Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
tatsächlich so aus, als habe sich hier jemand versteckt“, meinte er. „Nach der ärmlichen Verpflegung zu urteilen, hat es sich aber allenfalls um einen Landstreicher oder kleinen Ganoven gehandelt, der hier ein warmes Plätzchen für die Nacht gesucht hat.“
„Glauben Sie, dass er fort ist?“
„Das halte ich für wahrscheinlich.“
„Aber der Brief.“
Der Brief mit den Anweisungen für den Überfall ließ sich nicht wegdiskutieren. Er war Tatsache, und von Caan konnte er nicht stammen. Bount hatte eine Erklärung dafür.
„Jemand hat an diesem Spiel Gefallen gefunden“, befürchtete er. „Er übernimmt kurzerhand Caans Rolle und braucht nur noch abzusahnen. Selbst wenn er erwischt wird, hat er sich nicht wegen Mordes zu verantworten. Ein Plan mit nur geringem Risiko. Den Gangstern ist es egal, für wen sie arbeiten.“
„Trotzdem hat diese Theorie einen Haken“, fand Palmer.
„Natürlich. Wir wissen noch nicht, um wen es sich handelt.“
„Das meine ich nicht. Muss der Bursche nicht damit rechnen, dass Sie Caan jetzt wieder freilassen und dass dieser ihn verdrängt?“
„Er weiß ja gar nicht, dass sich der Doc noch hier befindet.“
„Und wenn er es vermutet?“
„Dann wird er versuchen, ihn umzubringen.“
18
Strother Lynch trat vom Fenster zurück. Was hatten Reiniger und Palmer im Stall zu suchen gehabt? Hielten sie dort etwa Doc Caan gefangen? Zuzutrauen war es diesem Schnüffler.
Der Mann mit den gelben Haaren war wütend. Er brauchte eine Waffe. Seinen Revolver hatte er dem Gangster aushändigen müssen. Ohne Schießeisen fühlte er sich aber nicht wohl. Nicht auf dieser Ranch.
Strother Lynch kombinierte. Der geplante Überfall ließ sich nicht ohne Waffen durchführen. Zwei Handfeuerwaffen, die den Gangstern in die Hände gefallen waren, reichten dafür auf keinen Fall aus. Irgendwo mussten Schnellfeuergewehre oder gar Maschinenpistolen versteckt sein. Wenn er die aufspürte, war er der King. Dann konnte ihn keiner mehr aufhalten. Auch Reiniger nicht.
Lynch überlegte, wo er die Waffen verstecken würde.
Vergraben? Da kam er im Bedarfsfall nicht schnell genug an sie heran.
Also in irgendeinem Raum einschließen. Möglichst in einem, der nicht mehr benutzt wurde.
Strother Lynch glaubte zu verstehen. Deshalb schnüffelten die beiden da unten also in den Ställen herum. Wenn Reiniger das Zeug vor ihm entdeckte, hatte er das Nachsehen. Es kam also darauf an, wer schneller war. Vielleicht gelang es ihm, den Schnüffler abzulenken. Dabei konnte ihm Mabel helfen. Das Mädchen verdächtigte Reiniger sicher nicht.
Lynch verließ das Haus und suchte Mabel Taylor, die verlegen wurde, als sie ihn bemerkte.
„Was treiben die beiden denn?“, fragte er beiläufig.
Das Mädchen sagte es ihm.
Der Mann war erleichtert. Wie er Reiniger kannte, gab der keine Ruhe, bevor er den Burschen gefunden hatte. Und danach würde er eine Weile mit ihm beschäftigt sein. Zeit genug, um in aller Ruhe nach den Waffen zu suchen. Er nahm sich zunächst die übrigen Ställe vor, fand aber nichts. Auch in den Schuppen hatte er keinen Erfolg.
Missmutig kehrte er ins Haus zurück und untersuchte sämtliche Räume. Zwei waren verschlossen: Jims Kammer und das Eckzimmer, in dem niemand wohnte.
Er spielte mit dem Gedanken, Jim für die Schweinerei, die er mit dem Mädchen vorgehabt hatte, büßen zu lassen. Doch dann überlegte er sich, dass die Waffen wichtiger waren. Er rüttelte an der anderen Tür, und prompt antwortete ihm die Stimme des Doc: „Was, zum Teufel, ist los, Reiniger? Lassen Sie mich endlich raus!“
Hatte er es sich doch gedacht. Reiniger hatte den Halunken nicht entkommen lassen. Ob Caan schon etwas von dem neuesten Brief wusste? Das spielte aber keine Rolle. Auf jeden Fall wollte er versuchen, den Killer auszutricksen.
