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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.

Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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      »Ja, Anna! Aber Regen muss es auch geben. Alle wollen immer Sonnenschein haben – immer! Aber wo soll dann das Grundwasser herkommen? Dann würden die Quellen versiegen und die schönen Gebirgsbäche austrocknen, und Almen mit saftigem Gras würde es auch nimmer geben.«

      Toni lachte.

      »Als ich die Tage bei den Eltern unten im Dorf war, da lief bei der Mutter in der Küche der Fernseher. Es kam gerade die Wettervorhersage. Was haben die einen Schmarrn geredet, weil es jetzt einige Tage ein bissel feucht werden würde! Ich dachte bei mir, sind die denn alle deppert? Der Wettermoderator hat sich bei den Zuschauern für die Vorhersage des leichten Regenwetters indirekt entschuldigt. So ein Spinner!«

      Anna lachte.

      »Toni, rege dich nicht auf!«

      »Ich rege mich net auf. Mich wundert nur manchmal die Dummheit der Menschen. Weißt, früher, da waren die Leut’ zufriedener, denke ich oft. Sie nahmen an, wie es kam, das Wetter genauso wie die Höhen und Tiefen des Lebens. Heute wollen sie nur noch Höhen. Sie wollen immer höher hinauf. Alles muss noch größer, noch schöner, noch prächtiger und noch teurer und moderner sein. Diese Höhenflieger gehen mir manchmal gewaltig auf die Nerven.«

      »Sie werden es noch lernen, Toni. Jeder Mensch muss seine Erfahrungen machen. Die meisten lernen aus Erfahrungen. Andere sind wie Ikarus, der immer höher hinaus wollte und schließlich der Sonne zu nahe kam. Das nahm dann ein böses Ende. Religion, Geschichte, Legenden und Mythen geben den Menschen viele Beispiele dafür, was gut und richtig ist und was nicht so gut ist. Aber jeder Mensch muss für sich selbst entscheiden. In Hamburg habe ich als Bankerin meistens nur mit Menschen zu tun gehabt, für die nur das Geld zählte. Sie wollten nur mehr und immer mehr. ›Sie waren hinter dem Geld her, wie der Teufel hinter einer armen Seele‹, so sagt der Volksmund. Sie waren nie, niemals zufrieden. Sie waren süchtig nach Geld wie ein Suchtkranker. Sie waren auf der Suche nach vollkommener Zufriedenheit und dachten, sie stellte sich ein, wenn sie noch mehr Geld haben.

      Toni, ich sage dir, sie haben die Zufriedenheit nicht gefunden. Aber es war ihr Leben. Ich mache meinen ehemaligen Kunden keinen Vorwurf. Ich verurteile sie nicht. Jemanden für seinen Lebensentwurf und seine Lebensziele zu verurteilen, dazu hat kein anderer Mensch ein Recht. Ich sage dir aber, aus heutiger Sicht habe ich Mitleid mit ihnen. Sie werden das schöne Gefühl, das wir beide in unseren Herzen spüren, nie erleben. Es sind bedauernswerte Geschöpfe. Weißt du, jeder braucht ein Einkommen, keiner sollte hungern oder frieren.

      Doch jeder sollte eine Balance finden zwischen dem, was notwendig ist, um sein Leben zu bestreiten, dem, was möglich ist und dem, was die Lebensqualität verringert, wenn man genau hinschaut.«

      Anna streichelte Toni die Wange.

      »Toni, du und ich, wir können daran wenig ändern. Was du und ich tun können, das tun wir. Wir bieten hier auf der Berghütte eine Idylle.«

      Anna lächelte Toni an.

      »Toni, die Anzahl der Hüttengäste steigt stetig an. Das heißt, dass immer mehr Menschen die alten Werte suchen. Auch wenn sie in ihrem täglichen Leben immer weniger die alten Werte leben können, um so mehr genießen sie den Aufenthalt bei uns auf der Berghütte.«

      »Ja, so ist es! Deshalb habe ich auch darauf bestanden, dass die Berghütte nicht modernisiert wird und dass es keine Straße herauf gibt und nicht ständig elektrischen Strom aus der Steckdose. Weißt, Anna, ich denke, für viele ist die Berghütte ein wirklicher Zufluchtsort. Hier können sie Kraft schöpfen.«

      »Ja, so ist es! Und die Erinnerung an den Aufenthalt bei uns in den Bergen, der gibt ihnen ein tröstliches Polster für den Alltag, wenn sie wieder daheim sind. Sie füllen hier ihr Herz mit Freude und Kraft an.«

      Sie gingen hinaus. Anna schaute in der Küche nach dem Hefeteig. Sie wollte Apfelkuchen backen. Toni ging hinter die Berghütte und hackte Holz.

      *

      Burgl war draußen auf der Terrasse. Sie räkelte sich auf der Sonnenliege und las einen Roman. Es war ein alter Roman, der in den Bergen spielte. Burgl genoss es. Der Leidenschaft, Kitschromane zu lesen, wie ihr Lebenspartner Jochen diese Literatur bezeichnete, frönte sie nur, wenn er nicht da war. Burgl, die seit Jahren in Berlin lebte und als freie Grafikerin arbeitete, litt unter Heimweh.

