Sorgenkind Kita. Petra GörgenЧитать онлайн книгу.
damit auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden. Ich bezweifle aber stark, dass ein „normaler“ Kindergarten das alles, neben der Arbeit mit den anderen Kindern, von denen auch jedes einzelne sein eigenes Päckchen zu tragen hat, bewältigen kann. Der Personalschlüssel reicht dafür schlicht und ergreifend nicht aus, mal ganz abgesehen davon, dass viele dieser Kinder oft auch therapeutisch begleitet werden müssten…
In einigen Bundesländern werden mittlerweile zusätzliche Fachkräfte für interkulturelle Arbeit genehmigt. Dies sollte aber flächendeckend geschehen. Solche Fachkräfte sind nicht nur im pädagogischen Bereich ausgebildet (zumindest aber geschult), sondern haben auch oft selber einen Migrationshintergrund, sodass sie adäquate Begleiter solcher Kinder und deren Familien sind. Die Einstellung dieser Hilfskräfte soll für eine Entlastung der Regelkräfte dienen und damit für eine intensivere Förderung und Integration der neu zugewanderten Kinder sorgen. Ich selber habe erlebt, wie inkompetent, hilflos und desinteressiert man mit Kleinkindern, die kein Wort Deutsch sprechen, im Kindergarten umgeht und ich bin ganz sicher, dass dies in vielen Kitas ähnlich läuft.
Die didaktischen Prinzipien
Jede pädagogische Fachkraft lernt während ihrer Ausbildung die „didaktischen Prinzipien“ kennen, denn sie sind von großer Bedeutung für die Arbeit mit Kindern jeden Alters. Alle geplanten Beschäftigungen sollten im Idealfall unter Berücksichtigung dieser Prinzipien erfolgen. Leider fehlt es manchen Erwachsenen an Lust und Zeit, dieses Thema ernst zu nehmen.
Prinzip der Anschauung
Kinder verstehen alles besser über Bilder bzw. über das Sehen. Verbale Anweisungen und zu erlernende (Lied-)Texte merken sie sich deutlich einfacher (das gilt auch für uns Erwachsene), wenn das, was man inhaltlich transportieren möchte, auch veranschaulicht wird.
Ich selber habe z.B. in meinem Musikkreis fast immer Bilderreihen zu den Liedern erstellt. Es war erstaunlich, wie schnell die Kinder selbst die kompliziertesten Texte verinnerlicht hatten.
Regeln oder alltägliche Abläufe, die man in der Gruppe bespricht, sollten in Bildsprache ausgehängt werden.
• Wie wasche ich meine Hände?
• Wo kommt welches Spielzeug hin? (Bilder an den Materialkisten)
• Wie haben wir uns zu verhalten? (Plakat an der Wand)
• Wie gehen wir miteinander um? (Plakat an der Wand)
Alles, was man bespricht, kann durch Bilder oder Anschauungsmaterial unterstützt werden. Kinder können sogar selber mithelfen, derartige Plakate oder Info-Tafeln zu gestalten. So bleibt noch mehr von dem hängen, was sie sich merken sollen.
Prinzip der Übung (Prinzip der Wiederholung)
Wir wissen alle, dass Dinge, die wiederholt werden, schneller und besser im Gedächtnis bleiben als Dinge, die man nur einmal erlebt hat. Die Werbung arbeitete beispielsweise genau nach diesem Prinzip. Auch in der Schule werden Lerninhalte immer und immer wieder in allen möglichen Varianten geübt, bis sie sich gefestigt haben. Didaktische Reihen funktionieren nach demselben Prinzip. Auf diese gehe ich im Punkt „Variabilität“ noch genauer ein.
Prinzip der Aktivität
Selber aktiv zu werden, Dinge wahrzunehmen, zu erleben und zu erfahren, ist die Grundvoraussetzung dafür, etwas nachhaltig zu verstehen. Im Gegensatz dazu steht das rein theoretische Lernen.
Prinzip der Lebensnähe
Man arbeitet zunächst mit Bekanntem, um sich dann dem Unbekannten zu nähern. Das ausgewählte Material, mit dem man arbeiten möchte, sollte den Kindern bekannt sein um dann auf etwas Unbekanntes hin arbeiten zu können.
Vom Nahen zum Fernen
Der Lebens- und Lernradius des Kindes vergrößert sich im Laufe der Jahre nur langsam. Es ist sehr wichtig, einen Schritt nach dem Nächsten zu gehen. Den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, war noch nie sinnvoll.
