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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl WilckensЧитать онлайн книгу.

Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens


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nicht durchzudrehen“, sagte sie. Das Herz wurde mir schwer. Ich schwieg, und zögerlich fuhr Emily fort: „William, ich … ich glaube, ich habe vorhin Diane gesehen.“ Ihre Worte jagten mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Ich blieb stehen und sah sie an. Emily senkte verlegen den Blick.

      „Diane ist tot“, sagte ich.

      „Ich weiß“, flüsterte Emily.

      „Wie kannst du dann glauben, sie gesehen zu haben?“

      „Ich habe sie erkannt“, murmelte Emily und wich meinem Blick aus. „Sie hatte goldblondes Haar und … sehr blasse Haut.“

      Ich verfiel in kurzes Schweigen. „Denkst du etwa, sie sei von den Toten auferstanden?“

      Emily machte eine verzweifelte, undefinierbare Geste, eine Mischung aus Kopfnicken und Schulterzucken.

      Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Emily, ich bin immer offen, was deinen Hang zu Übersinnlichem angeht, aber hältst du es nicht für möglich, dass du dich dieses eine Mal irrst?“

      Sie schwieg.

      „Trug diese Person mit dem goldenen Haar eine Maske?“, fragte ich.

      „Ja“, gestand sie widerwillig.

      „Ist es da nicht wahrscheinlicher, dass du dich getäuscht hast, als dass Diane wahrhaftig zurückgekehrt ist?“

      Sie seufzte. „Womöglich.“ Sie trat nah an mich heran und nahm meine Hände in ihre. „Es tut mir leid. Ich weiß, du fängst gerade an, sie zu vergessen.“

      „Nein. Ich werde sie nie vergessen. Aber ich kann ihren Tod akzeptieren und das verdanke ich dir.“ Emily hob den Blick und sah wohl erst jetzt, dass ich lächelte. „Nun lass uns gehen und etwas Spaß haben.“

      Im Ampére sahen wir Ed, Malcolm und Clive, außerdem auch Oliver und Scott an einem der besten Tische nahe beim Tresen. Es war ein lustiger Abend. Wir tranken, lachten und erzählten. Wir verließen die Gaststätte zeitig und machten uns auf den Weg zum Hafen. Unterwegs lauerten uns die Alben auf. Eine besonders schlimme Truppe wartete am Ende einer Gasse, die zur Promenade führte. Die Biester hatten sich mit faulen Eiern bewaffnet. Ich reagierte, bevor irgendjemand – damit meine ich Clive, der schon ziemlich betrunken war – die Situation eskalieren ließ. In weiser Voraussicht war ich einige Stunden zuvor bei der Bank gewesen und hatte drei Groschen gegen einen Haufen Kupferkorne eingetauscht. Ich griff in die Tasche und warf sie den Kindern vor die Füße, und während sie auf dem Boden herumrutschten und sich die Hosen an den Knien zerrissen, hasteten wir vorbei.

      Auf der Promenade herrschte dichtes Gedränge. An einen Platz in den vordersten Reihen war nicht zu denken.

      „Wir könnten runter zum Strand“, schlug ich vor.

      „Ihr könnt gehen“, meinte Ed. „Ich suche die anderen. Wir treffen uns im Bernoulli.“

      Auch am Strand waren viele Menschen. Dennoch herrschte hier längst kein so dichtes Gedränge wie auf der Promenade. Es war eine zauberhafte Nacht. Das Meer war glatt wie ein Spiegel. Zu tausenden blinkten die Sterne darin. Gemurmelte Gespräche schwebten über den Köpfen der Menge. Die Luft war wie elektrisiert vor gespannter Erwartung. Emily und ich zogen uns in die Schatten unter einem weitläufigen Steg zurück, über dem die Promenade an diesem Abschnitt verlief. Dort waren wir allein. Bald zischten die ersten Feuerwerkskörper empor und malten grelle Farbkleckse in den Himmel, zogen Kreisel, pfiffen, zischten und knallten. Zuletzt feuerte eine Batterie einen nicht enden wollenden Strom goldener Lichtbälle aufs Meer hinaus. Nur unsere Begegnung mit der Riesenpilzmedusa von vor vier Vierteln kam diesem Anblick gleich. Ich erinnerte mich, wie Emily versucht hatte, mich danach zu küssen, und plötzlich tat es mir leid, dass ich sie zurückgewiesen hatte. Ich sah sie an. Und sie mich. Und ich wusste, dass jetzt der Moment war, alle Widrigkeiten zu begraben. Ich kehrte dem Feuerwerk den Rücken und strich eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. Sie war so schön. Ich beugte mich zu ihr herab.

