G.F. Barner Staffel 4 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
überfallen hat.«
»Und dann?«
»Was dann?« fragte er achselzuckend. »Militär können sie ihm nicht nachschicken. Sie können nicht viel tun, Maddalena.«
»Aber – etwas werden sie doch machen müssen?«
»Vielleicht«, sagte er gleichmütig. »Vielleicht schicken sie ein paar Spitzel los. Man sagt, sie belieferten Benito Juarez heimlich mit Waffen. Man sprach schon davon, als ich noch drüben war. Die Vereinigten Staaten wollen weder Franzosen noch Österreicher in Mexiko haben. Amerika den Amerikanern – also unterstützen sie Juarez. Vielleicht werden sie ihm melden, daß er für Ruhe hier an der Grenze zu sorgen hat. Damit sie nicht wieder Geld verlieren. Yankees reagieren immer ziemlich wütend, wenn es um ihr Geld geht!«
»Ihr denkt nur an Geschäfte, eh?«
»Das ganze Leben ist ein Geschäft. Es fängt mit deiner Geburt an – jemand verdient schon an dir, wenn du auf die Welt kommst – die Hebamme, danach eine Tuchfabrik, ein Kinderwagen – oder Wiegenhersteller, ein Schuhmacher… das ganze Leben ist ein Geschäft, verstehst du?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht, Louis, aber… du hast recht. Und – was werden sie Juarez schreiben?«
»Nun, daß er für Ruhe sorgen soll, wenn er weiter ihre Waffen bekommen will. Patronen, Kugeln – Kanonen!«
»Du meinst, Juarez könnte seine Truppen schicken, die dann nach uns suchen?« fragte sie bestürzt. »Aber – wir haben seine Leute doch noch nie angegriffen!«
»Er braucht seine Truppen in anderen Gegenden«, brummte Charlton. »Ich denke, wir müssen uns keine Sorgen machen.«
Er sah sich um – sie kamen weit hinten heran und ritten in den Fluß, den Munitionswagen brachten sie mit.
Nur die Gewehre fehlten noch. Hatte Felice Garcia erst Gewehre, würde es auch nicht mehr schwer sein, genug Bravados zu finden, die die Gewehre trugen. Es gab immer Unzufriedene und Entwurzelte genug, die bereit waren, einen Krieg auf eigene Faust zu führen und dabei Beute zu machen. Ein Handgeld und ein Gewehr – und Felice Garcia konnte eine Armee zusammenbekommen. Geld hatte er jetzt – fehlten nur noch die Gewehre.
*
Concho blinzelte zu der anderen Pritsche hinüber. Der Mann, der dort lag, hatte langes blauschwarzes Haar und ein Kopfband um die Stirn geschlungen. Zwischen ihnen reckten sich genau siebenundsechzig runde, matt glänzende Eisenstäbe bis an die Decke hoch.
»Aufstehen!« schrie der Sergeant der Wache zum zweitenmal. Und dann leiser, halb zwischen den Zähnen: »Ihr verdammten Hundesöhne – aufstehen!«
Concho sah, daß sich das linke Augenlid von Mattare träge hob. Der Chiricahua-Apache in der Nachbarzelle blinzelte nun genauso wie Concho Hurst. Er wollte sehen, was Concho tat. Und da Concho Hurst liegenblieb, als hätte er vor, einen gesunden und störungsfreien Schlaf abzuhalten, tat es auch der Chiricahua ihm nach.
Concho grinste dünn, als die Posten am Eingang zum Zellenblock von Fort Duncan salutierten und stramm wie Zinnsoldaten standen. Die Schritte kamen aus dem Vorraum, hielten einen Moment an – und eine tiefe, knarrende Kommandostimme knurrte: »Rühren!«
Die beiden Zinnsoldaten blieben trotzdem wie angeleimt stehen und starrten Löcher in die Luft, als der Mann in der blauen Uniform an ihnen vorbeiging. Erst hinter ihm erschlafften sie und stellten das linke Bein vor. Die Kolben ihrer Gewehre knallten klatschend auf den harten Zellengangboden.
Hinter dem untersetzten, stämmigen Major erschien das spitze, dreieckig wirkende Gesicht von Captain Hayes. Und wenn Concho Hurst sich gewünscht hätte, jemals einem Mann die Nase zu verbiegen, dann war es Hayes mit seinem zu langen, spitznasigen Riechorgan, das ständig wie der Rüssel eines Ameisenbären nach irgend etwas zu schnüffeln schien.
Hayes schnüffelte jetzt nicht. Es sah aus, als hinge seine überlange Nasenspitze traurig und voller Melancholie ein Stück tiefer herab. Der Captain machte ein verschlossenes Gesicht und hielt die Lider fast geschlossen. Seine scharfen grauen Mausaugen schienen mit Widerwillen die beiden Zellen und die zwei Delinquenten zu betrachten.
