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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.

Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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Enttäuschung zum Beispiel. Sie werden mit dem, was ihnen widerfahren ist, nicht fertig. Sie ziehen sich dann zurück. Sie gehen vielem aus dem Weg, weil es zu viel für sie ist. Sie wollen keine neuen Leute kennenlernen. Sie meiden Neues auf jede erdenkliche Art und Weise, weil sie noch so mit ihren eigenen Gedanken belastet sind, dass in ihrem Kopf…, und wohl auch in ihrem Herzen …, kein weiterer Raum für etwas anderes ist. Es kann auch vorkommen, dass sie davonlaufen wie der Florian damals. Vielleicht war der Schmerz über den Verlust seiner geliebten Mutter so groß, dass er es in Waldkogel nicht mehr ausgehalten hat, weil ihn alles an sie erinnerte. Jeder Mensch hat seine eigene Art, Trauer zu verarbeiten, das gilt auch für Wut, für Enttäuschung, das gilt für jedes Erlebnis, das ein Mensch haben kann und es schließt Freude und auch die Liebe ein.«

      »Warum ist das nur alles so kompliziert?«

      Ella Waldner schmunzelte.

      »Weil das Leben an sich nicht einfach ist. Und es ist doch auch gar nicht so schlecht. Woran soll der Mensch sonst reifen? Nur wer Freude, Liebe, Glück, Hoffnung auf der einen Seite und Trauer, Enttäuschung, Leid auf der anderen Seite kennenlernt, der kann reifen und wachsen. Nur so kann der Mensch Erfahrung sammeln, und das Leben meistern. Das Leben ist immer ein Auf und ein Ab. Es gibt im Leben Berge und Täler, wie bei unseren schönen Bergen hier. Wir haben den schönen ›Engelssteig‹ und auf der anderen Seite gegenüber das ›Höllentor‹. Beide sind Berge, hoch und mächtig. Der eine steht für das Gute, den Glauben und die Hoffnung und der andere Berg macht Angst. Er steht für das Böse, den Satan, das Leid und den Kummer.«

      »Ich kenne die Legenden der beiden Berge. Meine Eltern fuhren schon immer hierher in Urlaub. Wir wohnten jedes Jahr bei den Baumberges. Die Meta hat mir viele Geschichten erzählt vom ›Engelssteig‹ und dem ›Höllentor‹. Es ist wirklich eine schöne Geschichte von den Engeln auf dem ›Engelssteig‹, wie sie über eine Leiter jede Nacht hinauf in den Himmel steigen und die Wünsche, Sehnsüchte und Gebete der Menschen hinaufbringen.«

      »Ja, das sind schöne Geschichten, und wir hier in Waldkogel glauben daran. Vieles was geschehen ist, kann man sich nur so erklären.«

      Ella Waldner sah Saskia an.

      »Saskia, ich erzähle dir jetzt etwas. An dem Tage, als Florians Mutter starb, stand über dem Gipfel des ›Höllentors‹ eine große tiefschwarze Wolke. In der Nacht, als sie starb, ging ein schreckliches Unwetter über Waldkogel nieder. Es blitzte und donnerte, als fegte der Leibhaftige durch die Straßen. In allen Häusern brannten auf den Fensterbänken die schwarzen Gewitterkerzen. Es war schlimm.«

      Saskia sah Ella Waldner an.

      »Schauerlich! Puh! Grauslig!«

      Saskia fuhr sich mit den Händen über die Arme. Sie hatte Gänsehaut.

      »Fast könnte man denken, der Satan sei persönlich aus der Tür auf dem Gipfel vom ›Höllentor‹ gekommen, um sich die Seele von Florians Mutter zu holen«, sagte Saskia leise.

      Ihr schauderte.

      »Das haben damals viele hinter vorgehaltener Hand gesagt, und noch mehr haben es gedacht. Aber ich denke, dass es nicht so ist. Dem Florian seine Mutter war eine brave Frau, ehrlich, hilfsbereit, freundlich und fromm.«

      »Es muss für Florian doppelt schlimm gewesen sein, dass seine Mutter in so einer Nacht gestorben ist. Der arme Florian! Es muss schrecklich für ihn gewesen sein.«

      Vielleicht ist er deshalb davongelaufen, weil er Angst hatte, vor irgendetwas Angst hatte, überlegte Saskia.

      »Wie lange wirst du hier in Waldkogel bleiben?«

      Saskia zuckte mit den Schultern.

