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Mami Staffel 9 – Familienroman. Stephanie von DeyenЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 9 – Familienroman - Stephanie von Deyen


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Kind jene Liebe fehlen, die nur eine Mutter geben konnte. Nirgends würde die Kleine wirklich eine Heimat haben. Sie würde nicht so geborgen und sorglos aufwachsen wie andere Kinder. Konnte er daran etwas ändern?

      Wenn er Maurena heiratete, waren ihm die Hände gebunden. Er konnte zwar finanziell für das Kind sorgen, aber ein Zuhause konnte er ihm nicht geben.

      Es fiel nicht auf, daß Mike mit seinen Gedanken woanders war, denn auch Maurena war nicht bei der Sache. Sie plapperte zwar wie üblich, doch ihre Überlegungen galten dem Anruf vom Nachmittag.

      *

      Emely streckte die Ärmchen, als sich Mike ihrem Bettchen näherte. »Auf, auf«, bettelte sie, und in den dunklen Kinderaugen spiegelte sich Hoffnung.

      »Wir haben das Kind gefüttert und umgezogen«, erklärte die Betreuerin stolz, denn Emely sah in den aus Spenden stammenden Kleidungsstücken richtig süß aus.

      Zuvor war Mike bei der Heimleiterin gewesen, hatte brav alle an ihn gestellten Fragen beantwortet und durfte nun seinen kleinen Schützling für den Rest des Tages mitnehmen. Es wurden ihm auch noch drei Windeln und eine Milchflasche mitgegeben. Mike packte alles ins Auto und setzte Emely in den gemieteten Kindersitz. Sie ließ sich das gern gefallen, zappelte aufgeregt und leierte ihr »Da-da-da« herunter.

      Mike fuhr raus aus der Stadt, dem Gebirge zu. Nun überlegte er doch, welche Route der Bus heute nehmen würde. Zu dumm, daß er nicht danach gefragt hatte. Granada war geradezu ein Muß für Touristen. Vielleicht traf er Katja mit ihrer Reisegruppe dort.

      Am Vormittag rief sie ihn an und berichtete, daß sie die Adressen von drei privaten Kinderheimen habe, die alle recht gut seien. Bevor die Behörden die Genehmigung für Emelys Übersiedelung geben würden, seien aber noch verschiedene Unterschriften und eine persönliche Vorsprache beim Vormundschaftsgericht nötig. Es klang nicht besonders ermutigend. Näheres wollte Katja ihm morgen sagen, wenn sie ihren freien Tag hatte. Die Reisegäste blieben dann im Club, der verschiedene Freizeitaktivitäten anbot oder sie unternahmen Ausflüge auf eigene Faust.

      Das Autofahren wurde Emely bald langweilig. Sie reklamierte, indem sie zu weinen begann.

      An diese Möglichkeit hatte Mike schon gedacht und vorsorglich ein Spielzeug besorgt. Es war ein weißes Stoffhäschen mit schwarzen Knopfaugen und rosarotem Näschen. Mike drosselte das Tempo und gab das weiche Knuddeltier nach hinten. »Hier, das ist für dich!«

      Emely blinzelte, stellte ihr Weinen ein und griff nach dem Geschenk. Sie betrachtete es von allen Seiten und steckte eines der langen Ohren in den Mund. Im Rückspiegel beobachtete Mike immer wieder die Kleine, und je öfter er das tat, um so mehr kam er zu der Überzeugung, daß er dieses Kind auf keinen Fall im Stich lassen durfte.

      Als sie in Granada ankamen, schien die Sonne und sorgte für frühlingshafte Temperaturen. Mike stellte den Leihwagen vor dem Schloß auf dem Parkplatz ab und bemerkte sofort, daß der Bus mit den deutschen Reisegästen nicht da war. Trotzdem beschloß er, die Burg aus dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert zu besichtigen. In dieser Jahreszeit gab es nur wenige Besucher und keine Warteschlangen.

      Mike nahm das Kind auf den Arm und spazierte mit ihm durch die prächtig ausgestatteten Räume. Doch Emely interessierte sich nicht für maurisch-islamische Kunst. Die wundervoll verzierten Decken, die phantasievoll gestalteten Säulen und die geschichtsträchtigen Hallen waren ihr gleichgültig. Sie schlug mit dem Hasen um sich und strampelte ungeduldig mit den stämmigen Beinchen.

      Nur die Wasserbecken in den Höfen und Ziergärten gefielen Emely. Hier patschte sie selig ins Wasser, und Mike mußte sie festhalten, damit sie nicht hineinfiel.

      Er hätte die herrliche Ornamentik gern noch etwas genossen, doch davon wollte Emely nichts wissen. Richtig ungemütlich wurde sie. Ihr Protestgeschrei hallte durch die hohen Räume, und Mike beeilte sich, nach draußen zu kommen.

      Erst jetzt wurde ihm klar, daß es Zeit war, Emelys Windeln zu wechseln. Er hatte zugeschaut, wie Katja das getan hatte, und es sah ganz leicht aus. So einfach war es für

      Mike dann allerdings doch nicht. Er packte das Kind aus und legte es samt frischer Windel auf den Rücksitz des Autos. Das Kunststück bestand nun darin, die Windel um den kleinen Körper zu bringen und die Klebeverschlüsse zu befestigen. Bei Katja hatte das sofort geklappt.

