Zeit für Liebe. Diana RichardsonЧитать онлайн книгу.
beim Liebemachen wird unsere Aufmerksamkeit auch noch oft durch Gedanken an einen Orgasmus abgelenkt. Wenn du in deinem Körper aber präsent bist, fängst du an, ihn in seinen vielen Dimensionen wahrzunehmen: als einen wunderbaren Raum im Inneren, der ein Feuerwerk an Feinfühligkeit zu bieten hat.
Den Kopf „abschalten“
Wir bringen unseren Fokus von der Pheripherie zum Kern, vom äußeren Ausdruck zum inneren Eindruck, und das verstärkt die Feinfühligkeit unseres Körpers. Tantra bringt uns von der reinen Sexualität zurück zur Energie von Sex an sich. Heutzutage ist unsere Sexualität eher beliebig, und wir spüren nicht wirklich eine wahre sexuelle Kraft, denn unsere Gedanken sind zu einem immensen Bestandteil des Sexaktes geworden. Um zu der Unschuld und Natürlichkeit im Sex zurückzukehren, ist es gut, unsere ablenkenden Gedanken abzuschalten oder uns von ihnen zu distanzieren.
Eine Ablenkung, die heutzutage vielleicht am stärksten wirkt, ist die Fähigkeit des Gehirns, zu phantasieren. Sexuelle Phantasien sind für viele zum Motor ihres Sexlebens geworden. Oft phantasieren wir während des Liebemachens und sind bewusst nicht bei dem, was im Moment geschieht. Wir sind nicht bei unserem Partner hier und jetzt, sondern stellen uns gerade jemanden anderen vor oder eine andere Situation. So erleben wir gar nicht wirklich, was eigentlich im Körper vorgeht. Stattdessen benutzt der Verstand Phantasien, um den Körper anzutreiben oder überhaupt zu motivieren. Sexuelle Phantasien können zur Gewohnheit werden; es ist, als würden wir immer wieder dasselbe Programm abspulen.
Ich bin sicher, dass fast jeder von uns ein sexuelles Bild, sei es ein echtes oder ein Phantasiebild, benutzt hat, um sich zu erregen und nicht das Interesse am Sexakt zu verlieren. Meistens benutzen wir sexuelle Phantasien, um uns zum Orgasmus zu bringen, denn die Vorstellung hilft, den Höhepunkt zu erreichen. Das funktioniert wirklich bestens!
Unsere Vorstellungskraft ist ein wirkungsvolles Werkzeug, da sie effektiv und schnell zum Erfolg führt. Aber sexuelle Phantasien sind trotzdem nur eine große Ablenkung, denn sie entfernen uns vom wirklichen Geschehen und von demjenigen, mit dem wir gerade jetzt Liebe machen. Tantra ist weise und bezieht deshalb die Vorstellungskraft unseres Verstandes mit ein, indem es ihn darin bestärkt, sich auf den Körper zu beziehen. Die Vorstellungskraft kann nämlich dazu benutzt werden, feine Energiebewegungen im Körper anzuregen. Und das funktioniert, weil die Energie über kurz oder lang der Vorstellung folgt. Wir kennen das alle, und wir wissen, dass es funktioniert. Unsere Vorstellungskraft kann also statt zur Ablenkung als positives Instrument beim Sex genutzt werden. Wenn wir uns zum Beispiel Licht und Energie im Körper vorstellen, dann werden wir früher oder später das Gefühl bekommen, dass dies wirklich geschieht: eine Verbindung von Energie zwischen den positiven und negativen Polen (in und außerhalb von uns) entsteht, Energie, die vom Mann in die Frau strömt, oder die Frau, wie sie dieses Licht in sich aufnimmt, oder wie Energie vom Herz und den Brüsten oder vom Penis aus ausstrahlt. Man kann sich Energie als strömenden, goldenen Fluss vorstellen, als sich bewegendes, springendes Licht oder sogar wie einen Blitz.
Zur Unschuld zurückkehren
Vielleicht wirst du diese Energie am Anfang nicht so richtig erkennen; deine Bewusstheit wird dir helfen sie stärker werden zu lassen, und so kann Energie wachsen und sich ausdehnen. Manche Menschen „fühlen“ Energie leichter als andere. Wenn es dir nicht so leichtfällt, dann stell sie dir einfach vor, das hilft deinem Körper enorm. Egal wo du im Körper fühlst, dass sich Energie bewegt – deine Vorstellungskraft kann dir dabei helfen diese Erfahrung zu verstärken. So wird der Verstand genutzt, um die Bahn frei zu machen für die inneren Energiekreisläufe, die mit der Zeit immer dynamischer werden.
