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Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela ReutlingЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling


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wir nicht sofort zur Polizei gehen? Woher sollen wir das Geld nehmen? Wie gut, daß Sie gekommen sind, Marie-Luise.«

      Das Telefon schellte. Pat stand da, als wäre sie festgewachsen, als wäre sie nicht fähig, sich zu bewegen. Auch Franziska rührte sich nicht, sie sah nur Marie-Luise an.

      Die stürzte schon ins Haus, sie riß den Hörer von der Gabel, meldete sich.

      Die Stimme war natürlich verstellt, aber trotz des Dröhnens in ihren Ohren konnte Marie-Luise den Mann verstehen.

      »Wer sind Sie?«

      »Ich bin Marie-Luise Wagner. Sagen Sie Ihre Bedingungen.«

      Er nannte eine Summe. »Den Kindern geschieht nichts, so lange Sie sich genau nach unserer Anweisung richten. Das Geld bringen Sie morgen früh zum See. Sie kennen den Platz. Sie haben mit den Kindern dort ein Picknick gehalten.«

      Eine unheimliche Ruhe überkam Marie-Luise. Es war, als legte eine fremde Hand einen schützenden Mantel über sie. Es mußte auch eine fremde Macht sein, die ihr die Worte eingab.

      »Jetzt hören Sie mir zu. Hören Sie sehr gut zu.« Marie-Luises Stimme klang hart, schneidend. »Ich hole alles Geld, was ich auf dem Konto habe. Ich fahre sofort los und dann komme ich zum See. Nicht morgen, heute. Sofort. Am Geld liegt mir nichts, das können Sie haben, aber ich warne Sie. Krümmen Sie den Kindern auch nur ein Haar, fügen Sie zu diesem Verbrechen noch ein anderes hinzu, denn gnade Ihnen Gott. Ich habe Freunde in der ganzen Welt. Ich werde nicht ruhen, bis ich Sie gefunden habe, und all meine Freunde, meine mächtigen, einflußreichen Freunde helfen mir dabei. Es gibt in der ganzen Welt nicht einen Winkel, in dem Sie sich verstecken können. Ich finde Sie.

      Ihre einzige Chance ist, sich genau an meine, hören Sie, an meine Anweisung zu halten. Wenn es schnell geht, haben auch Sie die besten Chancen zu entkommen.

      Ich fahre sofort los. Ich lege das Geld in eine Tasche und lege die Tasche unter den Eichenbaum. Er steht direkt am Weg. Aber ich bleiben neben der Tasche stehen, bis ich die Kinder sehe. Ich bin unbewaffnet, bin ich aber in einer Stunde nicht zurück, wird die Polizei alarmiert, und wir hetzen Sie wie einen Hasen.

      Haben Sie alles verstanden? Werden Sie sich daran halten?«

      Stille. Marie-Luise glaubte entsetzt, daß er aufgelegt hatte. Pat und Franziska standen da wie Gespenster.

      »Ja. In einer Stunde?«

      »Gut.«

      »Und keine Polizei? Woher weiß ich, daß Sie die Wahrheit sagen?«

      »Mein Wort muß Ihnen genügen. Außerdem bleibt Ihnen gar keine Wahl. Ihre einzige Chance ist die Schnelligkeit.«

      »Aber kommen Sie allein.«

      »Natürlich komme ich allein.«

      Es klickte in der Leitung, dann legte auch sie den Hörer auf. Sie starrte auf ihre Hand, sie zitterte so sehr, als gehörte sie ihr gar nicht.

      »Wollen Sie das wirklich tun?« flüsterte Franziska entsetzt. »Sie können sich doch unmöglich in diese Gefahr begeben.«

      Die Zunge lag wie ein dicker, leb­loser Stein Marie-Luises Mund, die Kehle war ihr so eng, daß sie kaum atmen konnte.

      »Marie-Luise«, flüsterte Pat erstickt. Sie preßte die Hände vor ihren Mund, als hätte sie Angst zu schreien. »Ich muß Max erreichen.«

      Sie war schon an der Tür, es war ein Wunder, daß die Beine ihr gehorchten.

      »Nein«, rief sie leidenschaftlich. »Tun Sie das nicht. Er würde wie ein Irrsinniger nach Hause rasen. Warum sollen wir ihn in Panik versetzen. Der Mann hat Angst, das hörte ich genau an seiner Stimme. Diese Menschen sind Feiglinge, der Mann wird froh sein, wenn er die Sache hinter sich hat.«

      Sie rannte durch den Garten, sie riß die Autotür beinahe aus den Angeln. Mit aufheulendem Motor brauste sie davon, daß die Vögel, die friedlich im Baum gehockt hatten, laut protestierend davonflogen.

