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Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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verband sie die Hand und schrie ihre Gnädige an, als diese sie beschimpfte.

      Enno gab dem Mädchen später als Dank einen Hunderteuroschein. Betty aber stieg widerstandslos in das Auto ein. Enno hatte diesmal auf die Dienste seines Chauffeurs verzichtet, weil er befürchtete, dass seine Frau ihn vor ihm noch mehr blamieren würde. Nur er selbst wusste, wie viel Kraft es ihn kostete, geduldig zu bleiben.

      Laut schluchzend saß Betty neben ihm. »Du bist niederträchtig«, klagte sie. »Am liebsten wäre es dir, wenn ich tot wäre. Nicht wahr, so ist es doch?« Aus verweinten Augen sah sie ihn an. »Enno, bitte, hilf mir«, flehte sie plötzlich.

      Er fuhr langsamer. »Ja, Betty, das will ich ja. Nicht wahr, du hast große Sorgen?«

      »Sehr große, Enno«, erwiderte sie sehr leise. »Ich habe Angst. Große Angst.«

      »Aber warum nur, Betty?«

      »Ach, Enno!«, rief sie und schlug dann die Hände vors Gesicht. »Ich kann es doch nicht sagen. Wenn ich doch tot wäre!«

      Sosehr er auch in sie drang, sie weigerte sich hartnäckig, ihm den Grund ihrer Angst zu sagen. Schließlich gab er es auf und war froh, als sie das so idyllisch gelegene Sanatorium in der Eifel erreichten.

      Als Betty aus dem Wagen stieg, konnte sie sich kaum auf den Beinen halten. Sofort waren zwei Krankenschwestern zur Stelle und nahmen sie in die Mitte. Der Hausdiener bemächtigte sich der Gepäckstücke. Enno folgte langsam. Dabei heftete sich sein Blick auf den Rücken seiner Frau, die sich in einem bejammernswerten Zustand befand. Zwölf Jahre war er nun mit Betty verheiratet. Zwölf Jahre, die ihm wenig Glück gebracht und wenig Freude bereitet hatten. Damals, als er sie in Amsterdam auf einer Ausstellung kennengelernt hatte, hätte er sich nicht träumen lassen, dass aus dem bildhübschen Mädchen einmal ein solches Wrack werden würde.

      Arme Betty, dachte er, als er hinter ihr die Steinstufen zum Eingang hinaufstieg. Plötzlich blieb sie stehen, riss sich von den Schwestern los und drehte sich mit blitzenden Augen um. »Warum kommst du überhaupt mit?«, fragte sie böse. »Fahr nur schnell zurück nach Essen, wo du sicherlich sehnsuchtsvoll erwartet wirst. Fahr doch!«, schrie sie ihn an. »Ich will dich nicht mehr sehen! Nie mehr!«

      »Bitte, Frau Cornelius.« Die ältere der beiden Krankenschwestern fasste beruhigend nach dem Arm der wütenden Patientin.

      »Lassen Sie mich! Ach, lassen Sie mich!« Wie gehetzt jagten Bettys Blicke über die Front des langgestreckten Gebäudes. An einigen Fenstern waren Gitterstäbe angebracht. »Das ist ja ein Gefängnis! Eine Irrenanstalt! Lasst mich!«

      Aber die Krankenschwestern waren an nervenschwache Patienten gewöhnt. Enno atmete tief auf, als es ihnen gelang, Betty zur Ruhe zu bringen. Mit hängenden Schultern ging er zu dem Professor, der ihn in seinen Privaträumen erwartete.

      Der erfahrene Nervenarzt versprach ihm, alles zu tun, um Betty zu heilen. »Ich hoffe auch, dass es uns gelingen wird, sie von ihrer Tablettensucht zu befreien«, fügte er gütig hinzu, um seinem Gegenüber etwas Mut zu machen. Dass sich der große Industrielle in einer äußerst schlechten Verfassung befand, war ihm nicht entgangen.

      »Hoffentlich ist es noch nicht zu spät dazu. Meine Frau scheint mit irgendeinem Problem nicht fertig zu werden.«

      »Wir werden versuchen, das Vertrauen Ihrer Frau zu gewinnen, um das Übel an der Wurzel zu packen. Ich rufe schnell einmal in der Station an und frage an, ob Sie Ihre Frau noch einmal sehen können.«

      Enno erhob sich und trat ans Fenster. Der Professor sprach währenddessen mit der Stationsschwester. Als er auflegte, sagte er zu Enno: »Es wäre besser, Sie gingen nicht mehr zu Ihrer Frau. Der Stationsarzt hat ihr eben eine Beruhigungsspritze gegeben.«

      Enno war eher erfreut über diesen Rat. Denn Betty und er hatten sich momentan nichts mehr zu sagen. Dass sie nicht einmal Grüße an Pieter bestellt hatte, war befremdend für ihn. Auch auf der Fahrt hierher hatte sie das Kind kein einziges Mal erwähnt. Nein, Betty konnte man wirklich nicht mehr als normal bezeichnen, dachte er erschüttert. Stand sie nicht bereits an der Grenze zu der Welt, in der der Mensch jeden Kontakt mit der Wirklichkeit verlor?

