Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
davon war Jenny Lenz überzeugt. Dirk Holzmann hatte das längst unter Beweis gestellt.
»Dann schauen Penny und Jenny mal gemeinsam in den Spiegel«, antwortete sie.
»Sie heißen Jenny, das ist lustig«, sagte Penny, und allein das Lächeln, das ihre wunderschönen Zähne entblößte, verwischte das andere, was nicht so erfreulich war.
Penny zeigte sich sehr gefasst, als sie in den Spiegel blickte. »Bei Männern sind Schmisse ja interessant«, meinte sie skeptisch.
»Das wird noch korrigiert«, erklärte Jenny schnell. »Man kann heutzutage auf diesem Gebiet wahre Wunder vollbringen.«
»Ich möchte aber die Penny bleiben, die Dirk mag«, entgegnete sie leise. »Ich müsste wohl richtiger sagen, ich möchte sie wieder werden.«
»Sie sind sie geblieben, Penny Holzmann«, sagte Jenny mit fast mütterlicher Zärtlichkeit. »Optimistisch und tapfer.«
»Timmy wird schon ein bisschen kritisch schauen«, bemerkte Penny nachdenklich.
»Kinder reagieren ganz anders, als man allgemein annimmt. Tim war der Verband fremd, aber die paar kleinen Narben wird er übersehen, wenn Sie mit ihm lachen.«
»Sie verstehen es zu trösten«, murmelte Penny leise. »Aber wie wird es ausschauen, wenn die Gipsverbände herunter sind, Jenny Lenz?«
»Ein bisschen dünn, glaube ich«, erwiderte Jenny im gleichen Ton. »Aber das werden Sie auch schnell aufholen. Sie haben gesundes Blut, das haben wir nachgewiesen.«
»Und ein dickes baltisches Fell. Mein Vater war nämlich Balte. Das ist ein robuster Menschenschlag.« Penny lächelte zaghaft.
Sie macht sich selber Mut, dachte Jenny. Wie gut das ist. Wer sich aufgibt, ist schon halb verloren. Penny Holzmann gibt bestimmt nicht auf. Sie wird aus jedem Dilemma einen Weg finden. Vor genau acht Tagen hatte man ihr kaum noch eine Chance gegeben, und nun zeigte sie schon wieder Humor. Dabei konnte man sie wahrhaftig nicht robust nennen und von einem dicken Fell konnte schon gar nicht die Rede sein, aber viel innere Kraft und sehr viel Glauben steckten in dieser kleinen Frau.
»Ich würde mich ja viel wohler fühlen, wenn ich mal richtig baden könnte«, meinte Penny jetzt. »Das Schlimmste ist, dass ich so gar nichts selbst tun kann.«
Ja, das war für das früher so quicklebendige Geschöpf eine harte Geduldsprobe, und da konnte eine Woche schon unendlich lang werden, besonders jetzt, da ihr Geist schon wieder so rege war.
Aber beim Gesicht konnte man mit der Heilbehandlung schon anfangen. Dabei verging nicht nur die Zeit, sondern es war auch belebend und wohltuend. Danach war Penny entspannt und so richtig schön müde geworden, und sie schlief, bis Dirk kam, so fest, dass sie gar nicht hörte, dass er eintrat!
Ganz leise ließ er sich an ihrem Bett nieder, betrachtete ihr kleines Gesicht, von dem man nun schon ein bisschen mehr sehen konnte.
Seine geliebte kleine Penny, immer vergnügt war sie gewesen, niemals launisch. Was hatten sie nur für Spaß miteinander gehabt. Sie konnte sich über alles freuen wie ein Kind. Und wenn er sich manchmal tagsüber noch so ärgern musste, wenn er heimkam, war das vorbei. Sie zauberte alle Sorgen einfach weg. Wie sehr sehnte er sich danach, sie in seine Arme nehmen zu können.
Plötzlich schlug sie die Augen auf, diese großen, klaren grauen Augen, die keine Gefühlsregung verbergen konnten.
»Liebster Dirk«, flüsterte sie, »wie kann ich nur schlafen, wenn du bei mir bist?«
»Ich bin gerade erst gekommen, mein Allerliebstes.« Er küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze, dann auf die weichen Lippen. »Siehst ja schon ganz manierlich aus, mein Spatz.«
»Na, weißt du, begeistert bin ich nicht gerade«, meinte sie.
