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Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna MeareЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare


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hast du immer Tagesdienst. Du wirst sie betreuen. Ist es nicht besser, du versuchst gleich, ihr Vertrauen zu gewinnen?«

      »Unmöglich, Kurt. Wie soll ich ihr begegnen? Ich habe ihre Mutter auf dem Gewissen!«

      »Nein, das hast du nicht. Keinen von uns trifft die Schuld, wenn ein Unfallopfer sein Leben verliert.«

      »Soll ich dem Kind mit diesen Worten die Wahrheit sagen? Bist du verrückt?« Sie kämpfte gegen ein Aufschluchzen.

      »Du mußt es ihr noch nicht sagen, Astrid. Aber sie wird… wie heißt das Mädchen?«

      »Ich glaube… Claudia. Ja, Claudia Ossiander.«

      Astrid trank den Kaffee aus. Die Hand, die den Becher hielt, zitterte. Ihm wurde ganz flau im Magen.

      »Wir können gemeinsam gehen. Ich bin bei dir, Astrid. Daß du, wenn es drauf ankommt, immer wieder eine ungeheuerliche Kraft entwickeln kannst, wissen wir doch. Nicht wahr?«

      Sie sah ihn lange an. Dann nickte sie. Kurz darauf erhob sie sich, trat ans Waschbecken im Raum, sah sich im Spiegel an und ordnete flüchtig ihr Haar.

      »Ich bin bereit, Kurt. Bitte, laß mich nicht allein.«

      Der untere Teil von Claudias Körper war fest einbandagiert. Eine der beiden Kanülen führte bis zu ihrer Nase, eine andere endete an ihrem Handgelenk. So lag sie unbeweglich und mit geschlossenen Augen im großen Klinikbett, umgeben von mehreren Geräten, die die kalte Zweckmäßigkeit des Raums nur noch verstärkten.

      Astrid trat leise näher und beugte sich über die kleine Patientin. Auf dem Kissen um den schmalen Kopf herum hatte man ihr Haar ausgebreitet. Wie sanfte Wogen umgab es das zarte Gesicht mit den noch geschlossenen Augen.

      Dieser Anblick schnürte Astrids Kehle zusammen. So fürchtete sie sich vor dem Augenblick, an dem die kleine Claudia die Augen aufschlagen und nach ihren Eltern fragen würde. Aber Kurt war bei ihr, und mit jeder weiteren Sekunde in der Nähe des Mädchens verlor sich ihre krampfhafte Anspannung. Von den Zügen des Kindes ging Friede aus. Das Gefühl, helfen und trösten zu können, ließ tatsächlich wieder ungeahnte Kräfte in ihr entstehen.

      »Sie ist eine kleine Schönheit«, hörte sie Kurt flüstern und blickte ihn an. Er lächelte flüchtig. »Das meinst du auch, nicht wahr, Astrid? Ein so schönes Kind hat einen guten Charakter. Sie wird dir für jede Sekunde deiner Gegenwart danken.«

      »Soll das heißen, du läßt mich mit ihr allein?«

      Gerade wollte er den Kopf schütteln, als ein kaum merkliches Geräusch seinen Blick zur Patientin zwang. Das Mädchen hatte die Augen geöffnet und begann sofort, ihre Lippen mit der Zunge zu benetzen. Dann sah es die beiden Gestalten im weißen Kittel.

      »Wo… wo bin ich?«

      Astrid war sofort an ihrer Seite. »Landesklinik München. Du heißt Claudia, nicht wahr? Ich bin Astrid, deine Ärztin.«

      Claudias Blick sog sich an ihrem Gesicht fest. »Und… Mama? Ist sie zu… zu ihm gefahren?«

      Sofort glaubte Astrid zu wissen, was dem Kind jetzt am wichtigsten war. »Du meinst, deine Mutter ist bei deinem Vater? Nein, das war nicht möglich. Ihr habt einen schweren Unfall gehabt. Deshalb wird dein Vater herkommen. Schon morgen.«

      »Aber wo ist meine Mama denn?«

      Kurt sah, wie hilflos diese Frage Astrid machte. »Deine Mutter schläft noch. Sie ist auch verletzt.«

      »Schlimm?«

      »Ja«, gab Kurt dann zu. »Ihre Verletzungen waren schwerer als deine, aber glaub mir, sie ist in guten Händen.«

      »Dann… dann ist sie hier? Nicht am Gardasee?«

      »Ja, sie ist hier, Claudia.«

      Astrid strich über ihre Hand. »Ich werde bei dir bleiben, bis du eingeschlafen bist, Claudia. Keine Angst, ich lasse dich nicht allein.«

      »Danke«, hauchte die kaum hörbar, und schon senkten sich ihre Lider über ihre großen Augen.

