Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
wird man durch besondere Ereignisse gezwungen, Pläne zu ändern«, gab Fee zu bedenken und setzte sich im Bett zurecht. Allmählich machte sie das tatenlose Herumliegen nervös, und sie sehnte sich nach ihrem gewohnten Leben zurück. »Egal, was man vorher beschlossen hat.«
»Mag schon sein.« Verlegen zupfte Tatjana mit den Zähnen an der Unterlippe. »Aber doch nicht stillschweigend. Manchmal hab ich das Gefühl, Danny spricht mit jedem, nur nicht mit mir.«
Allmählich ging Felicitas Norden ein Licht auf.
»Und darüber habt ihr gestritten?«
Tatjana nickte betreten.
»Ich glaub, ich hab mich nicht sehr freundlich ihm gegenüber verhalten. Aber ich war so wahnsinnig verletzt.« Dabei wirkte sie so zerknirscht, dass Fee unvermittelt lachen musste.
»Tut mir leid, meine Süße!« Immer noch lachend schüttelte sie den Kopf. »Ich fürchte, da sind zwei ganz schöne Sturköpfe aneinander geraten. Ihr müsst aufpassen, dass ihr über eurem Stolz nicht vergesst, was ihr aneinander habt.«
Tatjana nickte bedächtig und schickte Fee einen hoffnungsvollen Blick.
»Meinst du, du könntest bei Danny vielleicht ein gutes Wort für mich einlegen und ihm sagen, dass ich …« Ratlos hielt sie inne, und Fee schüttelte spontan den Kopf.
»Selbst ist die Frau! Denk einfach an die Liebe, die euch verbindet. An die besonderen Erlebnisse, die schönen und auch die schweren Stunden, die eure Beziehung zu dem gemacht haben, was sie ist. Zu etwas Besonderem. Dann braucht ihr mich nicht als Vermittlerin.«
»Meinst du wirklich?«
»Ja!«, erwiderte Felicitas mit fester Stimme und vertrieb damit auch noch den letzten Zweifel aus Tatjanas Herzen.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin«, erklärte sie zum Abschied und drückte innig Fees Hände, ehe sie aufstand. Sie wollte sich wieder auf den Weg in die Bäckerei machen, um Frau Bärwald zu beweisen, dass sie doch das Zeug zu ihrer Nachfolgerin hatte.
Felicitas sah der einsichtigen jungen Frau zufrieden nach. Immer wieder erinnerte Tatjana sie an ihre eigene Jugend, als ihre Liebe zu Daniel Norden noch genauso frisch gewesen war wie die der beiden jungen Leute.
»Ich halte große Stücke auf dich und bin sehr froh, dass du meinem Sohn hin und wieder Paroli bietest«, sagte sie, als Tatjana schon die Hand auf der Klinke hatte.
Die junge Bäckerin drehte sich noch einmal um und schickte der Mutter ihres Freundes einen dankbaren Blick. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ sie das Zimmer.
*
Als Danny Norden an diesem Mittag in die Klinik kam, lagen bereits die ersten Untersuchungsergebnisse seiner Patientin Else Unterholzner vor.
»Du hattest recht«, klärte Matthias Weigand den jungen Kollegen auf und deutete auf den Computerbildschirm. »Die Bilder zeigen ganz deutlich einen komplexen Meniskusriss. Je eher wir Frau Unterholzner operieren, umso größer sind ihre Chancen, ohne Folgeschäden davonzukommen.«
Danny lächelte grimmig. Das fiel ihm nicht weiter schwer, denn seine Stimmung war ohnehin auf einem Tiefpunkt angelangt. Seit dem Streit hatte er nichts mehr von Tatjana gehört, und er litt mehr unter ihrem Schweigen, als er sich selbst eingestanden hätte. Er vermisste sie schmerzlich. Doch wann immer er selbst den Hörer in die Hand nehmen und sie anrufen wollte, hörte er eine innere Stimme, die ihn an den eiskalten Rauswurf erinnerte, und er legte wieder auf. Um den Gedanken an Tatjana zu entfliehen, konzentrierte er sich wieder auf seine Arbeit.
»Weiß Frau Unterholzner schon Bescheid? Oder soll ich mich in die Höhle des Löwen wagen?«, fragte er.
»Wir wollten dir nicht zuvor kommen. Die Patientin gehört dir«, grinste Dr. Weigand und drückte Danny die Mappe mit den Unterlagen in die Hand. »Ich bring dich zu ihr. Liegt eh auf meinem Weg. Und wenn du schon mal da bist, kannst du Frau May gleich die Einverständniserklärung für ihre Operation unterschreiben lassen.« Er griff nach einem Blatt Papier auf dem Schreibtisch und legte es auf die Akte Unterholzner.