In dieser Verwandlung von der konventionellen Sexualität hin zum eigentlichen Sex, wenn der Körper wieder anfängt unschuldig zu werden, ist es gut sich daran zu erinnern, dass der erste Schritt darin besteht, sich seines Inneren bewusst zu sein, und der zweite Schritt, sich seiner Gedanken bewusst zu sein. Auch wenn wir beim Sex keine Phantasien benutzen, denken wir oft an alles Mögliche, und diese Gedanken sind potenziell destruktiv und beeinträchtig uns. Wenn wir uns unserer Gedanken bewusst werden – es sind etwa fünfzigtausend pro Tag –, sind wir überrascht, wenn wir feststellen, was sich so alles in uns abspielt. In den ersten Jahren meines „neuen“ Sexlebens, als endlich die ersehnte Art des Liebemachens passierte, war es ein Graus für mich, mich dabei zu ertappen, wie ich abschweifte und an etwas ganz anderes dachte. Ich konnte es kaum glauben, dass es dabei um etwas so Banales gehen konnte, wie etwa, wohin wir zum Essen gehen! Es fiel mir schwer, beim Sex total dabei zu sein.
Mittlerweile weiß ich, dass sexuelle Energie so subtil und sensibel ist, dass schon ein einziger plötzlicher und simpler Gedanke ausreicht, um den natürlichen magnetischen Fluss der Energien zu stören.
Schritt für Schritt gehen
Wenn wir die Aufmerksamkeit auf unseren Gedankenprozess lenken, geht es nicht darum, dass wir aufhören sollten zu denken. Das geht natürlich nicht! Wir denken nun einmal – und das ist das Problem. Gegen das Denken direkt können wir nichts tun, aber indirekt können wir es schon angehen. Das Wichtigste dabei ist, sich bewusst zu machen, dass man denkt und in einem Strom von Gedanken gefangen ist. Dadurch dass du das bemerkst, kommst du direkt wieder in die Gegenwart und machst „den Gedanken einen Strich durch die Rechnung“. Indem du einfach nur erkennst, dass du an etwas anderes gedacht hast, unterbrichst du das Denken und bist nicht mehr damit identifiziert. Das reicht, um in die Gegenwart zurückzukehren. Fange keinen inneren Dialog an, in dem du dich dafür runtermachst, weil du abwesend und nicht präsent gewesen bist. Komm einfach und schnell wieder in die Gegenwart zurück. Bleib im Moment, in der Körperlichkeit und Feinfühligkeit des Bewusstseins, bis du wieder merkst, dass du an etwas anderes denkst! Nimm es wahr, und komm sofort wieder in deinen Körper zurück.
Es ist ein Prozess, und das Wunder des Phänomens Bewusstheit besteht darin, dass du nichts zu tun brauchst, außer dir bewusst zu werden. Allein deine Gedanken zu beobachten und dir der körperlichen Muster bewusst zu werden, die damit verknüpft sind, bewirkt schon eine Veränderung. Der Verstand entspannt sich mehr, er ist zufrieden und im Einklang mit dem Körper, so als sei eine Brücke entstanden.
Wenn ihr euch als Paar auf die tantrische Reise machen wollt, macht euch klar, dass es um einen allmählichen Prozess geht. Es ist ein Bewusstseinswandel, keine plötzliche Veränderung oder etwa eine Technik. Du kannst es nicht tun, du kannst es nur sein.
Es ist ein stetiger Verfeinerungsprozess, durch den Stille entsteht – und das braucht seine Zeit. Es ist hilfreich, nicht große Veränderungen zu erwarten oder sofortige Ergebnisse – das funktioniert nicht.
Wirkliche Veränderung besteht aus zahlreichen, manchmal fast unsichtbaren kleinen Schritten, die sich im Körper verankern. Nimm die kleinen, weniger offensichtlichen Dinge wahr, die dir widerfahren: was du fühlst, wo du es fühlst, und welche Freude bringt das mit sich. Bewusst mit dem Körper und im Sex miteinander umzugehen bewirkt eine Transformation, wird zur Quelle der Liebe und erquickt deinen Körper, deinen Geist und deine Seele.
SCHLÜSSEL
Sich Geist und Körper bewusst zu sein transformiert das sexuelle Erlebnis in Liebe.
Lenke die Aufmerksamkeit von außen nach innen.
Dieser Fokus lässt eine „Erdung“ im Körper entstehen.
Indem du deine Körperempfindungen bewusst wahrnimmst, schaffst du Distanz zu deinen Gedanken.
Nutze deine Vorstellungskraft, um energetische Bewegungen zu verstärken und sich ausdehnen zu lassen.
ZURÜCK ZUR UNSCHULD – DIE LIEBESSCHLÜSSEL
Beim konventionellen Sex können wir unseren Körper mit einer offenen Blüte und ihren Blütenblättern vergleichen, die nach außen, in die Welt hinausgehen. Die Energie wird aus dem Zentrum nach außen gebracht, unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf den anderen.