Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
Ich sah ihn an. "Was soll das denn heißen, Alter?"
"Nur, dass ich deine Konzentrationsschwierigkeiten in Gegenwart dieser Spitzen-Lady sehr wohl bemerkt habe!"
"Ha, ha!" Ich wandte mich an Sid. "Ich möchte wissen, worum es in dem Mordprozess ging, in den dieser Vince Dozinsky verwickelt war."
"Kein Problem", meinte Sid und seine Finger klapperten in rasendem Tempo über die Computerttastatur.
Der Mordfall, in dem Dozinsky angeklagt gewesen war, lag schon ein paar Jahre zurück. Eine junge Börsenmaklerin namens Rose Pelham war in ihrem Appartment umgebracht worden. Den Akten nach ein Raubmord. Mitangeklagter war damals ein gewisser Robert 'Birdy' Reinaldo gewesen.
Beiden hatte die Tat letztlich nicht nachgewiesen werden können, obwohl es eine Reihe belastender Indizien gegeben hatte.
"Hatte dieser 'Birdy' Reinaldo vielleicht auch irgendeine Verbindung zu Torturro oder den Batistutas?", fragte ich.
Sid durchforstete das Datenmaterial. Der einzige Zusammenhang war, dass ein Anwaltsbüro damals Reinaldos Verteidigung übernommen hatte, das normalerweise für Torturro tätig war.
"Ich brauche die gegenwärtige Adresse von diesem
'Birdy'!", sagte ich.
Lew hob die Augenbrauen.
"Hast du eine Eingebung oder habe ich da irgend etwas nicht kapiert?"
"Robert 'Birdy' Reinaldo könnte der fünfte Mann sein, Lew."
"Der Überlebende."
"Ja."
Eine Viertelstunde später machten wir uns auf den Weg zu Birdys letzter Adresse in der Stanton Street, Lower East Side.
Ich saß am Steuer des roten Jaguars, den die Fahrbereitschaft des FBI mir zur Verfügung stellte. Lew hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Es dauerte nur wenige Minuten und wir steckten mitten im dicksten Rush Hour-Verkehr, der die Fahrt um ein paar Häuserblocks zu einer halben Weltreise machen konnte.
"Vandermoore ist eine Mordmaschine", sagte Lew irgendwann in die Stille hinein. "Ein Mann, der ohne Bedenken jeden Mordauftrag ausführt." Er machte eine Pause und atmete tief durch. "Was würdest du an seiner Stelle tun, Murray?"
Ich zuckte die Achseln.
"So weit wie möglich flüchten!"
"Er sitzt in der Falle und kann das Land nicht verlassen."
"Wieso nicht?"
"Weil die Leute, die ihm dabei helfen müssten, versucht haben, ihn umzubringen!"
"Dann wird er sich an andere wenden."
Lew hob die Augenbrauen.
"Wenn wirklich die Batistutas hinter der Sache stecken, dann dürfte es kaum einen anderen geben, der es wagen würde, einen Mann zu schützen, der auf der Todesliste eines großen Bosses steht."
"Du meinst, dafür käme nur ein anderer großer Boss in Frage."
"So kann man es auch sehen."
Die Fahrt in die Lower East Side zog sich hin. Inzwischen erreichte uns ein Anruf aus dem Headquarter. Mr. Leigh war am Apparat. Die Kollegen in Kalifornien, wo ja auch mein geschätzter Neffe Will seinen Dienst beim FBI tat, hatten versucht, John Batistuta in seiner Villa aufzutreiben.
Vergeblich. In die Villa war eingebrochen worden und das offenbar schon vor einiger Zeit, wie die Spurensicherung ergab. Dass keiner der Nachbarn davon etwas bemerkt hatte, war nicht verwunderlich, da das Anwesen auf einem recht weiträumigen Gelände lag. Aber ich erfuhr, dass es eine Alarmanlage gab, von der die Täter offenbar sehr genau gewusst hatten, wie man sie ausschalten musste. Und von Batistutas Security-Leuten, die normalerweise den Besitz ihres Bosses kompromisslos schützten, war offenbar auch nichts zu sehen gewesen, als der Einbruch geschehen war.