      „William …“

      Ich erstarrte. Etwas daran, wie sie meinen Namen sagte, lies die Luft aus meinem Herzen entweichen wie aus einem aufgestochenen Ballon. Sie klang nicht etwa begehrend, vielmehr widerwillig. Mein Körper versteifte.

      „Was ist?“

      „Wir … sollten das nicht tun“, murmelte sie.

      War das zu fassen? „Niemand erkennt uns“, sagte ich, obwohl ich zu wissen glaubte, dass sie andere Gründe hatte.

      Sie schwieg und starrte verlegen zu Boden. Fehlte ihr der Mut, mir den wahren Grund zu nennen? War das dieselbe Emily, die nachts auf Friedhöfen umherstreifte und sich mit einem Messer den Arm aufschlitzte? „Ist es, weil du glaubst, Diane gesehen zu haben?“, fragte ich. Ich konnte nicht verhindern, dass ich brüsk klang.

      Sie nickte widerwillig.

      „Findest du nicht, dass du dich ein bisschen zu sehr von diesen Mythen beeinflussen lässt?“

      „Du hast gesagt, du könntest meinen Glauben respektieren“, entgegnete sie bitter.

      „Und du sagtest, du würdest sie für möglich halten, und nicht mit einer Hingabe daran glauben, die an Fanatismus grenzt.“

      „Ich sorge mich um dich, William“, sagte Emily den Tränen nahe. „Ich habe den Tod dreier Menschen zu verantworten, weil ich …“ Sie stockte und fuhr mit gesenkter Stimme fort. „… weil ich sie geküsst habe.“

      „Nein. Nein, Emily. So interpretierst du es. Es war sicher schrecklich, diese Menschen zu verlieren. Aber allmählich glaube ich, du verlierst den Verstand.“ Ich bereute die Worte, kaum dass ich sie gesprochen hatte. Tränen quollen aus Emilys Augen.

      Jäh setzte tosender Applaus ein. Das Ende des Feuerwerks war eingetreten, ohne dass wir es bemerkt hatten. Bevor ich mich für das, was ich gesagt hatte, entschuldigen konnte, machte Emily auf dem Absatz kehrt und stürmte davon. Ich rief ihren Namen. Lief ihr nach, als sie nicht reagierte. Aber ehe ich sie einholte, wurde sie eins mit dem Gewirr dunkler Menschenleiber. Ich suchte bestimmt eine Stunde lang nach ihr. Wohin ich auch blickte, sah ich ehemals bunte Masken, die die Nacht grau färbten. Schließlich ging ich heim. Mir war nicht mehr nach Feiern zumute.

      Als ich Stunden später einschlief, träumte ich einen seltsamen Traum. Ich stand am Strand unter der Promenade und sah das Feuerwerk. Es war unheimlich still. Ich war allein. Zwar war da die Menschenmenge, doch war ich weit abseits von ihr und sah sie nur als Ansammlung gesichtsloser Schatten. Aber da war noch jemand. Eine dunkle Gestalt saß mit dem Rücken gegen einen Holzpfosten gelehnt.

      „Kannst du bis dreizehn zählen, William David Walker?“, fragte die Gestalt. Sie hatte eine angenehm rauchige Frauenstimme.

      In diesem Moment zischte ein Feuerwerkskörper aus der Menge, die wie ein Hexenkessel zu brodeln begann. Der Lärm drang nur gedämpft zu mir durch, als steckte Watte in meinen Ohren. Das Geschoss stieg hoch hinauf und explodierte in einer grellen Explosion.

       Eins.

      Für die Dauer eines Augenblicks sah ich das Gesicht der Gestalt. Es war Diane. Sie erhob sich und schlenderte zu mir.

      „Kannst du die Zeichen sehen?“

      Wieder explodierte ein Feuerwerkskörper.

       Zwei.

      Erst jetzt bemerkte ich, dass Dianes rechte Gesichtshälfte von Bewuchs befallen war. Seepocken bedeckten ihre Wange, Algen verklebten ihr Haar, und an ihrem schlanken Hals haftete ein Seestern.

      „Die dunklen Stunden kommen, die letzten Wächter gehen.“ Das war nicht ihre Stimme.

       Drei. Vier.

      Diane streckte eine Hand aus und streichelte meine Wange.

      „Die zwölfte Stunde schlägt in diesem Augenblick.“ Ihre Worte waren nur noch ein Flüstern.

       Fünf. Sechs.

      „Kannst


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