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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max WeberЧитать онлайн книгу.

Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber


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Charakters ist jedoch, daß »Dinge«, da sie stets individuell sind, nicht in Begriffe eingehen, sondern nur »angeschaut« werden können: ihre Erkenntnis ist also nur »künstlerisch« möglich. Ein »Begriff« von etwas Individuellem ist contradictio in adjecto, und die Geschichte, welche das Individuelle erkennen will, ist eben deshalb »Kunst«, d.h. eine Aneinanderreihung von »Intuitionen«. Denn ob eine Tatsache unsres Lebens »wirklich war« – worauf es ja der Geschichte allein ankommt –, lehrt keine begriffliche Analyse, sondern allein die »Reproduktion der Anschauungen«: – »Geschichte ist Gedächtnis«, und die Urteile, welche ihren Inhalt ausmachen, enthalten, als bloße »Einkleidung des Eindrucks einer Erfahrung«, keinerlei »Setzung von Begriffen«, sondern sind nur »Ausdrücke« von Anschauungen. Es kann daher die Geschichte Gegenstand »logischer« Bewertung gar nicht werden, denn die »Logik« befaßt sich nur mit (Allgemein-)Begriffen und ihrer Definition162.

      Solche Aufstellungen sind die Konsequenz folgender naturalistischer Irrtümer: 1. Daß nur Relationsbegriffe, und – da die Relationsbegriffe der unmittelbaren Alltagserfahrung selbstverständlich genau so viel »Anschauung« enthalten wie irgendein Dingbegriff163 – nur Relationsbegriffe von absoluter Bestimmtheit, d.h. aber: in Kausalgleichungen ausdrückbare Relationsbegriffe überhaupt »Begriffe« seien. Ausschließlich mit solchen Begriffen aber arbeitet nicht einmal die Physik. – 2. Die damit zusammenhängende Behauptung, daß »Dingbegriffe« keine »Begriffe« seien, sondern »Anschauungen«, ist die Folge des Ineinanderschiebens verschiedener Bedeutungen der Kategorie der »Anschaulichkeit«. Wie die anschauliche Evidenz des mathematischen Lehrsatzes etwas anderes ist als die für die »Erfahrung« unmittelbar gegebene, »in« und »außer« uns erlebte und erlebbare »Anschaulichkeit« des Mannigfaltigen – »kategoriale« Anschauung im Gegensatz zur »sinnlichen« nach Husserls Terminologie164 –, so ist das Crocesche Ding und insbesondere auch das Lippssche Ding kat? ??????: das »Ich«, so, wie es die empirische Wissenschaft anwendet, etwas gänzlich anderes als der »erlebte«, zu einer rein sinnlich oder gefühlsmäßig anschaulichen »Einheit« zusammengeflossene und als solche durch »Gedächtnis« oder »Ichgefühl« psychologisch zusammengehaltene Komplex von Bewußtseinsinhalten. Wo die empirische Wissenschaft eine gegebene Mannigfaltigkeit als »Ding« und damit als »Einheit« behandelt, z.B. die »Persönlichkeit« eines konkreten historischen Menschen, da ist dieses Objekt zwar stets ein nur »relativ bestimmtes«, d.h. ein stets und ausnahmslos empirisch »Anschauliches« in sich enthaltendes gedankliches Gebilde, – aber es ist gleichwohl eben ein durchaus künstliches Gebilde165, dessen »Einheit« durch Auswahl des mit Bezug auf bestimmte Forschungszwecke »Wesentlichen« bestimmt ist, ein Denkprodukt also von nur »funktioneller« Beziehung zum »Gegebenen« und mithin: ein »Begriff«, wenn anders dieser Ausdruck nicht künstlich auf nur einen Teil der durch denkende Umformung des empirisch Gegebenen entstehenden und durch Worte bezeichenbaren Gedankengebilde beschränkt wird. – Schon deshalb ist natürlich auch: 3. die weitverbreitete und von Croce akzeptierte Laienansicht durchaus irrig, als ob die Geschichte eine »Reproduktion von (empirischen) Anschauungen« oder ein Abbild von früheren »Erlebungen« (des Abbildenden selbst oder anderer) sei. Schon das eigene Erlebnis kann, sobald es denkend erfaßt werden soll, nicht einfach »abgebildet« oder »nachgebildet« werden: das wäre eben kein Denken über das Erlebnis, sondern ein nochmaliges »Erleben«166 des früheren oder vielmehr, da dies unmöglich ist, ein neues »Erlebnis«, in welches das – für eine denkende Betrachtung sich stets als nur relativ begründet herausstellende – »Gefühl« mit »eingeht«, »dies« (d.h. einen unbestimmt bleibenden Bestandteil des als präsentes »Erlebnis« Gegebenen) schon einmal »erlebt« zu haben. Ich habe an anderer Stelle – ohne übrigens selbstredend damit irgend etwas »Neues« zu sagen – dargelegt, wie auch das einfachste »Existenzialurteil« (»Peter geht spazieren«, um mit Croce zu exemplifizieren), sobald es eben »Urteil« sein und sich als solches »Geltung« sichern will – denn das ist die einzige in Betracht kommende Frage –, logische Operationen voraussetzt, welche allerdings nicht die »Setzung«, wohl aber die konstante Verwendung von Allgemeinbegriffen, daher Isolation