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Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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»Solche Wichtigtuerei! Sie sind bloß neidisch.«

      Doch glücklicherweise wurde das Programm schon fortgesetzt. Lilo griff nach Rubinchens Hand und zerrte sie durch den Vorhang. Rubinchen warf Nanni noch einen hilflosen, flehenden Blick zu, und Nanni musste es hinnehmen, dass sie von einigen Zuschauern mit missbilligenden Zurufen und Blicken bedacht wurde.

      Wie in Trance stieg sie die Treppe empor und auf den Ausgang zu, und da hörte sie plötzlich wieder englische Worte.

      »Ein Talent ist sie, Gordon, aber niemals den Strapazen einer Tournee gewachsen. Sei vorsichtig. Ich warne dich. Du kannst in Teufels Küche kommen, wenn du dir nicht die Einwilligung des Vaters holst.«

      »Unsinn, es wird ein Spaß für das Kind, Jane.«

      »An dem du verdienst. Aber glaub nur nicht, dass sich diese Lilo mit …«

      Da stand Nick neben Nanni und sagte: »Warum wollen Sie denn schon gehen, Nanni? Ist Ihnen nicht gut?«

      Sie konnte nicht mehr hören, was jene Jane noch gesagt hatte. Sie sah Nick verwirrt an.

      »Rubinchen ist doch prima gelaufen«, sagte Nick. »Wirklich ganz toll. Vor uns saßen Amerikaner, die haben was von einer Revue geredet. Ich hab’s verstanden, Nanni.«

      »Sei nicht böse, Nick, aber mich friert es. Ich möchte euch den Spaß nicht verderben. Ich wärme mich nur ein bisschen auf, dann komme ich wieder.«

      Aber ans Aufwärmen dachte sie nicht, obgleich sie innerlich wirklich fror. Sie wollte schleunigst Jan Campen schreiben, bevor es zu spät war. Hemmungen durfte sie nicht mehr haben.

      *

      »So schlimm ist das Knie doch gar nicht«, sagte Lilo zu ihrer eigenen Entschuldigung. »Es ist gar nicht gut, wenn wir ein paar Tage aussetzen.«

      »Jetzt ist mir heiß«, flüsterte Rubinchen.

      »Das macht der Tee«, erklärte Lilo. »Du schläfst jetzt. Ich habe heute Abend noch eine Verabredung.«

      Gerade heute wollte sie fortgehen. Sonst ging sie nie aus. Mit fiebrigen Augen blickte Rubinchen ihre Tante an.

      »Morgen bekommst du etwas ganz Schönes für deine gute Leistung«, versprach Lilo. »Was wünschst du dir denn?«

      »Dass Daddy bald kommt«, schluchzte Rubinchen.

      »Er hat jetzt etwas anderes zu tun«, sagte Lilo gehässig. »Aber vielleicht werden wir zwei bald eine schöne weite Reise machen.«

      Das wollte Rubinchen gar nicht, aber sie wagte nicht zu widersprechen. Sie war müde, und der Kopf tat ihr schrecklich weh. Sie schlief bald ein und hörte nur im Unterbewusstsein, dass Lilo noch einmal an ihr Bett trat.

      »Ich gehe jetzt«, sagte sie. Rubinchen rührte sich nicht. Lilo griff nach ihrer Hand und war nun doch erschrocken, wie heiß diese war. Aber das Kind lag schließlich im Bett, und was konnte da schon passieren?

      *

      Bei Willbrechts hatte man sich zum Abendessen versammelt. Nick und Henrik erzählten vom Schaulaufen, und schon kam das Gespräch wieder auf Rubinchen.

      Nanni beteiligte sich nicht daran. Ihr Gesicht war still und verschlossen.

      »Ich finde es grässlich, wenn Kinder zu Stars gezüchtet werden«, äußerte sich Friedrich von Willbrecht, »aber meistens gefällt es den Kindern ja. Eislaufen ist immerhin noch besser, als wenn sie schon mit vier Jahren auf dem Fernsehschirm erscheinen und Schlager singen. Da bekommt man das kalte Grauen.«

      »Du vielleicht«, sagte seine Frau, »andere sind entzückt!«

      »Was haben denn diese armen Würmchen schon vom Leben, wenn sie so dressiert werden? Das Geld, das sie verdienen, bringen doch die Angehörigen meistens um die Ecke.«

      »Und vor allem der Manager verdient«, schaltete sich Alexander von Schoenecker ein.

