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Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela ReutlingЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling


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Es war eine Sportart, die er zum Ausgleich seiner Bürotätigkeit betrieb. Ihr helles Lachen war ihm aufgefallen, ihr Schwung, ihre Fröhlichkeit. All dies war ihm zu jener Zeit abgegangen.

      Sie hatte seine Nähe gesucht, ja, sie hatte ihm sehr deutlich gezeigt, daß er ihr als Mann gefiel. Es war schon erstaunlich, wie junge Frauen heutzutage die Initiative ergriffen. Sie vermochte ihn aufzuheitern, und sie ging auf ihn ein, wenn sie sich gelegentlich im Clubhaus bei einem Drink unterhielten. Als Angestellter in einem großen Reisebüro wurden ihr für den Urlaub Flüge in ferne Länder geboten, darüber konnte sie in amüsanter Weise erzählen. Es war nie langweillig mit ihr.

      Schließlich hatte er genommen, was sich ihm verführerisch und bereitwillig anbot: Einen roten Mund, der sicher schon oft geküßt worden war, ein junges Geschöpf, das nur darauf wartete, daß er es endlich in seine Arme nahm.

      Und diese hübsche Liaison linderte doch tatsächlich den Schmerz um Francescas Verlust, füllte die Leere wieder aus, die ihr Fortgang hinterlassen hatte.

      Francesca hatte er geliebt. Er hätte alles darum gegeben, sie zu halten. Aber sie war in ihr Heimatland Brasilien zurückgekehrt, nachdem sie, als angehende Ärztin, ein Praktikum an der hiesigen Universitätsklinik gemacht hatte. Sie hatte ihren Aufenthalt seinetwegen noch verlängert, bis sie sich endlich doch losreißen mußte.

      »Ich kann nicht hier leben, Mathias«, hatte sie, ein Kind des Südens, verzweifelt gesagt. »Es ist kalt hier. Auch die Menschen sind kalt. Sie bauen Mauern um sich auf, in ihren Herzen, ihren Köpfen. Laß mich gehen.«

      Schwer war der Abschied für beide gewesen. Ein Abschied, der endgültig sein sollte. Francesca hatte es so gewollt. Er mußte sich damit abfinden.

      War es nicht seltsam, daß ihm im Hin und Her seiner Gedanken die schmale dunkelhaarige Frau in den Sinn kam, die ihm vorige Woche über den Weg gelaufen war? Wie mochte diese Geschichte weitergegangen sein? Er zweifelte kaum daran, daß ihr Versteckspiel bald ein Ende gefunden hatte.

      Sicher war sie inzwischen wieder zu Hause, der Junge bei seinem Vater, dem er zugesprochen worden war.

      Ob er sie einmal dort anrufen sollte? Es mochte ihr zeigen, daß nicht jeder seines Berufsstandes ohne menschliches Mitgefühl war.

      Mathias nahm das Telefonbuch zur Hand. Es war ganz neu, nach dem letzten Stand. Rodenbach… Deren gab es mehrere. Aber da stand, ohne Angabe der Adresse, Rodenbach, J. Sie hieß Julia. Er wollte es versuchen. Es war halb neun vorbei. Wohl eine etwas ungewöhnliche, aber doch nicht unmögliche Zeit für einen Anruf.

      Tatsächlich meldete sie sich bald.

      »Hier ist Mathias Walden«, sagte er. »Sie erinnern sich –?«

      »Aber ja«, antwortete sie überrascht.

      »Ich mußte eben an Sie denken, Frau Rodenbach. Haben Sie Ihr Söhnchen wieder hergeben müssen?«

      »Noch am selben Tag. Schon am Nachmittag kam sein Vater, um ihn zu holen. Es war nur ein kurzes, ein gestohlenes Glück.«

      Wie traurig ihre Stimme klang!

      »Sie hätten sich das denken können«, bemerkte Mathias.

      »Sicher. Aber es gibt eben Situationen, da setzt das Denken aus, und man folgt nur noch seinem Gefühl.«

      »Ich verstehe schon. Es muß sehr bitter für Sie sein.«

      Julia schwieg. Es war ein müdes Schweigen. Dann sagte sie: »Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie sich danach erkundigen, Herr Walden. So läutete doch wenigstens das Telefon einmal.«

      »Sind Sie denn ganz allein?« fragte er bestürzt. »Haben Sie keine Angehörigen, keine Freunde?« Als sie wiederum zögerte, fuhr er rasch fort: »Verzeihen Sie, wenn ich zu persönlich werde. Wir kennen uns ja kaum. Aber vielleicht könnte man das ändern?«

      Warum glaubte er auf einmal, einer unglücklichen Seele helfen zu müssen? Mathias, der Menschenfreund, so hatten ihn schon seine Kommilitonen mit leisem Spott genannt.