Major Forester blieb vor dem Gitter stehen, ließ den dritten Mann, den Sergeanten, vorbei und wartete, bis er aufgeschlossen hatte.
Concho blieb liegen, die Arme unter dem Nacken, irgendwo die Finger an jener Beule, die ein Gewehrkolbenhieb vor vier Tagen hinterlassen hatte. Das Kopfbrummen aber war immerhin schon vorbei.
»Concho!«
»Hallo«, sagte Concho müde und gähnte. Er hob lässig seine langen, schlanken Beine an, setzte sich und stand auf. Er wollte die Unhöflichkeit nicht gleich auf die Spitze treiben. »Hallo, Jim?«
Major Jim Forester trug ständig eine Reitpeitsche unter dem rechten Arm. Es war ein hartes, aus Büffelleder geflochtenes Ding, das zu Forester wie eine Uniform gehörte. Forester hatte zwei Jahre in Old England verbracht – und das einzige, was er neben militärischer Taktik an Wissen mitgebracht hatte, war jene Büffellederreitpeitsche gewesen. Natürlich auch die Angewohnheit britischer Offiziere, einen Stock unter der rechten Achsel eingeklemmt zu halten. Für Forester gab es nichts außer britischer Armeedisziplin. Und da er zusätzlich ein Jahr bei den Preußen gewesen war, schwor er auf deren Disziplin noch einige Stücke mehr. Forester konnte brüllen wie ein Löwe, stand jemals ein Pferd nicht genau neben dem Kopf eines anderen. Fand er einen Stiefel, der nicht ganz blank war, konnte es zu einer Katastrophe für den Mann kommen.
Mit Concho erhob sich in der Nachbarzelle der Chiricahua, aber genauso schlaksig und langsam.
»Concho!« knurrte Forester scharf. »Kaum ist man mal eine Woche fort, stellst du die schlimmsten Sachen an. Einem Mann fehlt das halbe Ohr, zwei liegen mit gebrochenen Gliedmaßen im Revier, drei machen Innendienst, und zwei haben heute noch Kopfschmerzen, ganz zu schweigen von Sergeant Mills Daumen, den hast du ihm ausgedreht!«
Nach dieser Aufzählung aller Schandtaten holte Forester erst einmal Luft. Den Moment nutzte Concho Hurst aus und sagte gleichmütig: »Er wollte mir den Daumen in die Nase stecken. Ich wollte ihm noch sagen, daß ein Daumen für ein Nasenloch zu dick ist, aber der Kerl hörte ja nicht auf mich. Tut mir leid, Jim!«
Forester stieß ein grimmiges Lachen aus.
»Tut dir leid – sieh mal einer an! Ein ganzer Zug ist nicht einsatzfähig, nur weil ihr zwei Schurken verrückt gespielt habt. Welcher Satan hat euch geritten?«
»Ein rothaariger, betrunkener Irensergeant«, berichtete Concho achselzuckend. »Er nannte Mattare einen stinkenden, verlausten und rothäutigen Hundesohn. Und dann trat er ihm in den Hintern.«
Forester stand einen Augenblick reglos in der Zelle, dann sah er sich nach Captain Hayes um.
»Captain«, schnarrte er sanft. »Davon steht aber nichts in dem Bericht. Es ist lediglich erwähnt, daß vielleicht einige beleidigende Worte zwischen dem Sergeanten und Hurst fielen. Von einem Tritt in den… habe ich nichts gelesen. Oder sollte ich nicht mehr sehen können?«
»Sir, ich dachte, die Einzelheiten…«
»Die Einzelheiten?« brüllte Forester plötzlich los, daß die Stäbe sich beinahe verbogen. »Captain, wenn man einem Indianer in den Hintern tritt und ihn eine lausige, stinkende Rothaut schimpft, dann ist es kein Wunder, wenn… Captain, darüber reden wir nachher noch! Concho, was passierte weiter?«
»Nun«, berichtete Concho Hurst gemütlich. »Der Tritt warf Mattare gegen einen anderen Irensohn. Der hielt zufällig sein gefülltes Glas in der Hand, aus dem etwas über den Rand schwappte, woraufhin der fromme Pilger den restlichen Inhalt Mattare genau zwischen die Augen goß. Danach wollte er ihn von vorn in den Bauch treten. Als er mit seinen krummen Beinen ausholte, sah ich, daß sein Stiefel ein Loch in der Sohle hatte. Ich wollte ihm sagen, daß er sich mit dem Sohlenloch nicht von seinem Major erwischen lassen dürfte und hielt den Stiefel ein wenig fest. Der arme Kerl fiel hin. Dabei kam sein linkes Ohr dem Sporn des Sergeanten zu nahe. Darum das halbe Ohr, Sir!«
Forester