„Ich bin nicht Reiniger“, rief er leise. „Ich will Ihnen ein Angebot machen.“
„Sind Sie’s, Lynch?“
„Stimmt. Was halten Sie davon, wenn wir Reiniger gemeinsam ein Schnippchen schlagen? Sie kommen nicht nur frei, sondern werden auch Ihre Million kassieren.“
„Was reden Sie für einen Unsinn? Ich habe damit nichts zu tun.“
„Das können Sie Reiniger weismachen, aber mir nicht. Ich will auch nicht mit Ihnen diskutieren. Der Geldtransport kommt schon morgen. Wenn wir den Plan also noch durchführen wollen, müssen wir schnell sein. Wir brauchen die Waffen, die Sie versteckt haben. Damit holen die Knastbrüder die Millionen, und Sie können hinterher entscheiden, was mit ihnen geschieht. Mit den Millionen und den Jungs.“
„Sie sind verrückt.“
„Wir wollen jetzt nicht diskutieren, Doc. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie warten hier auf die Polizei, oder Sie nehmen meine Hilfe an.“
„Zeigen Sie, dass Sie auf meiner Seite stehen, und holen Sie mich hier raus!“
„Damit Reiniger Sie vermisst und unseren Plan durchkreuzt. Nein, wir wiegen ihn in Sicherheit. Und vor allem haben Sie auch vor den Gangstern nichts zu befürchten, solange Sie eingesperrt sind. Wo sind die Waffen?“
„Ich traue Ihnen nicht, Lynch.“
„Das ist Ihre Sache. Ich kann Ihnen keine Garantie geben. Jedenfalls habe ich noch nie einen Menschen umgebracht und möchte das auch in Zukunft nicht tun. Die Zeit vergeht. Reiniger und die anderen suchen auch schon nach den Gewehren. Wenn sie die Sachen finden, läuft der Film ohne uns beide. Sehen Sie doch aus dem Fenster! Reiniger treibt sich mit Palmer gerade bei den Ställen herum.“
„Da kann er lange suchen“, stieß der Doc höhnisch hervor. „Er findet sie nie.“
Strother Lynch atmete auf. Caan hatte also mit der Sache zu tun.
„Ich lasse Ihnen zu Ihrer Sicherheit einen Revolver hier, bevor alles seinen Gang nimmt. Sie dürfen aber Reiniger nicht erschießen, bevor das Geld hier ist. Sonst werden die Jungs womöglich rebellisch.“
„Es gibt zwei Depots, Lynch. Das eine ist von hier aus nur schwer zu erreichen. Ich habe es für den Notfall angelegt. Aber wenn Sie unauffällig aufs Dach steigen, werden Sie eine Kiste finden, die mit einer wasserdichten Plane bedeckt ist. Sie enthält das Nötigste. Auch Sprengpatronen. Bringen Sie mir davon auch zwei!“
„Ich bin gleich wieder da“, versprach Strother Lynch und hastete davon. Er lachte grimmig. Er dachte gar nicht daran, seine Zusage einzulösen. Caan war der Letzte, dem er jetzt noch trauen würde. Wenn es stimmte, was Reiniger behauptet hatte, dann würde der Doc nicht zögern, auch ihn ins Jenseits zu befördern, sobald er ihn nicht mehr brauchte.
Lynch lauschte. Von draußen waren aufgeregte, zum Teil wütende Stimmen zu hören. Das war gut so. Dann kümmerte sich wenigstens keiner um ihn. Er suchte den Aufstieg zum Dach. Er bestand in einer Luke und einer halsbrecherischen Leiter, die an der Wand hing. Er stellte die Leiter auf und stieg bis zur fünften Sprosse hinauf. Dann stieß er die Luke zurück und kletterte weiter.
Das Dach war reparaturbedürftig. Es krachte bedenklich unter seinen Füßen, obwohl er sehr vorsichtig auftrat. Die Plane entdeckte er ohne Mühe. Wenn jetzt auch noch die Kiste vorhanden war, hatte er gewonnen. Strother Lynch huschte gebückt übers Dach bis zum Kamin. Er zog die Plane weg. Eine braune, längliche Holzkiste kam zum Vorschein. Sie war zugenagelt, doch es war nicht schwierig, sie aufzubrechen.
Als er den Deckel anhob, stieß er unwillkürlich einen anerkennenden Pfiff aus. Der Doc hatte nicht etwa alte Schießprügel aus der Pionierzeit gestapelt. Vor ihm lagen modernste