„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. HuthmacherЧитать онлайн книгу.
bewirkten:
Millionen von Toten nämlich, in endlos währenden Glaubenskriegen
Nicht die Befreiung der „Christenmenschen“, die er sich aufs Panier geschrieben, vielmehr Jahrhunderte weiterer babylonischer Knechtschaft (denn nach den Bauernkriegen und deren Massakern war der Widerstand des „gemeinen Mannes“ gebrochen; die Leibeigenschaft wurde erst anfangs des 19. Jahrhunderts, also dreihundert Jahre später, zuletzt 1833 im Königreich Hannover, in deutschen Landen abgeschafft)
Zerrissenheit zudem, die – europaweit, ein halbes Jahrtausend bislang – quer durch die Lande geht (dem cuis regio eius religio des Augsburger Religions-„Friedens“ von 1555 geschuldet) und, immer noch, Menschen, die an den einen Gott glauben, voneinander trennt.
Im Zweifelsfall hat Luther getötet. Wenn er nicht bekehren oder unterwerfen konnte. Hat realiter getötet: Thomas Münzer, den er „ins offene Messer“ laufen ließ. Hat im übertragenen Sinne getötet: (Die Ideen des) Erasmus. Den klügsten Kopf seiner Zeit, der heutzutage, jedenfalls beim „gemeinen“ Volk, ungleich weniger bekannt ist als er, Luther, der Berserker.
In Gedanken, in Worten, in Werken hat Luther mithin getötet. Weil er nur töten, „zerschmeissen, würgen und stechen“ konnte; Verzeihen war ihm, im Gegensatz zu Erasmus, fremd.
Nicht wirklich die Attitüde eines großen Mannes. Vielmehr Ausdruck der Psyche eines zutiefst Zerrissenen, eines Sich-verfolgt-Fühlenden, eines (nach heutiger Diktion) Paranoikers, eines sozial Devianten, eines Psycho- und Soziopathen. Schlichtweg: eines kranken Menschen.
Der nur in dieser seiner Krankheit zu verstehen, dessen Tun gleichwohl nicht zu rechtfertigen ist. Denn schuld-unfähig war er, Luther – auch im Sinne heutiger psychiatrischen „Wissenschaft“ –, nicht. Er lebte auch nicht „sola gratia“, hatte vielmehr, trotz all seines diesbezüglichen Leugnens, einen freien Willen.
Den er jedoch nicht für mehr Menschlichkeit in seiner Zeit, vielmehr für die Hatz auf Anders(als-er-)Denkende, letztlich für die gesellschaftspolitische Restauration an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit einsetzte.
Er, Luther, gab die Menschen neuer alter Knechtschaft anheim. Er spaltete das Land. Er spaltete Europa. Er spaltete die abendländische Kultur. Er verwehrte humanistischem Gedankengut bis zur Aufklärung, also bis zum 18.Jhd., weitgehend Öffentlichkeit und gesellschaftliche Praxis.
Er war letztlich ein Fürstenknecht, der sich (vordergründig, vermeintlich und jedenfalls anfangs) sozial-revolutionär gebärdete. Er war des Teufels Zauberlehrling. Weil er die Geister, die er rief, nicht mehr loswurde. Bis zum heutigen Tag.
Deshalb gilt es Luther, den Säulen-Heiligen, zu entthronen. Von seinem Podest zu stoßen. Auf das die Herrschenden ihn, in wohlbedachter Absicht, gestellt haben. Auf dem er indes keinen Platz (mehr) hat. Angesichts seiner wahren Persönlichkeit, in Anbetracht seiner Werke, Worte und Taten. Und deren Nachhall. Bis heute.
So also: Wir, wir Menschen, brauchen das wohlwollende Verständnis eines Erasmus. Nicht die gnadenlose Unbedingtheit eines Luther. Wir brauchen keinen Wittenberger, der uns der Obrigkeit unterwirft. Wir brauchen schlichtweg Humanität. Um als Menschen (miteinander) Mensch zu sein.
Und wir brauchen – difficile dictu – Liebe. Luther indes konnte nur Hass geben. Insofern brauchen wir Luther nicht.
Es war nicht Luthers Rechtfertigungs- und Prädestinationslehre (sola gratia: nur durch Gottes Gnade entscheide sich der Menschen Heil), es waren keine hochfahrenden theologischen Fragestellungen, welche die Menschen umtrieben, viel drängender waren die sozialen Probleme der Zeit; auch der Antipapismus, die Wut auf die Privilegien und die Prasssucht der Kirche dürfen als Movens nicht unterschätzt werden.
Und wenn die Herrschenden eine soziale Bewegung nicht mehr kontrollieren können, versuchen sie, oft jedenfalls, sich an die Spitze derselben zu stellen. Dazu bedienen sie sich ihrer Adlati. Spätestens dann, wenn die Opposition außer Kontrolle gerät, ist Gewalt angesagt. Auch dazu bedienen sich die Machthaber, die Potentaten ihrer Helfer und Helfershelfer: Der einen für die ideologische Indoktrination. Der anderen für „die Drecksarbeit“. Luther gehörte zu ersteren. Gleichwohl machte er sich die Hände nicht nur schmutzig, sondern auch blutig.