      Sie war in Waldkogel geboren und dort aufgewachsen. Ihr Vater arbeitete in Kirchwalden. Mit sechzehn Jahren war sie mit ihren Eltern nach Berlin gezogen, weil ihr Vater dort eine sehr gute Arbeit gefunden hatte. Sie hatte ihr Abitur gemacht und Grafik und Design studiert. Jetzt stand bald ihr dreißigster Geburtstag an. Burgl hatte für sich ganz im Stillen Bilanz gezogen. Sie war nicht unglücklich, aber glücklich war sie auch nicht. Auf der einen Seite lebte sie in einer Beziehung, aber sie verspürte auf der anderen Seite seit einiger Zeit eine stetig wachsende Leere, eine tiefe innere Einsamkeit. Ihrem Heimweh konnte sie sich nur hingeben, wenn Jochen fort war. Sonst träumte sie nachts von Waldkogel und ihrer Kindheit, schwieg aber Jochen gegenüber bewusst über ihre nächtlichen Träume und ihre Tagträume.

      Burgl sehnte sich nach einer Familie. Sie wäre bereit, Jochen zu heiraten. Doch Jochen wehrte jedes Mal ab, wenn Burgl vorsichtig das Thema anging.

      »Was willst du? Uns geht es doch gut! Wozu noch einen Trauschein? Wir sind erwachsene Menschen mit Zielen. Unser Leben funktioniert doch gut«, hatte er jedes Mal gesagt.

      Burgl kannte diese Sprüche schon auswendig. Es schmerzte sie. Trost fand sie in den Heimatromanen. Sie stellte sich beim Lesen vor, die Geschichten spielten in den Bergen, in ihrer Heimat, die sie so vermisste.

      Burgl hatte es nicht geschafft, sich von Jochen zu lösen. Er war sehr gutaussehend, eben ein Mann wie aus einem Modemagazin für Männer. Viele waren hinter ihm her gewesen. Es war schmeichelhaft für Burgl gewesen, dass sie ein Paar wurden. Jochen war Juniorpartner in einem erfolgreichen Architekturbüro, das sich bundesweit einen Namen gemacht hatte. Er arbeitete sehr viel, und Burgl hatte als Freiberuflerin dafür auch Verständnis. Aber die romantischen Abende wurden immer seltener. Schon bald waren sie zusammengezogen und hatten gemeinsam diese Penthouse-Wohnung über den Dä­chern der Stadt gekauft. Im ersten Jahr hatten sie gemeinsam die Sonnenuntergänge auf der Terrasse genossen. Jetzt war Burgl sehr oft alleine.

      Burgl, die mit vollem Namen Burghilde Luckner hieß, ließ ihr Buch sinken und hörte in sich hinein. Die weibliche Romanfigur hatte sich gefragt, ob sie den Burschen liebte.

      »Liebe ich Jochen noch?«, flüsterte sie vor sich hin.

      Sie erschrak selbst über ihre Worte. Ihr Herz fing an zu klopfen. Burgl wusste nicht warum. War es das freudige Pochen der Liebe? Oder kam es von dem Schreck, den die Frage bei ihr ausgelöst hatte?

      Sie dachte an Jochen, hörte in sich hinein. Sie verglich ihn mit den anderen Männern, die sie vor Jochen gekannt hatte. Diesen Vergleich entschied der smarte Jochen für sich. Aber so verliebt wie am Anfang bin ich nicht mehr, wurde ihr plötzlich bewusst. Diese Erkenntnis war ihr einfach so gekommen.

      Warum ist das so?

      Was hat sich in meinem, in unserem Leben geändert?

      Geht es allen Paaren so, die länger zusammen sind?

      Vielleicht ist es ganz normal, dass es so ist, dachte sie. Die Schmetterlinge fliegen nicht mehr so schnell.

      Liebe ich ihn, weil ich ihn lieben will oder liebe ich ihn, weil ich ihn wirklich liebe?

      Burgl stand auf und ging in die Küche. Sie holte sich einen Saft aus dem modernen Kühlschrank, der auch Eiswürfel spendete. Jochen hatte darauf bestanden, ihn zu kaufen. Jochen hat im Prinzip all seine Wünsche bei der Wohnungseinrichtung durchgesetzt, bis auf ihr Studio. Barfuß wanderte Burgl durch die Räume. Sie waren sehr geschmackvoll eingerichtet. Doch es war irgendwie Jochens Heim, nicht das ihre. Es gab teure moderne Kunst, die Burgls Seele nicht berührte.

      Burgl erkannte plötzlich, dass es an Wärme fehlte, an Gemütlichkeit, an Leben. Alles war steril und kalt. Ihre Gedanken wanderten wieder zurück in die schöne Zeit der Kindheit. Die Häuser mit den weit vorgezogenen Dächern, die im Winter gegen Schnee


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