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Eine Liebe - ein ganzes Leben lang: Roman um ein Nachkriegs-Schicksal. Glenn StirlingЧитать онлайн книгу.

Eine Liebe - ein ganzes Leben lang: Roman um ein Nachkriegs-Schicksal - Glenn Stirling


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wenig Zeit gehabt, ihr Seelenleben zu erforschen.“

      „Wozu sprichst du so gut Englisch? Sollst doch einen mit Rückgratverletzung haben. Die OP-Schwester meinte, er wäre hoffnungslos verloren.“

      „Ich weiß nicht“, erwiderte Renate. Sie ließ sich auf dem Bett nieder und wischte sich über die Stirn. Es ist furchtbar, dachte sie. Ich bin schon so abgebrüht, kein Schicksal kann mich noch bewegen, nichts interessiert mich wirklich.

      „Der Krieg ist bald aus“, meinte Lisbeth. Sie gähnte und streckte die Arme zur Decke. „Möchte nur wissen, was dann wird.“

      „Was soll werden? Die Verwundeten werden nicht so schnell gesund, wenn der Krieg aus ist“, sagte Renate. „Ich weiß nur das eine, Lisbeth. An dem Tag, da ich nicht mehr hier sein muss, wird mein Glückstag sein.“

      „Du komische Heilige. Man muss das Leben genießen, auch in schlechten Zeiten oder gerade dann. Schaff dir einen Freund an, dann wirst du nicht so trübsinnig herumschleichen! Der Unterarzt von deiner Station, wie heißt er gleich?“

      „Doktor von Eberingen?“

      Lisbeth lachte. „Richtig, das wär’n Mann für dich. Hübsch ist er nicht gerade, aber sonst hat er doch alles, was’n Mann haben muss. Und spendabel ist er auch.“

      „Ich habe andere Interessen, als Männer zu begutachten“, erwiderte Renate und legte sich aufs Bett. „Zum Heiraten ist noch Zeit.“

      „Heiraten? Man muss doch nicht gleich die Kuh kaufen, wenn man einen Liter Milch haben will. Du, Renate, hör zu! Ich war vorige Woche mit Klein aus.“ Sie setzte sich auf Renates Bettrand und erklärte geheimnisvoll: „Weißt du, wo wir waren? Errätst du mit deiner mangelhaften Fantasie niemals. Im 'Krokodil'! Füllen, das war eine Wolke, sag’ ich dir. Klein kannte den Inhaber, und wir bekamen ein paar Flaschen Wein hintenherum. Zum Glück ging mal wieder das Licht aus, und wir saßen bei Kerzenlicht. Romantisch, sag’ ich dir. Er hatte eine Art zu küssen, Füllen, na ja, davon verstehst du nichts. Jedenfalls hat er mir versprochen, mit mir heute einen Ausflug zu machen. In seinem Dienstwagen.“

      „Hoffentlich erwischt euch der schwarze Mann.“

      „Unsinn, mein Peterchen hat alle Papiere. Der riskiert immer was. Das ist ein Kerl, sag’ ich dir. Hach, so’n Mann lässt einen diesen ganzen Karbolstall hier vergessen. Weißt du, früher hatte ich immer richtige Scheu vor den Männern, aber die sind ganz harmlos, das habe ich inzwischen festgestellt. Man muss sie nur richtig anfassen und ihnen nicht zu viel Mut machen ...“

      Was Lisbeth noch erzählte, hörte Renate nicht mehr. Sie war eingeschlafen.

      Sie träumte. Und in diesen Träumen sah sie Lisbeth in Dr. Kleins Armen, dann wieder fand sie sich in Dr. von Eberingens Gesellschaft. Dazwischen geisterte immer wieder das Gesicht des schwer verwundeten Amerikaners. Der griff nach ihr und schüttelte sie.

      Erschrocken wachte sie auf. Über sie beugte sich die Aufsichtsschwester, eine ältere Frau mit grauen Haarsträhnen.

      „Endlich wachen Sie auf! Fliegeralarm! Mein Gott, Sie liegen ja wie tot hier! Schnell, wir müssen in den Keller!“

      Renate lebte wie auf einer Insel. Um sie herum brandete das Leben, der Krieg, das Leid, der Tod. Sie wandelte wie im Traum. Sie lächelte mechanisch, sprach wie eingelernt tröstende Worte - auf Deutsch, auf Englisch. Sie hörte sich an, was ihr die Verwundeten erzählten, und immer fand sie ein nettes Wort. Aber sie empfand nicht viel dabei.

      Der Amerikaner Doyle sprach kaum. Sie ertappte sich dabei, dass sie länger an seinem Bett stand, ihn umsorgte, wie sie es in diesem Maße sonst nicht tat. Aber er zeigte mit keiner Regung, ob ihm das behagte oder nicht.