      Enno verabschiedete sich von dem Professor. Ein kühler Wind strich über ihn hinweg, als er das Sanatorium verließ und zu seinem Auto ging. Auf einmal fühlte er sich seltsam frei. Das Schlimme war nur, dass er mit dieser Freiheit nichts anzufangen wusste. Er sehnte sich nur nach Ruhe und Entspannung. Am liebsten wäre er ziellos immer geradeaus gefahren und hätte sich irgendwo weit vom Schuss in einen Winkel verkrochen, um seine strapazierten Nerven zu schonen.

      Aber Ferien vom Ich waren für ihn ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Eine große Verantwortung lastete auf seinen Schultern. Hunderte von Familien waren von ihm abhängig. Als er vor nunmehr vierzehn Jahren das Erbe seines Vaters hatte antreten müssen, hatte er nicht geahnt, was das bedeutete. Die seitdem vergangenen Jahre zählten doppelt für ihn. Er war zwar an seiner Aufgabe gewachsen, hatte aber auch viel Kraft und Selbstdisziplin benötigt, um durchhalten zu können.

      Enno blickte sich noch einmal um. Hinter einem dieser Fenster lag seine Frau, die am Leben zerbrochen war. Dabei hatte sie niemals wirkliche finanzielle Sorgen kennengelernt. Vermutlich war das der Fehler gewesen. In all den Jahren hatte sie viel zu viel Zeit und Gelegenheit gehabt, nur an sich selbst zu denken.

      Enno stieg in seinen Wagen ein und fuhr langsam die Auffahrt hinunter. Die Sonne vergoldete die herrliche Landschaft, als er das breite schmiedeeiserne Tor hinter sich ließ und in die Hauptstraße einbog.

      Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit, als er Betty kennengelernt hatte. Damals war er ein unternehmungslustiger junger Mann von achtundzwanzig Jahren gewesen, der das Leben mit der ganzen Kraft seines feurigen Herzens geliebt hatte. Das Leben und die Frauen.

      Als Chef seines Werks hatte er es sich schon damals nicht nehmen lassen, die meisten Geschäftsreisen ins Ausland persönlich zu unternehmen. Auf diese Weise war er viel in der Welt herumgekommen. Auch nach Amsterdam. Die holländische Hauptstadt mit ihren alten Häusern und Grachten hatte ihm sofort gefallen. Ebenso der Menschenschlag. Damals hatte er geglaubt, dass es in keiner anderen Stadt so viele hübsche Mädchen gebe wie in dieser. Sie schienen alle vor Gesundheit zu strotzen. Ihre Augen blitzten nur so vor Unternehmungslust und Freude am Leben. Und ihr natürliches Wesen war für ihn herzerfrischend.

      Als er dann Betty Hootzen kennenlernte, war es um ihn geschehen. Die bildschöne Holländerin war damals ein begehrtes Fotomodell. Ihre klassischen Gesichtszüge, ihre vollendete Figur und ihre Herzlichkeit fesselten sein Interesse für sie so stark, dass er sie sofort fragte, ob sie ihn heiraten wolle.

      Betty war damals sechsundzwanzig. Sie wusste, dass ihre Laufbahn als Modell bald beendet sein würde. Der Heiratsantrag des bekannten Industriellen, der außerdem noch ein fantastisch aussehender Mann war, löste ihre Zukunftsprobleme jedoch mit einem Schlag.

      Es hatte eine grandiose Hochzeit gegeben, von der man noch monatelang gesprochen hatte. Betty und er waren im siebten Himmel gewesen. Ihre dreimonatige Hochzeitsreise hatte sie um die halbe Welt geführt. Danach gehörte Betty bald zu den beneidetsten Frauen der Hautevolee. Sie trug Modelle von Pariser Meistern und war auch sonst in vielen Dingen tonangebend. Ihre auffallende Schönheit machte die Männer zu ihren Sklaven. Aber sie kümmerte sich nicht darum, und so bekam seine aufsteigende Eifersucht niemals Nahrung. Dass sie ebenfalls eifersüchtig auf ihn war, gefiel ihm.

      Auch das erste Ehejahr in der pompösen Essener Villa war durch nichts getrübt gewesen. Dann aber hatte sich ihr glückliches Beisammensein mit einem Schlag geändert.

      Ennos Stirn runzelte sich.

      Wann hatte es eigentlich angefangen? Genau wusste er es nicht mehr. Aber plötzlich hatte die Fassade ihres Glücks abzublättern begonnen und die ersten schadhaften Stellen gezeigt. War es an dem Tag geschehen, als er erklärt hatte, er wünsche sich einen Erben? Oder hatte das Elend in ihrer Ehe an­gefangen, als Betty von einem Arzt zum anderen gefahren war und immer wieder gehört hatte, dass sie vermutlich kein Kind würde austragen können?

      Betty war jedenfalls immer unausgeglichener, immer unsteter und hektischer in


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