      »Wollen wir nicht doch die Polizei verständigen?« überlegte Franziska nervös. Natürlich hatte sie Angst um die Kinder, aber es wurmte sie auch, daß diese Marie-Luise den ganzen Ruhm ausschöpfen konnte, wenn die Sache glückte.

      »Sie liebt die Kinder wirklich«, flüsterte Pat und hörte gar nicht, was die andere sagte. »Nur wer liebt, kann sich in eine solche Gefahr begeben. Ich habe ihr solches Unrecht getan.«

      *

      In der Sparkasse wurde Marie-Luise schnell bedient. Natürlich wollte der Kassierer, der sie gut kannte, wissen, ob etwas vorgefallen war.

      »Ich will darüber nicht sprechen«, erklärte Marie-Luise mit steinernem Gesicht. Ohne Aufsehen zu erregen, stopfte sie das Geld in die Tasche und saß schon wieder im Wagen, bevor der Mann hinter dem Schalter richtig Luft bekommen hatte.

      Sie fuhr schnell, aber konzentriert. Du kannst dir keinen Unfall leisten, hämmerte sie sich ein. Nimm dich zusammen, Disziplin ist alles.

      Sie erreichte den Wald, sie hatte keinen trockenen Faden am Körper, und doch war sie äußerlich vollkommen ruhig. Hier auf dem Platz hatte sie mit den Kindern gesessen und Trudes Picknickkorb leergefuttert. Hier hatten sie gespielt und über jede alberne Kleinigkeit gelacht.

      Wie totenstill es war. In den Wipfeln der Bäume wisperte der Wind, es klang, als raunten Gespenster. Die Sonne hatte sich hinter einem Wolkenberg versteckt. Unheimlich, unbeweglich, wie feindliche Krieger standen die hohen Bäume in ihrem eigenen Schatten. Sogar die Vögel gaben keinen Laut von sich.

      Marie-Luise stand einen Augenblick unbeweglich. Natürlich hatte sie Angst, große Angst sogar. Aber die Angst um die Kinder war größer als die Angst um sich selbst.

      Sie legte die Tasche unter den Baum, etwas streifte ihre Wange, sie zuckte zusammen und hätte beinahe aufgeschrien. Aber es war nur ein Zweig.

      Keine Angst zeigen, hämmerte sie sich ein. Es war gut, daß Disziplin Marie-Luises Stärke war. Es gelang ihr sogar, aufrecht, langsam, als wäre sie die Ruhe in Person, zu den Sträuchern hinüberzugehen.

      Sie würde diese Minuten, die sich zu einer Ewigkeit dehnten, nie vergessen. Ihre Sinne waren bis zum Äußersten gespannt, jedes Geräusch nahm sie wahr.

      Sie hörte ein Rascheln… sie stand stocksteif, versuchte, die dichten Büsche mit den Augen zu durchdringen.

      Ein Zweig knackte… Schritte… einen winzigen Augenblick verspürte sie den verzweifelten Wunsch davonzulaufen, sich in Sicherheit zu bringen.

      Aber der Gedanke flog so schnell davon, wie er gekommen war. Eine Bewegung in ihrem Rücken, sie drehte sich blitzschnell um, sah einen Mann in gebückter Haltung zu der Tasche rennen, er verschwand auf dem Weg, er lief, als gelte es, sein Leben zu retten. Ich Närrin! Marie-Luise heulte vor Wut und Verzweiflung. Sie haben mich reingelegt.

      Sie hieb wie wild auf die Sträucher ein, zerteilte die dicht ineinanderverschlungenen Zweige, sie wußte nicht, was sie machen sollte. Sie war irr vor Angst, nicht um sich. Um die Kinder. Wohin mochten diese Unmenschen sie geschleppt haben?

      Das Geräusch drang durch Marie-Luises Weinen. Ein Schatten flog über den Weg, stürzte auf sie zu.

      Dagobert.

      »Dagobert, Dagobert«, schluchz­te sie. »Such. Such sie. Such sie!« Sie rief laut und verzweifelt. Vielleicht brachte sie die Kinder dadurch in eine noch größere Gefahr. Aber sie konnte sich nicht mehr beherrschen.

      Dagobert bellte wie wild, sein Bellen klang heiser, außer sich, ging in ein Wimmern, in ein Heulen über.

      Er kam zu ihr zurück. Bellte, wie nur ein Hund bellen konnte, der Angst um geliebte Menschen hatte.

      Er rannte auf ein wirres Gestrüpp zu und verschwand darin. Marie-Luise bückte sich, sie konnte nichts sehen, so dicht waren die Zweige. Sie zerkratzten ihr Gesicht, rissen an ihren Haaren.

      Und dann sah sie die beiden. Man hatte sie an einen Baum gebunden und ihnen den Mund zugeklebt. Aber die


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