      »Wenn andere gerade den Kinderschuhen entwachsen, werden diese kleinen Showstars schon zum alten Eisen geworfen«, sagte Friedrich von Willbrecht. »Als Nanette acht war, wollte so ein Verrückter sie auch für Medaillen trainieren. Aber dazu muss man schon ein dickeres Fell haben.«

      Nick und Henrik hörten interessiert zu. Das rosige Licht, in dem sie das beifallsumrauschte Rubinchen gesehen hatten, färbte sich langsam grau, und sie begriffen schnell, dass der Ruhm auch seine Schattenseiten hatte.

      »Da bin ich vielleicht froh, dass ich nicht gut Schlittschuh laufen kann«, äußerte sich Henrik.

      »Und singen auch nicht«, warf Nick anzüglich ein.

      *

      Rubinchen erwachte, weil sie Durst hatte. Lilo hatte, schon ganz auf ihr Redezvous mit Gordon Miles eingestellt, vergessen, die Jalousien herabzulassen. Der Vollmond warf sein kaltes Licht durch das Fenster. Manchmal hatte Rubinchen Angst vor dem Mond, besonders dann, wenn er so rund war. Sie drehte sich zur Wand, aber sie konnte nicht wieder einschlafen.

      Der Hals tat ihr weh, der Kopf auch, und das Bein schmerzte höllisch. Das Angstgefühl wurde immer stärker, und niemand war da, zu dem sie sich flüchten konnte.

      Sie wusste gar nicht recht, was sie tat, als sie aufstand und sich ankleidete. Es war gar nicht so einfach, denn ihre Hände waren feucht und heiß.

      Aber dann hörte sie ein dumpfes Geräusch, das sie nicht deuten konnte. Eine Dachlawine war auf die Straße herabgeprasselt, doch das begriff Rubinchen nicht. Sie glaubte, dass jemand in der Wohnung sei, und nun war sie erfüllt von Furcht und stolperte zur Tür. Als sie im Treppenhaus stand und lauschte, fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Der Rückweg war ihr versperrt.

      Es war ihr schwindlig, als sie die Treppe hinunterschlich, und als sie auf die Straße trat, wurde sie sogleich von einem dichten Schneewirbel umhüllt.

      Menschenleer war die Straße. Rubinchen wusste nicht, dass es schon sehr spät war. Sie hatte jetzt nur einen Gedanken: Sie wollte zu Nanni.

      Die Straße war fast so glatt wie die Eisfläche im Stadion. Rubinchen rutschte und fiel hin. Mühsam stand sie wieder und ging weiter. Schnell laufen konnte sie nicht, weil ihr Bein sehr weh tat. Der Flockenwirbel wurde dichter und dichter. Der kalte Nordwind blies ihr ganze Wolken ins Gesicht, sodass sie kaum mehr sehen konnte. Da passierte es, dass sie den Halt verlor und einen kleinen Hang hinunterrutschte. Ihr Kopf schlug irgendwo auf, und ein heftiger Schmerz durchzuckte sie. Das war das Letzte, was sie spürte. Sie blieb liegen, der Schnee wehte über sie hinweg und deckte die kleine Gestalt zu.

      *

      Pipp saß an der Tür und jaulte. »Was hast du denn?«, fragte Nanni. »Führ dich nicht so auf, du warst lange genug draußen.«

      Der sonst so gehorsame Pipp reagierte nicht. Er scharrte an der Tür und versuchte, die Klinke niederzudrücken, aber die Haustür war schon verschlossen.

      Da begann er laut zu bellen, worauf Nanni die Tür doch aufmachte, denn die Schoeneckerkinder schliefen bereits und sollten nicht geweckt werden.

      Wie ein Blitz schoss Pipp davon. Annemarie von Willbrecht erschien in der Diele.

      »Was hat Pipp denn plötzlich für Manieren?«, fragte sie erstaunt.

      »Ich weiß nicht«, sagte Nanni, »aber ich sehe lieber nach. Vielleicht ist etwas passiert. Er ist doch sonst nicht so hysterisch.«

      Sie schlüpfte in ihren Mantel und lief durch den Garten. Sie rief nach Pipp, aber er gab keinen Laut. Dann vernahm sie plötzlich klagendes Jaulen, das ziemlich weit entfernt war, und als sie auf die Straße trat, kam er mit großen Sprüngen daher. Er zerrte sie am Arm und führte sich auf wie wildgeworden.

      »Ich komme schon«, sagte sie. »Was willst du mir denn zeigen, Pipp?«

      An einer Schneewehe begann er wieder zu scharren, und dann sah Nanni zu ihrem Entsetzen eine kleine Hand.

      »Oh, mein Gott«, stieß sie hervor. Wenig später hielt sie Rubinchen in den Armen. Sie wusste nicht, wie sie über die Straße gelangt


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