      Mike versuchte es mehrmals, aber es wollte einfach nicht gelingen. Erschwerend war, daß die Kleine keinerlei Interesse daran zu haben schien, wieder eingepackt zu werden. Sie bewegte sich unbekümmert und hielt keinen Augenblick lang still. Immer wieder platzten die Klebeverschlüsse auf, weil die Spannung zu groß wurde.

      Der ungeübte Betreuer schwitzte. »Bleib doch mal liegen, einen Augenblick nur!« bat Mike erschöpft. Emely dachte gar nicht daran. Das neue Spiel machte ihr Spaß. Sie kicherte wie ein kleiner Kobold, wenn Mikes Bemühungen immer wieder scheiterten. Raffiniert wie eine echte kleine Eva trickste sie ihn aus, richtete sich auf und entkam seinem Griff. Sie quietschte vergnügt, wenn er erneut nach ihr faßte und warf mit dem Stoffhasen nach ihm.

      Für Mike war der Spaß weniger groß. Es bestätigte sich, was er schon von Anfang an gewußt hatte: in Kinderbetreuung war er eine Niete.

      Als Mike in seiner gebückten Haltung bereits Rückenschmerzen bekam und einen Krampf im angewinkelten Bein, gelang endlich sein Vorhaben. Er zog Emely die Latzhöschen wieder hoch und schloß sorgfältig alle Knöpfe. Trotzdem sah das später nicht mehr so ordentlich aus wie zuvor. Das lag daran, daß Mike die Seiten verwechselt hatte. Was nach vorne gehörte, war hinten und umgekehrt.

      Emelys guter Laune tat das keinen Abbruch, und Mike bemerkte den Irrtum nicht. Er als Mann hatte einfach kein Gespür für solche Kleinigkeiten.

      Emelys Bewegungsdrang ließ sich nicht länger eindämmen. Sie wollte laufen, und Mike nahm sie vorsorglich am Händchen und führte sie langsam durch die schmalen Gassen der Altstadt. Hier roch es bereits verlockend nach den verschiedensten Gerichten. Mike betrat mit dem Kind ein Speiselokel und hob Emely in einen Hochstuhl, wie sie hier für kleine Leute bereitgehalten wurden. »Was möchtest du?« fragte er, die Speisekarte studierend. Was da angeboten wurde, wußte er selbst nicht richtig, denn sie war in spanischer Sprache abgefaßt. »Albondigullas oder stofado? Alverjas oder lieber calabaza? Wie wär’s mit arroz con leche? Soviel ich weiß, ist das Milchreis. Das essen doch kleine Mädchen wie du, oder?«

      Mike wartete Emelys Zustimmung nicht ab, sondern bestellte. Daß es nicht das Richtige war, merkte er, als er seinem Schützling den ersten Löffel Reis in den Mund steckte. Emely kostete und spuckte alles wieder aus. Der süße Brei war nicht nach ihrem Geschmack. Dagegen sah sie begehrlich auf Mikes Teller mit Steak und gebackenen Kartoffeln. Ihr kleiner Finder deutete hinüber. »Hm, hm.«

      »Du meinst, das wäre dir lieber?« Mike zerdrückte die Kartoffeln und zerschnitt das Fleisch in winzige Stückchen, um sie nach und nach der kleinen Emely in den Mund zu schieben. Jetzt schluckte sie zufrieden.

      Die Ruhe hielt allerdings nicht lange vor. Dann war Emely satt, preßte die Lippen zusammen und schüttelte das Köpfchen. Schläfrig hing sie in ihrem Sitz und sah mißmutig zu, wie Mike die Reste des Essens verzehrte. Ihre Geduld war allerdings sehr begrenzt. Dann drängte sie lautstark zum Aufbruch.

      Mike wußte, daß Kleinkinder nachmittags schliefen. Also breitete er eine Decke im Fond des Wagens aus und legte Emely darauf. Es war angenehm schattig und trotzdem nicht zu kühl. Die Kleine war allerdings anderer Ansicht. Für sie war das alles viel zu ungewohnt, um schlafen zu können. So klein Emely auch war, hatte sie doch rasch herausgefunden, daß Mike auf ihr Schreien ängstlich reagierte. Also wandte sie das bewährte Mittel an.

      Etwas ratlos nahm Cramer das Kind wieder hoch. Er schaukelte es beruhigend in seinen Armen und summte eine Melodie. Das gefiel Emely schon besser. Sie sah aufmerksam hoch, griff nach Mikes Ohren und verwuschelte seinen dichten blonden Schopf.

      In diesen Minuten wurde ihm bewußt, wie schön es doch war, so ein kleines Wesen behüten und beschützen zu dürfen. Er entschloß sich, Emelys Pflegevater zu werden, falls sich ihre Mutter nicht mehr meldete. Was Maurena dazu sagen würde, war ihm in diesem Moment ziemlich


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