Usus Belli. Thorsten KleinЧитать онлайн книгу.
versuchte verzweifelt, wegzusehen. Wer will seine eigenen Brüder schon in einer solchen Situation überraschen?
So sehr sie sich aber auch anstrengte, es gelang ihr nicht. Sie fühlte sich wie eingefroren und hatte keine Kontrolle über ihren Körper.
Wenn sie wenigstens in der Lage gewesen wäre, ihre Augen zu verschließen. Oder ihre Ohren.
Obwohl … Dann hätte sie vielleicht nicht die Stimme gehört, die plötzlich in ihrem Kopf dröhnte.
Die Stimme des schwarzen Herzogs?
Sie klang so. So ähnlich zumindest. Denn diese sprach, als sei ihr Inhaber im spanischen Sprachraum aufgewachsen. Dem Herzog hörte man in jeder Sprache an, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen war.
Die Menage a trois hatte wenigsten mit ihren gymnastischen Übungen aufgehört. Um ebenfalls der Stimme zu lauschen. Wie Schüler ihrem Meister
Der gab genaue Anweisungen, wie es auf Psyche weiterzugehen habe. Sie hatten keine Einwände gegen seine Vorschläge. Sakania hingegen fand das, was sie hörte, einfach nur abscheulich. Ihre Feiglinge von Brüdern protestierten nicht, sondern neigten die Köpfe und nickten ergeben.
Nur die Frau wagte etwas einzuwenden: „Was du vorhast, wird weder Sakania, noch Wihtania gefallen.“
Stimmt, dachte Sakania wütend, und wir werden alles unternehmen, diese Pläne zu durchkreuzen. Das Lachen darauf dröhnte so in Sakanias Kopf, dass sie glaubte, der würde zerspringen.
„Wenn die beiden Gören sich gegen uns stellen, werdet ihr doch wohl in der Lage sein, sie aufzuhalten. Oder?“
Was Sakania am meisten erboste, war die devote Zustimmung der drei. Das bekamen die auch zu hören, denn Sakania hatte endlich die Kontrolle über ihren Körper wieder. Sie anschreiend und fieberhaft nach ihrem Schwert suchend, stürmte sie auf ihre Brüder und deren Freundin zu.
Aber die verschwanden einfach in der RaumZeit, ohne sie zur Kenntnis zu nehmen.
Unsagbare Wut schüttelte Sakania.
Wut, die ständig ihren Namen rief?
Mit der Stimme Takhtushos?
Als sie die Angst in dessen Gesicht sah, war sie mit einem Schlag hellwach.
„Huldrich und Gerrich“, stotterte sie, „haben Furchtbares mit Psyche vor. Es wird einen schrecklichen Krieg geben und sie werden versuchen, den Psychanern für diesen Krieg die Macht des Atoms zu verschaffen.“
Takhtusho war erleichtert, dass Sakania endlich aus ihrem Alptraum erwacht war und mit ihm sprach.
Aber um den Inhalt ihrer Worte richtig zu verstehen, benötigte er, wie immer, sehr lange. Dann sah er sie ungläubig an. „Nuklearwaffen? Für diese Menschen? Die werden ihre Welt vernichten.“
„Das ist ihr Plan. Der Geist dieser Welt will es so.“
Takhtusho musterte Sakania aufmerksam. „Bist du dir sicher? Er riskiert seine eigene Existenz?“
„Das ist ja das unverständliche … Seine Stimme klang wie die des schwarzen Herzogs, nur in Nuancen anders“, versuchte Sakania sich an den Inhalt ihres Traumes zu erinnern, „also kann es nicht der Herzog gewesen sein. Aber wer war es dann?“
„Einer seiner Verwandten?“
„Da gibt es tausende, die in Frage kämen.“
„Aber nur wenige, die so mächtig sind, dass sie eine ganze Welt beherrschen könnten.“
Beide überlegten eine Weile.
„Paulos“, rief Takhtusho dann, um sofort von Sakania unterbrochen zu werden: „Paulos hat keine Macht.“
„Aber nur, weil ihm der Herzog diese entzogen hat, um ihn dann zu verbannen. Als Familienoberhaupt darf er das, ohne den Hohen Rat fragen zu müssen.“
„Das weiß ich doch. Ich habe zwar noch nicht gelebt, als ihr den Krieg der Kinder vom Zaun gebrochen habt, aber ich hatte bei Richard Kummer Geschichtsunterricht. Schon vergessen? Deshalb weiß ich auch, wo Paulos ist.“
„Hol ihn her“, schlug Takhtusho vor.