und Vergleichung, in sich enthalten. Es ist eben – und damit kommen wir zu Gottls Ausführungen zurück – der entscheidende Fehler aller jener, leider auch von Fachhistorikern so sehr oft akzeptierten Theorien, welche das spezifisch »Künstlerische« und »Intuitive« der historischen Erkenntnis, z.B. der »Deutung« von »Persönlichkeiten«, als das Privileg der Geschichte ansehen, daß die Frage nach dem psychologischen Hergang bei der Entstehung einer Erkenntnis mit der gänzlich andern nach ihrem logischen »Sinn« und ihrer empirischen »Geltung« verwechselt wird. Was den psychologischen Hergang des Erkennens anbetrifft, so ist die Rolle, welche der »Intuition« zufällt, dem Wesennach – wie schon oben ausgeführt – auf allen Wissensgebieten dieselbe, und nur der Grad, in welchem wir uns alsdann bei der denkenden Formung der allseitigen begrifflichen Bestimmtheit nähern können und wollen, ein je nach dem Erkenntnisziel verschiedener. Die logische Struktur einer Erkenntnis aber zeigt sich erst dann, wenn ihre empirische Geltung im konkreten Fall, weil problematisch, demonstriert werden muß. Erst die Demonstration erfordert unbedingt die (relative) Bestimmtheit der verwendeten Begriffe und setzt ausnahmslos und immer generalisierende Erkenntnis voraus, – was beides eine gedankliche Bearbeitung des nur »eingefühlten« Mit- oder Nacherlebens, d.h. seine Verwandlung in »Erfahrung«, bedingt167. Und die Verwendung von »Erfahrungsregeln« zum Zweck der Kontrolle der »Deutung« des menschlichen Handelns ist dabei nur dem alleroberflächlichsten Anschein nach von der gleichen Prozedur bei konkreten »Naturvorgängen« geschieden. Dieser Anschein entsteht dadurch, daß wir, infolge unserer an der eignen Alltagserkenntnis geschulten Phantasie, bei der »Deutung« menschlichen Handelns die ausdrückliche Formulierung jenes Erfahrungsgehaltes in »Regeln« in weiterem Umfang als »unökonomisch« unterlassen und also die Generalisierungen »implicite« verwenden. Denn die Frage, wann es für »deutend« arbeitende Disziplinen irgendwelchen wissenschaftlichen Sinn hat, aus ihrem Material, also dem unmittelbar verständlichen menschlichen Sich-Verhalten, im Wege der Abstraktion für ihre Zwecke besondere Regeln und sog. »Gesetze« zu bilden, ist freilich durchaus davon abhängig, ob dadurch für die deutende Kausalerkenntnis des Historikers bzw. Nationalökonomen bezüglich eines konkreten Problems brauchbare neue Einsichten zu erwarten sind. Daß dies der Fall sein müsse, ist schon wegen der geringen Schärfe, außerdem aber wegen der Trivialität der überwältigenden Mehrzahl der so zu gewinnenden Erfahrungssätze nicht im allergeringsten generell selbstverständlich. Wer sich veranschaulichen will, welche Früchte die bedingungslose Durchführung des Grundsatzes der Aufstellung von »Regeln« zeitigen würde, der lese etwa die Werke von Wilhelm Busch. Seine drolligsten Effekte erzielt dieser große Humorist gerade dadurch, daß er die zahllosen trivialen Alltagserfahrungen, die wir überall in unzählbaren Verschlingungen »deutend« verwenden, in das Gewand wissenschaftlicher Sentenzen kleidet. Der schöne Vers aus »Plisch und Plum«: »Wer sich freut, wenn wer betrübt, macht sich meistens unbeliebt« ist, zumal er das Gattungsartige des Vorgangs sehr korrekt nicht als Notwendigkeitsurteil, sondern als Regel »adäquater Verursachung« faßt, ein ganz tadellos formuliertes »historisches Gesetz«. – Sein Gehalt an Erfahrungswahrheit ist als geeignetes Hilfsmittel der »Deutung« z.B. der politischen Spannung zwischen Deutschland und England nach dem Burenkriege (natürlich neben sehr vielen andern, vielleicht wesentlich wichtigeren Momenten) gänzlich unbezweifelbar. Eine »sozialpsychologische« Analyse derartiger politischer »Stimmungs«-Entwickelungen könnte nun ja selbstverständlich unter den verschiedensten Gesichtspunkten höchst interessante Ergebnisse zutage fördern, die auch für die historische Deutung solcher Vorgänge, wie des erwähnten, den erheblichsten Wert gewinnen können, – aber was eben ganz und gar nicht feststeht, ist, daß sie ihn gewinnen müssen, und daß nicht im konkreten Fall die »vulgärpsychologische« Erfahrung vollkommen genügt und also das auf einer Art naturalistischer Eitelkeit beruhende Bedürfnis, die historische (oder ökonomische) Darstellung möglichst überall mit der Bezugnahme auf psychologische »Gesetze« schmücken zu können, im konkreten Fall ein Verstoß gegen die Oekonomie der wissenschaftlichen Arbeit wäre. Für eine grundsätzlich das Ziel der »verständlichen Deutung« festhaltende »psychologische« Behandlung von »Kulturerscheinungen« lassen sich Aufgaben der Begriffsbildung von logisch


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