      »Wir könnten uns treffen, irgendwo noch etwas trinken«, schlug er vor. »Eine kleine Ablenkung würde Ihnen sicher guttun.«

      »Treffen, jetzt noch?« wunderte sich Julia. Daß er sie überhaupt wiedersehen wollte! Wo sie ihn doch an jenem Morgen nur aufgehalten hatte.

      »So spät ist es ja noch nicht. – Wo wohnen Sie denn, Frau Rodenbach?«

      »Gartenstraße 22«, antwortete sie mechanisch. »Aber…«

      »Ich hole Sie ab, wenn es Ihnen recht ist«, sagte Mathias, bevor sie weitere Einwendungen erheben konnte. »In spätestens einer halben Stunde bin ich bei Ihnen. Bis dann.«

      Also, die bequemen Hausschuhe gegen Straßenschuhe vertauschen, Jacke anziehen, den Wagen wieder aus der Garage holen. Bis zur Gartenstraße war es ein ganzes Stück quer durch die Stadt.

      Was war ihm da nur eingefallen! Daß er doch immer die Nöte anderer zu den seinen machen mußte. Es würde noch ein weiter Weg sein, bis er so abgebrüht war wie mancher seiner Kollegen. Wenn es ihm denn überhaupt jemals gelang.

      Julia nahm ein schlichtes blaues Kostüm aus dem Schrank. Sie wunderte sich immer noch. Wo wollte er denn nur mit mir hingehen? Auf jeden Fall waren Jeans und ausgeweitete Pulli für den Abend nicht passend.

      Als sie umgekleidet war, sich vor dem Spiegel ein Hauch von Farbe auf die Wangen tupfte und die Lippen nachzog, war sie doch ganz froh, daß sie noch einmal herauskam aus der Wohnung, in der sich den ganzen Tag nichts gerührt hatte. Auch wenn sie sich mit einem beinahe Fremden traf, der sie weiter nichts anging. Umgekehrt war es ja ebenso. Um so erstaunlicher, daß er sie wiedersehen wollte.

      Da klingelte es auch schon…

      Höflich war Mathias Walden ausgestiegen, er begrüßte sie mit einem festen Händedruck. Sie fuhren zu einem Restaurant, das mäßig besetzt war und eine angenehme Atmosphäre aufwies. Sie kannten es beide nicht, doch sie fanden, daß sie gut gewählt hatten.

      »Ich war lange nicht mehr unter Menschen«, sagte Julia, sich umsehend.

      »Dann wurde es ja Zeit«, meinte Mathias. Er bestellte bei der jungen Serviererin, die zu ihnen an den Tisch trat, eine halbe Flasche Wein, einen leichten, spritzigen.

      »Ich unternehme überhaupt nichts mehr«, bekannte Julia, wie unwillig über sich selbst. »Ich lebe immer nur dem Tag entgegen, an dem mein Kind zu mir kommt.« Sie legte die Hände vor sich auf dem Tisch zusammen. »Deshalb bereue ich auch nicht, daß ich Florian ›entführt‹ habe, wie man das unter diesen Umständen bezeichnet. So hatte ich ihn doch ein paar Tage für mich.«

      »Es ist erstaunlich, daß man Ihnen nicht schon früher auf die Spur kam. Ihr geschiedener Mann wußte doch sicher von dieser Verwandten. Daß er Sie nicht gleich dort gesucht hat.«

      Julia schüttelte den Kopf. »Sie wußten kaum etwas voneinander. meine Kusine mochte ihn nicht, sie vermied die Begegnung mit ihm. Ich habe mich gut mit Anette verstanden, immer schon. Aber sie ist jetzt auch für längere Zeit in Amerika«, schloß sie verloren.

      Nachdenklich blickte Mathias auf seine Begleiterin. Er hatte sie an dem Morgen nur gehetzt und in tiefer Erregung erlebt. Jetzt wirkte sie verhalten und von einem stillen Ernst. Mit einem Leidenszug um den Mund, für den sie zu jung

      war.

      »Aber, wenn ich auf meine Frage von vorhin noch einmal zurückkommen darf, gibt es denn keine Menschen hier, die für Sie da sind?«

      Julia machte eine Kopfbewegung. »Es liegt wohl an mir, daß ich kaum noch Kontakte habe. Man belastet andere nicht gern mit seinem eigenen Unglück.« Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas und setzte es langsam zurück, ohne die Lider zu heben.

      »Haben Sie keine Freundin? Wahre Freundschaft trägt den Kummer des anderen doch mit.«

      »Doch. Eine sehr liebe Freundin sogar. Aber sie ist beruflich mit ihrem Mann so eingespannt, daß sie nur sehr wenig Zeit für mich hat.« Sie sah in das helle, funkelnde Naß in ihrem


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