      Kurt beugte sich über sie. »Und in meiner Kollegin Astrid wirst du eine richtige Freundin finden. Das weiß ich schon jetzt.«

      Er sah zur Uhr. »Ihr beide werdet es schon schaffen«, flüsterte er Astrid zu und verließ den Raum.

      *

      Fabian Ossiander zögerte seine Rückkehr aus Stuttgart um einen Tag hinaus. Unfähig, über seinen ersten Schmerz hinauszudenken und sich an seine Pflichten als Vater zu erinnern, gab er vor, zunächst an seine beruflichen Termine gebunden zu sein. Dabei ereilte ihn eine Krise, die ihn in ein abgrundtiefes schwarzes Loch aus Schuldgefühlen, Lebensangst und Verzweiflung stürzte.

      Ohne seine Ehefrau Annalena fühlte er sich plötzlich um alles, was er zum Leben brauchte, betrogen. Was wurde aus dem Gefühl des Geborgenseins, aus seiner häuslichen Ruhe, kurzum, aus allem, was das Fundament seines Alltags bildete? Womit hatte er dieses schreckliche Los verdient?

      Und weil er sich selbst bemitleidete, ertrug er die Wahrheit schon gar nicht. Er konnte sich nicht eingestehen, daß er Annalena lange nicht mehr geliebt hatte. Nun ja, sie hatte ihn nicht so bewundert wie andere Frauen, aber als treu ergebene Ehegattin war sie ihm immer zur Seite gestanden. Und das hatte er ihr gedankt. War das nicht Liebe genug?

      Und jetzt, so plötzlich aus der Ordnung seines Lebens gerissen, fürchtete er um seine geniale Musikalität und seine einmalige Schaffenskraft. Wankte nicht alles, was seinen Ruhm untermauerte?

      Aber da war ja noch Claudia, seine Tochter. Ihr zuliebe mußte er zurück, um ihren Schmerz zu teilen, um ihr beizustehen und ihr Mut zu machen.

      Als er in die Klinik eilte, warteten einige Reporter vor dem Eingang. Im ersten Schreck wollte er umkehren und die Flucht ergreifen. Schon der Gedanke, in der Presse könnte ein Foto von ihm erscheinen, das sein Gesicht älter und grauer als sonst zeigte, ließ ihn fast in Panik geraten.

      Zufällig beobachteten zwei Assistenzärzte die peinliche Szene. Sie eilten hinaus, jagten die Presseleute davon, nahmen Fabian in ihre Mitte und halfen ihm, sein Gesicht zu verhüllen.

      Minuten später blieb Fabian Ossiander nichts anderes übrig, als endlich vor Claudias Bett zu treten. Ihr Anblick und das Lächeln, mit dem sie ihn begrüßte, verlieh ihm tatsächlich etwas Kraft.

      Sein Töchterchen lebte, auch wenn sie für Wochen in der Obhut der Ärzte bleiben mußte. Und sie schenkte ihm ein glückliches Lächeln als Willkommen, weil sie ihn sehnlichst erwartet hatte. Noch wußte sie ja nicht, welch furchtbare Nachricht er ihr überbringen mußte.

      Man hatte Fabian den Mantel abgenommen und ihn in einen grünen Kittel gesteckt. Er mochte die Farbe nicht. Grün stand ihm einfach nicht. Darum nahm er sich den Kittel wieder ab. Damit gewann er kostbare Zeit, um sich Worte zurechtzulegen, die Claudias Schmerz mildern konnten.

      Dann kauerte er sich neben sie, umschloß ihren Kopf und ihre Schultern mit seinen Armen und flüsterte ihr Satz für Satz zu, bis sie die ganze, bittere Wahrheit erfahren hatte.

      Claudia konnte sich kaum bewegen. Trotz der Mittel, die sie bekam, spürte sie bei jeder noch so geringen Regung einen dumpfen oder ziehenden Schmerz, der sich von der Hüfte bis zum Fuß ihres linken Beines zog. Wie alle sehr jungen Menschen hatte sie schnell gelernt, mit ihrem jämmerlichen Zustand umzugehen. Aber jetzt, als sie wußte, daß ihre Mutter gestorben war, bäumte sich ihr Inneres auf. Ihr Atem ging schneller und wollte sich beim Stöhnen Erleichterung verschaffen. Und das Stöhnen verursachte eine schneidende Qual.

      Claudia reagierte darauf. Sie machte sich steif wie ein Brett. Nur ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Lippen bebten. Sie sah ihren Vater an und wollte schreien. Aber der Atem, den sie dazu brauchte, weitete ihre Lunge und die Dehnung ihres Brustkorbs war bis zur Hüfte zu spüren. So glich der körperliche Schmerz dem Leiden ihres kleinen Herzens. Sie hielt den Atem an, hob ihre Arme und bedeckte damit ihre Augen.

      Sie wollte nichts mehr sehen und nichts mehr fühlen. Die Trauer im Gesicht ihres Vaters stieß sie


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