Unternehmer Deines Business Ecosystems. Uwe Klaus HotzЧитать онлайн книгу.
ist weiterhin alles in Ordnung. Fängt der Vertrieb aber an, die Kundenbeziehung nur noch nach abstrakten Kennzahlen zu steuern, geht die zentrale Inspiration zwischen Kunde und Unternehmer verloren. Das Unternehmen wird anfällig für Bedrohungen von außen. Wettbewerber können unbemerkt in die Kernwertschöpfung eindringen und andere Geschäftsmodelle können das eigene Geschäftsmodell bedrohen.
Um dies zu vermeiden kann man die Struktur des Unternehmens umdenken und die Unternehmerfunktion auf alle Schultern gleichmäßig verteilen. Eine mögliche neue Unternehmensform kann man sich als Schalenmodell wie in Abbildung 2 rechts vorstellen.
Im Kern des Unternehmens steht Innovation durch Zusammenarbeit in einem stabilen Werterzeugungs-Ecosystem. Die Werterzeugung wird in Gang gehalten durch die Menschen (Kunden, Mitarbeitende, Partner), ihre Werte, Träume und das Produktversprechen. Das bedeutet, dass Verantwortung zunehmend auf Mitarbeitende übertragen wird. Es ist der Einstieg in die Selbstorganisation. Lieferanten werden Ecosystem-Partner und agieren auf Augenhöhe. Kunden werden Innovationspartner und sind in die innersten Innovationsvorhaben mit eingebunden. Mitarbeitende werden Treiber des Wertversprechens. Die Absicherungsschale nach außen bilden die Prozesse, Investitionen und die Grundbedürfnisse der Kunden und Unternehmer. Führung wandelt sich stark: Führungskräfte werden zu Coaches, ein Teil der klassischen Führungskräfteaufgaben wird nicht mehr benötigt. Mitarbeitende werden zu Mit-Unternehmern im Netzwerk.
Der Vorteil dieser Schalen-Struktur liegt darin, dass im Kern der Wertschöpfung eine langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten einschließlich der Kunden stattfindet. Die Kunden werden zu Partnern in einer horizontalen Beziehung. Dazu bedient man sich eines stabilen Netzwerks. Wünschenswerte Eigenschaften dieses Netzwerks sollten Redundanz, Resistenz, Resilienz und Antifragilität sein. Dieses Netzwerk ist das Business Ecosystem. Nach außen ist das Ecosystem durch Regeln, Ressourcen und Sicherungssysteme wie Verträge, Firewalls etc. abgesichert. Das Ecosystem kann, muss aber nicht zwingend, digitale Plattformen zur Zusammenarbeit beinhalten.
Eine solche Transformation erfordert Mut, Zeit und finanzielle Investition. Das Unternehmen erhält dafür aber eine außergewöhnliche Belohnung: es wird bestens geschützt vor äußeren und inneren Krisen.
Mehr Unternehmer sollten erkennen, dass sie solche oder ähnliche Transformationen auf dem Gipfel ihres Erfolgs anstoßen müssen, weil sie dann noch die Investitionskraft und den unternehmerischen Schwung haben. Dann wäre schon viel zur Zukunftssicherung des Standorts Deutschland erreicht.
Was bedeutet Future Fit Enterprise für ein Start-up?
Die Erfolgsquote von Start-up Unternehmen liegt etwa bei 1: 10 und kann somit als lausig bezeichnet werden. In Deutschland gibt es zudem immer noch zu wenig Gründergeist, eine international kaum wettbewerbsfähige Start-up Infrastruktur, und zu wenig Risikokapital. Trotzdem sollten wir den Kopf nicht in den Sand stecken. In Berlin und einigen anderen Städten entwickelt sich ein zartes Pflänzchen mit der Chance zu internationaler Geltung.
Gründer von heute denken vernetzt, sind kommunikativ und haben aufgrund der Digitalisierung viele Möglichkeiten, ihre Vorhaben frühzeitig zu testen und anzupassen. Die entscheidende Frage ist daher, welche innere Struktur sollte ein Start-up von vornherein aufweisen, um nicht frühzeitig auf dem Unternehmensfriedhof zu landen. Die zerstörerischen Kräfte von außen greifen in Unternehmen, die nach der hierarchischen Variante aufgebaut sind, zwischen den Kunden und dem Unternehmer an. Sie entfalten sich, wenn der Unternehmer nicht mehr nah genug an seinen Kunden ist. Dann dringen Wettbewerber ein und schöpfen Teile des Geschäfts erfolgreich für sich ab. In einer Zeit immer schnellerer Veränderung dauert dieser Prozess heute keine Jahrzehnte, sondern eher nur wenige Jahre. So konnte sich Tesla als neuer Automobilhersteller in weniger als zwei Jahrzehnten an die Weltspitze katapultieren.