Prinzip der Variabilität (oder „Die didaktische Reihe“)
Themen sollten grundsätzlich auf vielfältige Art und Weise veranschaulicht werden. Dies ist in meinen Augen eine der allerwichtigsten Aufgaben der Kindergärten im Bereich der frühkindlichen Bildung. Sie kennen alle die Projektarbeit in Kitas. Ob es Themen wie Dinosaurier, Baustelle, Berufe, Insekten, Wasser oder gesundes Essen sind - es wird sehr viel Unterschiedliches dazu angeboten, um das neu Erlernte zu verinnerlichen. Dabei ist es von großer Wichtigkeit, alle Sinne anzusprechen. Nahezu jedes Thema kann man durch folgende Aktivitäten begleiten:
• Bilderbücher
• Lieder/Gedichte
• Tischspiele
• Kreisspiele
• Naturwissenschaftliche Versuche
• Hörspiele/Filme
• Malen/Basteln
• Ausflüge (Natur, Museen, Theater, Betriebe…)
• (eigene) Theateraufführungen
• Kochen/Backen
Je mehr Varianten es gibt und je länger das Projekt dauert, desto besser merken sich die Kinder das Erlernte. Natürlich hat die Dauer einer didaktischen Reihe auch ihre Grenzen, denn irgendwann ist ein Thema „ausgelutscht“. Hier ist das Feingefühl der planenden Fachkräfte gefragt.
Prinzip der Ganzheitlichkeit
Lernen sollte mit allen Sinnen erfolgen. Mit Körper, Herz und Verstand.
Prinzip der Kindgemäßheit
Bei allem, was mit Kindern gemacht oder was ihnen angeboten wird, müssen wir darauf achten, dass das Thema und vor allem dessen Vermittlung ihrem Reifestand entsprechen. Eine Überforderung ist ebenso schlecht wie eine Unterforderung.
Prinzip der Teilschritte
Wie auf einer Leiter klettern wir vom Anfang bis zum Ende in Teilschritten zum Lernziel. Diese Schritte sollten aufeinander aufbauen und in einer logischen Reihenfolge stattfinden.
Prinzip der Vorentlastung
Kinder lernen umso schneller, je mehr Vorkenntnisse sie besitzen. Diese sollte man immer zunächst „abfragen“ und dann mit einbeziehen.
Ob Im Kindergarten, in der Schule oder zu Hause - die didaktischen Prinzipien gelten immer dort, wo Menschen etwas lernen sollen. Mit Kindergartenkindern, mit Schülern, Auszubildenden und sogar in der Arbeit mit Erwachsenen (Fortbildung/Seminar). Nur wenn diese eingehalten werden, ist unter guten Voraussetzungen ein Lernerfolg garantiert.
Frühkindliche Bildung - kann ein Kindergarten das leisten?
Viele von Ihnen werden jetzt sicher laut aufstöhnen: „Was hat Bildung denn mit dem Kindergarten zu tun? Sollten die Kleinen nicht einfach nur spielen und Spaß haben? Die Schule und der Ernst des Lebens kommen doch früh genug!“ Nun, ich möchte zunächst etwas klarstellen. Bildung bedeutet viel mehr als das Einpauken von theoretischem Wissen. Unser ganzes Leben besteht von Geburt an aus Bildung. Der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten hat seine Basis im Elternhaus, denn die Eltern haben in den allermeisten Fällen einen großen Einfluss auf ihr Kind. Kinder, die von Haus aus gefördert und unterstützt werden, denen die Möglichkeit gegeben wird, sich geistig, emotional, sozial und körperlich entwickeln zu können, sind ganz klar im Vorteil. Kindergarten und Schule können zwar einen gewissen Einfluss nehmen, aber keinen so gravierenden wie man immer meint. Man hat festgestellt, dass Kinder, die bereits zu Hause ausreichend „Input“ bekommen, von einem guten bis sehr guten Kindergarten nicht nachweislich profitieren. Dazu wurden Tests durchgeführt im Bereich „mathematisches (logisches) und sprachliches Verständnis“ bzw. dem Erkennen von Zahlen und Buchstaben vor dem Schuleintritt. Kinder, die zu Hause nicht gefördert werden oder nur sehr wenig, können höchstens durch einen besonders guten Kindergarten etwas dazugewinnen. Aber nur 10% aller deutschen Kindergärten fallen unter diese Kategorie.
Fakt ist, dass der Erfolg in der Schule und im Leben maßgeblich vom Elternhaus und nicht von der Qualität öffentlicher