"Wir werden der schönen Alana noch ein paar unangenehme Fragen stellen müssen", stellte Lew fest.
Aber zuerst stand dieser 'Birdy' auf unserer Liste. Mein Instinkt sagte mir, dass wir uns beeilen mussten, wenn wir Birdy noch in die Finger bekommen wollten. Wenn er der fünfte Mann war, dann musste er seinen Auftraggebern erklären, wieso er und seine Komplizen versagt hatten.
Gut möglich, dass die Auftraggeber Birdy nun als gefährlichen Mitwisser ansahen und auszuschalten versuchten.
Möglicherweise war Birdy daher inzwischen unterge-taucht.
Wir fuhren über die Delancey Street in die Lower East Side, bogen dann am Roosevelt Park ein, um schließlich die Stanton Street zu erreichen.
Das Mietshaus, in dem sich Birdys Adresse befand, war schon ziemlich renovierungsbedürftig. Ein Graffiti-Sprayer hatte sich mit seiner Signatur verewigt.
Birdys Wohnung lag im dritten Stock. Wir nahmen den Aufzug.
"Immerhin ist sein Namensschild noch an der Tür", kommentierte Lew, als wir vor der Wohnung standen.
"Das muss nichts heißen", erwiderte ich.
Die Klingel war defekt.
Ich klopfte.
"Mr. Reinaldo?", rief ich.
Keine Antwort.
"Scheint als wollte Birdy nicht mit uns reden", raunte Lew.
Ich versuchte es noch einmal.
"Mr. Robert Reinaldo? Hier ist der FBI! Machen Sie die Tür auf!"
Ein Geräusch war von der anderen Seite der Tür zu hören.
Lew und ich griffen in derselben Sekunde zu den Dienstwaffen, traten zur Seite.
Ein wummernder, ohrenbetäubender Laut ertönte.
Projektile schossen uns durch die Tür hindurch entgegen. Sie rissen faustgroße Löcher in das Holz und pfiffen dicht an uns vorbei.
Dann begann eine MPi zu knattern.
Ein Cluster von deutlich kleineren Löchern entstand.
Lew und ich befanden uns rechts und links der Tür. Wir duckten uns, um nicht von Querschlägern getroffen zu werden.
Die Kugeln ließen auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs den Putz von den Wänden rieseln. Handgroße Stücke wurden aus dem Mauerwerk herausgesprengt, kleinere Brocken schossen regelrecht durch die Luft.
Wir warteten die ungeheure Wut dieses Bleihagels einfach ab.
Es mussten zwei Gegner sein.
Mindestens.
Auf jeden Fall war aus zwei verschiedenen Waffen geschossen worden, mit unterschiedlichem Kaliber.
Sie mussten verdammt nervös gewesen sein.
Anders war diese Kurzschlussreaktion nicht erklärbar.
Der Geschosshagel verebbte. Aus der Wohnung drang das Geräusch von Schritten. Etwas wurde umgestoßen, kam scheppernd auf den Boden.
"Gib mir Feuerschutz!", rief ich Lew zu.
Ein Tritt und das, was von der Tür übriggeblieben war sprang zur Seite. Ein Scharnier brach heraus, das andere ächzte. Ich ging in die Hocke, die SIG im Beidhandanschlag, den Körper so ausgerichtet, dass er möglichst wenig Zielfläche bot.
"Waffen weg! FBI!", schrie ich.
Niemand zu sehen.
Mein Blick taxierte die Wohnung.
Es sah dort aus, wie auf einem Schlachtfeld. Eine Couch war umgestoßen worden, die Kissen aufgeschlitzt. Federn segelten durch die Luft.
Ein Mann tauchte plötzlich hinter der umgestoßenen Couch hervor, schnellte in Richtung der Tür auf der linken Seite.
Dabei riss