Daher ist das Denkmodell des Future Fit Enterprise gerade für ein Start-up interessant. Schaffen es die Gründer, von Anfang an eine Kultur im Unternehmen zu verankern, die ständige Innovation von innen heraus im Zusammenspiel mit dem gesamten Ecosystem als den Kern des Unternehmens begreift, dann können sie ein für lange Zeit stabiles, weil wandlungsfähiges Unternehmen etablieren.
Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmensmodellen, die in der Fachliteratur beschrieben werden. Jedes betrachtet Unternehmen aus einem anderen Blickwinkel, beispielsweise aus der Sicht des Qualitätsmanagements oder der Strategiefindung. Ob ein anderes Modell für Dich vielleicht sogar besser geeignet oder verständlicher ist als das von mir dargestellte kannst Du beispielsweise bei MAREK nachlesen.
Egal wie letztlich die Aufstellung eines Unternehmens in seinem Netzwerk aussieht, der Erfolg kann nur dann langfristig gewährleistet werden, wenn alle Beteiligten auf Dauer partizipieren. Das geht in aufstrebenden Märkten leichter als in gesättigten. Diese Erkenntnis trifft auf Wirtschaft und Politik zu. Beispiel: China kann sich nur deshalb repressives Verhalten gegenüber seinen Bürgern erlauben, weil sie millionenfach durch ihre Regierung aus der Armut geholt werden. Das ist ohne Frage eine große transformatorische Leistung. Aber 6% Wachstum werden nicht ewig währen. Deutschland hingegen ist Teil eines stagnierenden Marktes in Europa. Wir sollten vor unserer eigenen Haustür anfangen.
Wie ist es also zukünftig um den Standort Deutschland bestellt?
Welche Situation und Rahmenbedingungen finden wir vor?
Können wir eine neue Gründerzeit schaffen?
Können wir unsere Position in einer Zeit halten, in der die Großmächte ihr eigenes Süppchen kochen oder sogar Wirtschaftskriege entfesseln?
Ist gar eine Wiederholung des Wirtschaftswunders möglich?
Dass es seit 10-20 Jahren Unternehmer gibt, die völlig neu denken, zum Beispiel in Ecosystems, und deshalb ultra-erfolgreich sind, ist unbestritten. Auf welchen Prinzipien ihr Erfolg beruht, wissen wir größtenteils auch. Ist also alles relativ einfach.
WIE SCHAFFT DEUTSCHLAND DEN WANDEL?
Deutschland – Wirtschaftswunder 2.0
Verzweifelt gesucht.
Im Prinzip ist alles ganz einfach
Eine neue Form von Zusammenarbeit und Unternehmertum. Das müssten wir in Deutschland auch können. Stimmt das?
In Deutschland haben wir in den letzten 50 Jahren leider nur ein einziges Start-up von Weltgeltung hervorgebracht: SAP. Bis vor wenigen Wochen hätte noch Wirecard dazu gezählt. Nun ist der DAX Liebling insolvent, möglicherweise aufgrund einer Kombination von windigen Machenschaften und einer Kultur des Wegschauens.
Was zeichnete eine SAP in der Gründungsphase aus? Ein Gründerteam, nicht ein Einzelunternehmer stand dahinter. Auch gab es bei SAP schon in den 1970er Jahren eine Arbeitskultur, die in etablierten Weltkonzernen zur selben Zeit noch Kopfschütteln verursachte. Man hatte schon sehr früh Sportmöglichkeiten im Unternehmen geschaffen und die Mitarbeiter nutzten diese regelmäßig während der Arbeitszeit. Diese Kultur hätte man im Silicon Valley der 2000er vermutet, es gab sie aber schon im badischen Hinterland der 1970er Jahre. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis Firmen auf breiter Front erkannten, wie wichtig das Wohlergehen der Mitarbeiter für den Erfolg des Unternehmens ist. Manche Mittelständler hadern mit diesem Thema noch heute.
Großkonzerne wie SAP sind nur die sichtbare Spitze des gesamtwirtschaftlichen Eisbergs. Die Masse an wirtschaftlicher Kraft, vor allem in Deutschland, liegt bei den kleinen und mittleren Unternehmen, sowie den Solo-Selbstständigen, den Freelancern. Das ist bereits heute so, und wird tendenziell in Zukunft wohl weiter ansteigen. Die Kernfrage zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen heißt zukünftig nicht mehr, welchen vertraglichen Status die Zusammenarbeit hat, sondern welchen Wertbeitrag man sich gegenseitig zu bieten hat.
Nie war es prinzipiell leichter als heute, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Findet man ein kluges Geschäftsmodell, kann man nahezu alles andere zukaufen. Allerdings hat die Risikobereitschaft zur Gründung in unserem Land wohl ständig abgenommen. Steigender Wohlstand scheint einer der Gründe hierfür zu sein. In der Gründungsaktivität liegt Deutschland auf Platz 107 aller Nationen. Hier beginnt das heraufziehende Desaster für unsere nahe Zukunft.