      Einer der Kanadier sprach ein wenig deutsch. „Schwester“, sagte er, „der Captain sturer Hund, verstehn. Hier oben krank, verstehn!“ Er tippte an die Stirn. „Er hängen zwei Tage in elektrischen Drähten, versteh’n?“

      Sie begriff nicht, was der Kanadier meinte. „Seid lieber nett zu ihm, er ist sehr krank!“, ermahnte sie den Kanadier auf Deutsch.

      „Der bald kaputt“, erwiderte der Kanadier. „Ich gut verstehn, was Doktor Rochlitz sagen.“

      „Das hast du falsch verstanden“, erwiderte sie und musterte die Krankenkarte Doyles. Als sie aufsah, begegnete ihr Blick dem seinen.

      „Schwester“, sagte er leise, und er sagte es auf Deutsch. Sie bemerkte das gar nicht. „Schwester, glauben Sie es auch?“

      Sie trat neben sein Bett und ergriff seine Hand. „Nein, ich glaube es nicht. Professor Doktor Rochlitz ist ein Pessimist, aber ein sehr guter Chirurg. Er wird Sie durchbringen.“

      „Wann wird er operieren?“, fragte er, und seine Stimme klang rau und belegt. Sein Akzent hob das besonders hervor. Jetzt erst bemerkte sie, dass er deutsch gesprochen hatte.

      „Ich weiß es nicht, aber er wird wissen, wann es richtig ist. Sie sind noch sehr schwach.“

      Er lächelte. Das ließ sein Gesicht jünger wirken. Auf der Karte hatte sie gelesen, dass er achtundzwanzig Jahre alt war. Aber manchmal wirkte er wie ein Greis.

      Sie wusste nicht, warum sie so reges Interesse an seinem Schicksal nahm. Viele Menschen, junge Menschen, hatten schwer verletzt in diesem oder dem benachbarten Zimmer gelegen. Manche von ihnen waren gestorben. Aber keiner hatte sie so beschäftigt wie dieser Mann, von dem der Kanadier sagte, er ginge „kaputt“. Grausames Wort.

      Sie sah es den übrigen Männern im Zimmer an, wie sie von Doyle dachten. Er war für sie schon so gut wie tot. Sie hassten den Tod. Sie wollten nicht sehen, wie der Tod kam. Vielleicht fürchteten sie sich davor, erst zu enge Bande mit Doyle zu knüpfen, um dann zu erleben, wie der Tod diese Bande zerriss. Sie scheuten es, und er war einsam, wie ausgestoßen.

      Sie ahnte nicht, welchen anderen Grund es noch gab. Doyle war Captain. Der einzige Offizier im Zimmer. Die Kluft wurde dadurch nicht leichter überbrückt.

      Doyle war am Unterkörper gelähmt. Er konnte nicht gerade liegen, sondern musste wie in einer Hängematte ruhen. Sein Oberkörper wurde durch eine Art Korsett gehalten und von einem Seilzug mit Gewichten gestreckt. Jede Bewegung, die geringfügigste, war mit furchtbaren Schmerzen verbunden.

      Tausende von Männern in diesem Haus litten Schmerzen. Und gerade bei diesem einen hier glaubte sie, den Schmerz auch am eigenen Leibe zu spüren.

      Es musste auffallen, wie sie sich um Doyle bemühte. Zuerst bemerkten es die Männer im Zimmer. Sie hänselten Renate. Der deutschsprechende Kanadier erzählte es Willy. Und der sprach mit Kameraden darüber.

      Bald wusste es die ganze Station. Renate musste zur Oberschwester. Ahnungslos betrat sie das Zimmer des resoluten Fräuleins. Oberschwester Frieda hatte den Frühling des Lebens lange hinter sich und war ob ihrer Launen berüchtigt. Der aufreibende Dienst, die Fliegeralarme und so manches andere verschlimmerten die Reizbarkeit dieser Frau.

      „So, da kommt endlich die Sünderin“, empfing sie Renate in zornigem Ton. „Scheinen ja tolle Zustände auf Ihrer Station zu herrschen, wie? Wie ist das also mit diesem Kriegsgefangenen?“

      „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Oberschwester“, sagte Renate verständnislos.

      „Von diesem Captain natürlich, diesem Ami! Sie scheinen ihm Sonderbehandlung angedeihen zu lassen. Hier gibt es keine Sonderbehandlung, erst recht nicht für Kriegsgefangene.“ Renate wurde rot. Nicht, weil sie sich schuldig fühlte, sondern aus Empörung über die Behauptung, die ihr ins Gesicht geschleudert wurde.

      Die alternde Oberschwester deutete das anders. „Sie können von Glück reden, dass der Oberstabsarzt Ihr Schutzengel ist. Wenn es auf mich ankäme, würden Sie in die Infektionsabteilung gesteckt. Aber leider Gottes dürfen sich die Ärzte alles rausnehmen. Ich will Ihnen etwas sagen, Schwester Renate: Wenn ich noch mal das geringste Tönchen höre von wegen Sonderbehandlung, sollen Sie was erleben. Sie sollten sich schämen!“

      „Ich


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