»In einer Woche wird es noch viel besser aussehen.«
»Wenn eine Woche doch nicht so endlos lang wäre«, klagte sie gedankenvoll. »Früher ist uns die Zeit immer so schnell vergangen.«
Früher! Als wäre es schon ewig her. Dirk musste sich höllisch zusammennehmen, um seinen Kummer nicht zu zeigen.
»Dr. Behnisch sagt, dass du ein Naturwunder bist. Also wirst du auch viel schneller wieder heimkommen, als jeder annimmt.«
»Wirst du mich noch so mögen wie früher?«, fragte Penny.
»Kannst du daran überhaupt zweifeln, mein Kleines? Ich liebe dich, Penny. Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt, aber erst jetzt weiß ich, wie sehr ich die liebe. Unser Haus ist so leer ohne dich.« Und wie leer wäre erst mein Leben ohne sie, dachte er.
»Was macht Tim?«, fragte Penny.
»Dem geht es gut. Er wird natürlich sträflich verwöhnt.«
»Er würde mich nicht vermissen«, sagte Penny leise.
»Das darfst du nicht sagen, Liebling.«
»Warum nicht. Es liegt in der Natur eines Kindes. Je jünger es ist, desto weniger bleibt in der Erinnerung haften. Wenn man so daliegen muss und nichts tun kann, denkt man über vieles nach, worüber man sich früher überhaupt keine Gedanken gemacht hat.«
»Ich denke bestimmt auch viel nach, Penny. Ich frage mich, warum das eigentlich sein musste. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich damals nicht den Umweg gemacht habe.«
»Das darfst du nicht. Es war mein Wille, dass wir mit dem Zug fuhren. Es war mir so bestimmt, Dirk. Es war alles zu heiter. Ich wäre wohl übermütig geworden. Das war ich schon.«
»Da muss ich aber widersprechen. Du bist mit den Füßen immer auf dem Boden geblieben.
»Aber mit den Gedanken schwebte ich in himmlischen Gefilden. Ich habe nie daran gedacht, dass uns etwas trennen könnte.«
»Uns wird nie etwas trennen, Penny«, sagte Dirk zärtlich.
»Wenn ich nun nicht mehr leben würde …«, aber sie konnte nicht weitersprechen. Seine Lippen legten sich ganz fest auf ihren Mund.
»Du sollst es nicht denken und nicht sagen, mein Liebstes«, flüsterte er heiser.
»Aber mit den Realitäten wirst du dich auch abfinden müssen, Dirk«, sagte Penny ernsthaft. »Vielleicht kann ich nicht mehr gehen, was wird dann?«
»Dann werde ich dich tragen. Schluss jetzt mit solchen Überlegungen. Dr. Behnisch hat gesagt, dass du die Tapferkeitsmedaille verdienst und dass du zäh bis wie eine Katze.«
»Na ja«, sagte Penny mit einem Lächeln, »eigentlich habe ich mir mein Gesicht auch schlimmer vorgestellt. Die Sommersprossen sind mir auch geblieben.«
»Gott sei Dank. Deine freche kleine Nase wäre sonst nur halb so hübsch.«
»Es wäre überhaupt viel schlimmer, wenn Timmi etwas geschehen wäre. Es wird mir nur ewig unbegreiflich bleiben, dass wir nicht beisammen waren, aber es ist wohl von der Vorsehung so bestimmt gewesen.«
Bis heute wusste Penny noch nicht, welche Ängste sie um Tim ausgestanden und wie lange sie ihn gesucht hatten, bis sie ihn hier lebend gefunden hatten. Und auch ihnen würde es ewig ein Rätsel bleiben, wieso er in der Nähe von Birgit Blohm gelegen hatte, die doch im Bus gefahren war und nicht im Zug.
*
Birgit machte an diesem Nachmittag schon einen kurzen Spaziergang mit Toby im Klinikpark. Sie fühlte sich zwar noch ein bisschen schwach, aber das rührte nicht von den Verletzungen her, sondern war noch eine Folge der schweren Wochen, die dem Unglück vorangegangen waren.
In ein paar Tagen sollte sie nun wieder in ein Sanatorium gehen, aber diesmal konnte sie ihren Jungen mitnehmen. Und was Dr. Behnisch ihr von der Insel der Hoffnung erzählt hatte, konnte keine angstvollen Gedanken in ihr wecken.
Frei von Depressionen war sie noch immer nicht. Insgeheim fürchtete sie, dass ihre Schwiegermutter irgendwann in der Tür stehen könnte, und deshalb wollte sie weg, so schnell und so weit wie nur möglich.