Jedenfalls erinnert mich der Verlauf der Reformation in fataler Weise an die Regime-Changes von heute; mit dem Unterschied, dass sie, erstere, (in einer noch nicht globalisierten Welt) im eigenen Lande inszeniert wurde.
Farbenrevolutionen – so schriebst Du unlängst – gehören … zur … Welt- und Herrschaftsordnung … [Und weiterhin:] Deceptio dolusque suprema lex – ohne Tarnen und Täuschen geht gar nichts …
Wer aber sind die wahren Akteure, will meinen: die Hintermänner dieser Farbenrevolutionen? [Ich erlaube mir anzumerken, dass es noch in meiner Jugend allgemein üblich war, die Protestanten „die Blauen“ zu nennen und die Katholiken „die Schwarzen“!]
Bekanntlich geschieht in der Politik nichts von ungefähr; Tarnen und Täuschen dienen einzig und allein dem Zweck, die Ziele der verschwindend kleinen Schicht zum Ausdruck zu bringen, die bereit ist, die ganze Welt in ein Chaos zu stürzen, sofern dies ihren Macht- und Herrschaftsinteressen zupass kommt.
Helfer und Helfershelfer hatte die Reformation genug, ihr prominentester ist Luther. Und in ein Chaos stürzte sie die (westlich-abendländische) Welt allemal; mit all den Kriegen, die in ihrem Namen geführt wurden, und mit all den Verwerfungen, die bis heute nachwirken.
Insofern gilt, wohl zu überlegen, inwiefern und inwieweit die Reformation von Anfang an als „Regimechange“ (Verschiebung der [Vor-]Herrschaft von Papst und Kaiser zu den deutschen Fürsten) geplant war, als ein Machtwechsel unter der ideologischen Verbrämung religiöser Veränderung und Erneuerung.
Den Herrschenden, wage ich zu behaupten, dürfte es jedenfalls schnurzpiepegal gewesen sein, ob sie als Protestanten oder Katholiken in ihren (Duodez-)Fürstentümern nach Belieben schalten und walten konnten. Und der Umstand, dass sie (durch das cuius regio eius religio des Augsburger Religionsfriedens) nicht nur zu weltlichen, sondern auch zu religiösen Oberen wurden (jedenfalls dann, wenn sie sich für den Protestantismus entschieden), dass sie somit über ein weiteres Instrument von Macht und Unterdrückung verfügten, dürfte nicht gerade ihren Unmut hervorgerufen haben.
CUI BONO? VON DEN WITTENBERGER
UNRUHEN BIS ZUM BAUERNKRIEG. 1. DIE REICHSRITTER UND DIE REFORMATION
Meine Liebe!
Luther war offensichtlich ein treuer Diener seiner Herren, so auch bei den sog. Wittenberger Unruhen von 1521/1522, anlässlich derer der (nach dem Wormser Reichstag 1521 vermeintlich Entführte und) für tot Geglaubte wie deus ex machina am ersten Fastensonntag 1522 in Wittenberg auftauchte und die Aufständischen (unter Führung von Andreas Karlstadt und Gabriel Zwilling) mit acht an acht aufeinanderfolgenden Tagen gehaltenen, den sog. Invokavit-Predigten („Invocabit me, et ego exaudiam eum“: Ps 91,15: „Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören“) wieder zur Ruhe brachte.
In der reformatorische Bewegung als „sozialer Umwälzung der Gesellschaft von unten“ spielten nicht nur die Bauern (sowie die Handwerker und die kleinen Gewerbetreibenden der Städte), sondern auch die Ritter, d.h. der niedere, zunehmend verarmende Adel eine bedeutende Rolle; bereits 1521 hatten mittelrheinische und mittelfränkische Ritter Luther Schutz und Geleit angeboten (ohne dass dieser das Angebot annahm, er wusste sich bei seinem Landesherrn in sichereren Händen), und im Herbst 1522 scharten sich große Teile der ober- und mittelrheinischen Ritterschaft unter Führung Franzens von Sickingen gegen den Kürfürsten von Trier zusammen. Sickingens Feldzug gegen den Trierer Erzbischof ist auch als Trierer Fehde, Pfälzischer Ritteraufstand oder Pfaffenkrieg bekannt und endete mit Sickingens Tod.
„Sickingen kämpft ... vor allem gegen den eigenen Abstieg. Sein Stand ist im Niedergang: Der Kaiser, einst oberster Schutzherr der Ritter, verliert Macht an die aufstrebenden Territorialfürsten. Gleichzeitig blühen die Städte auf. Für den niederen Adel bleibt