»Ich habe schon immer geahnt, dass du ein hilfsbereiter, selbstloser Mensch bist«, frotzelte Danny und folgte dem Kollegen zum Aufzug.
Jeder in seine Gedanken vertieft stiegen sie aus und wanderten den Flur hinab, als schon von Weitem gedämpftes Gezeter zu hören war.
»Und was war damals mit der Dachrinne? Du hast dich geweigert, dich an den Kosten für die Abdeckung zu beteiligen«, schimpfte Else Unterholzner ungeniert.
»Du hättest dein Geld in die Baumfällarbeiten stecken können. Dann hätten wir keine Laubfanggitter gebraucht«, setzte sich Ditte May ebenso energisch zur Wehr.
Dr. Weigand grinste schief und ließ Danny allein vor der Tür zurück. Er trat nicht sofort ein, sondern wartete noch einen Moment in der Hoffnung, dass der Streit ein baldiges Ende fand.
Trotz der Wände dazwischen klang Elses abfälliges Lachen schrill in seinen Ohren.
»Hast du wirklich gedacht, ich bin so blöd und finanziere dir deinen Gärtner?«, fragte sie schnippisch.
In diesem Moment wurde dem jungen Arzt schlagartig klar, dass er keine Wahl hatte. Entweder er wagte sich jetzt in die Höhle des Löwen oder der Streit würde den Rest des Tages andauern.
Beherzt hob er die Hand und klopfte an. Dann holte er tief Luft und betrat energisch das Krankenzimmer.
»Guten Tag, meine Damen. Wie geht es denn heute?«
Schlagartig verstummten die beiden Hyänen, und zwei blitzende Augenpaare musterten ihn.
»Machen Sie Witze?«, fragte Else sichtlich empört. Mit verschränkten Armen saß sie aufrecht im Bett und funkelte Danny ärgerlich an. »Wie soll’s einem in Gesellschaft dieser Schnepfe schon gehen? Haben Sie wenigstens Champagner und ein paar Cognac-Trüffel mitgebracht? Dann kann ich mir die Welt schön trinken und muss das hier nicht länger nüchtern ertragen.«
»Wir befinden uns hier in einer Klinik und nicht in einer Wellnessoase«, klärte Danny die anspruchsvolle Seniorin geduldig auf.
Doch davon wollte Else nichts wissen.
»Na wunderbar. Wenn ich bis jetzt noch nicht krank war, dann werde ich es spätestens hier.«
Diese Bemerkung kam Danny gerade recht.
»Leider hat sich mein Verdacht bestätigt und Ihr Aufenthalt in der Klinik hat durchaus seine Berechtigung«, erwiderte er und trat an ihr Bett. Er öffnete die Mappe und deutete auf den Ausdruck der Bilder, die Dr. Weigand extra angefertigt hatte. »Hier ist der verletzte Meniskus klar und deutlich zu erkennen …«
Doch davon wollte Else Unterholzner nichts wissen. Abrupt wendete sie sich ab und starrte demonstrativ in die andere Richtung.
»Ich sehe gar nichts.«
Ditte lachte hämisch auf, und Danny schüttelte unwillig den Kopf.
»Sie müssen mir schon eine Chance geben, den Sachverhalt zu erklären. Falls Sie immer noch an meiner Glaubwürdigkeit zweifeln: Die Diagnose stammt von den Kollegen. Ich bin nur der Bote.«
»Wurden die Überbringer schlechter Nachrichten früher nicht hingerichtet?«, kicherte Ditte May gut gelaunt.
Im Normalfall hätte Danny mit ihr gelacht. So aber ruhte all seine Aufmerksamkeit auf der störrischen Else.
»Ich will so schnell wie möglich hier raus. Das ist alles«, brummte sie und wirkte schon nicht mehr so energisch wie am Anfang.
»Daraus wird leider nichts. Wir sollten so schnell wie möglich operieren, damit Sie ohne Folgeschäden davonkommen.«
»Ausgeschlossen«, entfuhr es Else spontan. Sie war ganz blass geworden. »Ich … mir … mein Hals schmerzt schon die ganze Nacht. Sieht so aus, als hätte ich mir eine Erkältung eingefangen. Wahrscheinlich einer von diesen Krankenhauskeimen, von denen man so oft in der Zeitung liest.«