      »Ich kann bis zum Herbst bleiben, bis das Wintersemester anfängt. Ich kann so viele Reportagen schreiben, wie ich will. Ob ich allerdings so lange auf der Basler-Alm bleibe, weiß ich nicht. Ich will noch einige Tage dort bleiben. Doch wenn Florian weiterhin so ablehnend ist, dann wird es besser sein, zu gehen. Ich bin wegen Florian dort. Ich wollte ihm nahe sein. Vielleicht war es falsch? Vielleicht gehört er zu der Sorte Mann, die selbst ein Madl erobern will und es nicht verträgt, wenn das Madl zu deutlich sein Interesse zeigt.«

      »Die Frage kann ich dir nicht beantworten, dazu habe ich den Florian zu lange nicht mehr gesehen. Aber es gibt Männer, die so sind. Da stimme ich dir zu. Es gibt auch Männer, die nicht sehr spontan sind. Sie machen sich viele Gedanken, bis sie auf ein Madl zugehen, besonders wenn sie erkannt haben, dass es die große Liebe ist.«

      »Ella, das ist alles sehr kompliziert mit der Liebe. Wenn ich mir überlege, was ich in der Schule alles gelernt habe, höhere Mathematik, mehrere Sprachen und … und … und … Aber was man für das Leben wirklich gebrauchen kann, das lernt man nicht. Es gibt kein Unterrichtsfach Liebe.«

      Ella Waldner lachte.

      »Des kann es auch nicht geben, weil die Liebe verschieden ist. Sie ist bei jedem Menschen, bei jedem Paar anders. Es gibt keine Regeln, keine Formel für die Liebe. Sie ist eine Himmelsmacht, die über die Menschen ausgeschüttet wird.«

      »Dann muss man sehen, wie man damit fertig wird! Da wird einem etwas über den Kopf geleert wie ein Eimer Wasser. So, dann sieh mal zu, wie du damit zurecht kommst! Das ist nicht fair, Ella. Da blickst du eines Tages in zwei Augen und spürst, dass es die Augen sind, die du gesucht hast – wobei du das nur unterbewusst wusstest. Dein Herz schlägt, der Puls rast, du bekommst kaum noch Luft, du vergisst fast zu atmen.«

      »Ja, das ist die Liebe!«

      »Das dachte ich auch! Doch wie soll es weitergehen?«

      »Rede mit ihm! Es ist eine moderne Zeit. Es ist nicht so, wie es früher war. Da war es für ein Madl schon ein bisserl kompliziert, bis es herausgefunden hatte, was der Bursche für es empfindet. Meistens hat das Madl es über einen Dritten in Erfahrung gebracht. Heute ist das einfacher. Rede mit Florian! Schaffe klare Verhältnisse. Dann weißt du, woran du bist. Entweder gesteht er dir seine Liebe, oder ihr schafft es, eine Freundschaft aufzubauen. Das ist auch eine Möglichkeit.«

      »Ich habe auch schon daran gedacht, dass er vielleicht eine Freundin hat, irgendwo. Er könnte sogar verheiratet sein. Wer weiß?«

      »Kläre es, Saskia. Das kannst du nicht mit mir, auch wenn du noch so lange mit mir redest. Wirkliche Rede und Antwort kann dir nur Florian selbst geben.«

      Ella Waldner stand auf.

      »Es ist spät, Saskia. Ich habe noch einen weiten Weg bis zu meiner Kate im Wald. Ich bin auf meinen Füßen nimmer die Schnellste. Also mache ich mich jetzt auf den Weg. Besuche mich, wann du willst. Dann reden wir über Kräuter. Dazu sind wir jetzt nicht gekommen.«

      »Es war ein schönes Gespräch, Ella! Danke!«

      Ella Waldner streichelte Saskia die Wange.

      »Du schaffst das schon! Das Leben stellt jeden immer und immer wieder vor neue Aufgaben. Es bringt nichts, vor etwas davonzulaufen oder nicht die Fragen zu stellen, die zu beantworten sind.«

      Ella Waldner ging fort. Saskia räumte den Tisch ab. Sie setzte sich noch eine Weile unter den Baum und dachte nach über das Gespräch mit Ella über Florian und über sich selbst.

      Die Sonne ging langsam unter. Das Vogelgezwitscher verstummte. Die Nacht hatte sich über Waldkogel gelegt.

      Saskia ging zu ihrem Motorrad und fuhr zurück zur Basler-Alm.

      *

      Als Saskia auf der Basler-Alm ankam, saßen Florian und Hubertus vor der Almhütte.

      »Guten Abend«, grüßte Saskia. »Sind heute wieder neue Kälber geboren worden?«

      »Naa, heute noch net! Aber bei einigen Kühen muss es bald soweit sein«, sagte Hubertus. »Wir haben eine große Dose Eintopf heiß gemacht. Es ist noch etwas übrig.«

      »Danke, Bauer! Ich bin nicht hungrig. Ich habe schon gegessen. Wo ist Teddy?«

      Hubertus und Florian grinsten.

      »Der überhäuft dich mit Geschenken!«


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