„Wenn das so einfach wäre“, erwiderte Sakania und überlegte. Eine ganze Weile. Dann erklärte sie Takhtusho ihren Plan.
Was sie verschwieg, war die Beteiligung der dritten Person an der Verschwörung. Jener Frau, die Sex mit Huldrich und Gerrich hatte.
Schon dafür gehörte sie bestraft. Allerdings durfte Takhtusho nie erfahren, dass es gegen seine Schwester ging. Vielleicht würde er dann die Seiten wechseln. Sie brauchte ihn aber. Nicht nur, weil sie ihn liebte. Er war auch der einzige, der Bcoto gewachsen war, sollten sie gegen sie kämpfen müssen.
Ort: Psyche, Dai Nippon, Tokio
Die beiden Kämpfer standen sich gegenüber. Jeder hatte ein Schwert in der Hand. Die Klingen waren aus Bambus und die traditionellen Visiere ihrer Samuraihelme verbargen ihre Gesichter. Der Gaijin musterte sie mit Kennermiene. Das gefiel seinem Begleiter überhaupt nicht. Er wollte dem eingebildeten Deutschen mit diesem Besuch einer japanischen Kampfschule eigentlich zeigen, die Japaner seien die besten Kämpfer der Welt. Japanische Samurai sowieso.
Der tat, als kenne er sich aus. Wie sollte er? Nur, weil er fehlerfrei japanisch sprach? Gut, auch mit ihren Traditionen kannte er sich aus. Aber beim Kämpfen?
Die beiden Schwertkämpfer zeigten eine knappe halbe Stunde, was sie bereits gelernt hatten. Dieser kleine Einblick in den Kenjutsu schien den Fremden ebenfalls nicht zu beeindrucken.
„Diese Schüler waren gut, aber sie müssen noch viel lernen. Vor allem Geduld. Sie wussten, dass ich zusehe, nicht wahr?“
Ozaki Hotsumi2 wurde nicht schlau aus diesem Mann, den er gern als seinen Freund sehen würde. Der gab sich als Russe aus, arbeitete aber für eine renommierte deutsche Zeitung in deren Sprache.
Hotsumi verneigte sich vor dem Wissen des Gaijin und antwortete: „Sie wussten, dass Sie ein Reporter sind. Deshalb ihre Aufregung.“
„Aufregung beim Kampf ist immer ungünstig. Es sei denn, man macht sie sich zum Verbündeten. Ihr Lehrer ist Shigetada Tōgō. Richtig?“
„Sie kennen Shigetada Tōgō?“
„Wir sind uns ein paar Mal begegnet. In einem früheren Leben. Er war Lehrer in Jigen-Ryū. Ich konnte ihm ein paar Tricks mit dem Katana beibringen. Zur Belohnung zeigte er mir seine Kampfkunst.“
„In einem früheren Leben? Haben Sie unser Leben so verinnerlicht, dass Sie zum Hinduismus übergetreten sind?“
„Weil ich weiß, das Leben ist eine beständige Wanderung zwischen Geburt, Tod und Wiedergeburt? Nein. Die Palingenese ist kein asiatisches Monopol. Auch die Jünger des Pythagoras aßen keine Bohnen, da sie glaubten, die Seelen Verstorbener könnten darin wohnen. Ich allerdings ziehe die Körper von Menschen als Behausung meines Geistes stets vor.“
Hotsumi verstand den Sinn dieser Antwort nicht. Er glaubte aber, eine Gelegenheit gefunden zu haben, sich dem Fremden erkenntlich zu zeigen. „Ich kann Sie dem Meister vorstellen. Ich hatte selbst einige Zeit die Ehre, sein Schüler zu sein.“
„Darum wollte ich dich gerade bitten.“
„Unter welchem Namen? Wenn ich Ihren damaligen Namen benutze, erkennt er Sie vielleicht aus Ihrem früheren Leben wieder.“
„Höre ich da Spott in deiner Stimme? Ich habe in dieser Welt nur einen Namen. Stell mich also bitte als Richard Sabota vor.“
Ort: Psyche, Berlin, vor dem Reichstag
„Richard Sabota lebt natürlich noch. Den habe ich ja nicht umgebracht?“, gab il caskar zu.
„Kann es sein, dass Richard Kummers Geist in sein östliches Alter Ego geflüchtet ist und jetzt in Richard Sabotas Körper lebt?“, fragte Takhtusho.
„Das