. Das ist nicht irgendeine gastronomische Unternehmung. "Meine Mitarbeiter sind zu 30 Prozent besondere Menschen", sagt Katharina Inselkammer. Das würden zwar möglicherweise viele Wirte auch von ihrer Belegschaft sagen, aber was Inselkammer angeht, so muss man wissen, dass sie den Begriff "besondere Menschen" verwendet für Menschen, die mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen leben. "Ich will beweisen, dass man in einem bunten Team genauso gut arbeiten und erfolgreich wirtschaften kann wie sonst auch", sagt sie, "dazu braucht es keine Gemeinnützigkeit." Hut ab, auch wenn ich mir sehr gut vorstellen kann, dass Katharina hier häufig an ihre Grenzen stößt. Umso bewundernswerterer ist dieses Projekt und vor allem Franziska Inselkammer.

      Nicht die Bezeichnung beleidigt, sondern das, was damit gemeint ist, entscheidet über Aussage oder Beleidigung. Was wird in der Sprache nicht alles umschrieben. Da werden „Ausländer“ zu „Menschen mit Migrationshintergrund“ und „Hilfsarbeiter“ zu „Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen“.

      Blickt man in der Geschichte zurück, so gab es je nach Epoche sehr viel schlechtere Zeiten für Behinderte.

      In der römischen Antike war das familiäre Umfeld einzig und allein entscheidend, ob Behinderte in der Familie unterstützt wurden oder betteln gehen mussten. Im Zweifelsfall wurden sie getötet oder einfach nur ausgesetzt. Aber so ging es auch unehelichen Kindern und weiblichen Menschen.

      Im Mittelalter wurde mit Verbreitung des Christentums nach dem Prinzip der „Nächstenliebe“ eine gesetzlich geregelte „Armenpflege“ eingeführt. Dennoch wurden Behinderungen allgemein als „Strafe Gottes“ und auch sittliche Verfehlung “moral insanity“ bzw. „Teufelsbesessenheit“ gesehen. Mit dieser Rechtfertigung wurden behinderte Menschen, selbst innerhalb der Familie verstoßen oder als „Jahrmarktattraktion“ vorgeführt.

      In der Neuzeit war die Hoch-Zeit


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