Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
auch nicht direkt an den Herd stellte, sondern das der Köchin überließ, so sah sie auch da, wie ja überall, stets nach dem Rechten. Den servierenden Diener hatte sie soweit gedrillt, daß sie ihn mit den Augen dirigieren konnte.
Daß alles so vorzüglich klappte, dafür wäre eigentlich die Hausherrin zuständig gewesen. Allein, die machte sich das Leben leicht, war Gast im eigenen Haus.
Einige Tage später betrat Wiederbach das Wohnzimmer, wo man sich vollzählig eingefunden hatte, weil es kurz vor dem Abendessen war. In dem weiten Raum roch es wohl nach Geld, aber man saß in ihm wie auf einem Präsentierteller, was gewiß nicht zur Gemütlichkeit beitrug.
Wohnzimmer war überhaupt nicht die richtige Bezeichnung, weil man gar nicht in ihm wohnte, sondern sich kurz vor den Mahlzeiten in ihm zusammenfand. Sonst waren die Familienmitglieder ständig unterwegs, selbst am Abend. Und wenn mal eines von ihnen zu Hause blieb, hielt es sich in den eigenen vier Wänden auf.
Daß die Mahlzeiten pünktlich eingenommen wurden, dafür sorgte Christine. War einer unpünktlich, wurde auf ihn nicht gewartet. Dann aß er eben außerhalb – Punktum!
Nachdem der Hausherr die Häupter seiner Lieben gezählt hatte, ließ er sich in einem wohl kostbaren, aber unbequemen Sessel nieder, schlug ein Bein über das andere, tippte die Fingerspitzen gegeneinander, räusperte sich und begann:
»Ich traf heute im Ratskeller, wo ich mit meinem Geschäftspartner verabredet war, Herrn von Bärlitz mit seinem Neffen, die bei einem Imbiß saßen. Da packte ich die Gelegenheit beim Schopf, trat an den Tisch der beiden Herren, machte mich mit ihnen bekannt und sprach meinen Dank für die Rettung unserer Mädchen aus. Wohl war man höflich, aber zum Kuckuck, ich konnte mit ihnen nicht warm werden. Den Dank lehnte man für eine Selbstverständlichkeit ab, erkundigte sich nach dem Ergehen der beiden jungen Damen und ging im übrigen aus seiner Zurückhaltung nicht heraus, so daß ich es tatsächlich nicht wagte, meinen Vorschlag zu unterbreiten. Ich wollte ihnen nämlich als Dank ein Darlehen mit niedrigem Zinssatz anbieten, um ihnen so ein wenig unter die Arme zu greifen, aber wie schon gesagt, habe ich es angesichts so kühler Reserviertheit nicht gewagt. Nun, wer nicht will, der hat. Ich werde ihnen mein gutes Geld gewiß nicht aufdrängen.«
»Wäre ja auch noch schöner«, meinte Stella, dabei weiter in dem Modejournal blätternd. Denn was der Gatte da erzählte, interessierte sie absolut nicht.
Viel interessanter waren die aufregend schicken Kleider.
»Schau mal, Christine, wie findest du das da?« fragte sie die Schwägerin, die einen Blick darauf warf und nur ein Wort sprach:
»Verrückt.«
»Mein Gott, wie kann man nur so geradeheraus sein«, preßte die Mondäne nervös die Fingerspitzen gegen die Schläfen, und Tinchen lachte.
»Soll ich etwa über etwas in Entzücken ausbrechen, was ich scheußlich finde?«
»Du hast eben keinen Geschmack.«
»Möglich.«
»Haltet bitte Ruhe«, zog der Hausherr unbehaglich die Schultern hoch, weil er seine Bequemlichkeit bedroht fühlte. »Über Geschmack soll man nicht streiten. Jedem das Seine.«
»Hör mal, Papi, fährst, du nun nicht nach dem Hörgishof?« fragte Enno enttäuscht.
»Nein, Kerlchen. Ich habe ja meinen Dank abgestattet und daher keine Veranlassung mehr, den Hörgishof aufzusuchen.«
»Das tut mir aber leid«, schob das Bürschchen die Unterlippe vor. »Ich bin nämlich noch nie auf einem Gut gewesen.«
»Da ist im Winter bestimmt nichts los, mein Junge. Alles tiefverschneit, die Tiere eingestallt, in den Zimmern lausig kalt.«
»Das stimmt ja nun nicht«, schaltete sich Karola ein. »Es war in den Räumen mollig warm, die Kachelöfen fauchten nur so.«
»Was, Kachelöfen?« rümpfte Stella geringschätzig die Nase. »Wie altmodisch. Und dementsprechend wird ja auch alles andere sein bei den armen Menschen. Es steht wirklich schlimm um den verarmten Adel.«
»Nun, nun, von verarmtem Adel kann man bei den Hörgisholms doch wirklich nicht sprechen«, unterbrach der Gatte sie, peinlich berührt. »Denn der Hörgishof ist ein ausgedehnter Herrensitz. Wenn auch jetzt noch verwahrlost, so kann er bei guter Bewirtschaftung gewiß wieder auf die Höhe kommen, was natürlich nicht von heut auf morgen geht, weil das Kapital fehlt.«
»Das soll unsere Sorge nicht sein«, meinte sie gelangweilt. Was ging sie das Geschick anderer Menschen an? Die Moden in dem Heft waren weit wichtiger.
Gudrun hatte alles schweigend mit angehört. Jetzt biß sie sich auf die Lippen, um nicht Worte durchrutschen zu lassen, die der Stiefmutter nicht genehm gewesen wären, die weiter nichts war als eine hohle Gesellschaftspuppe. Noch nie war dem Mädchen das so kraß aufgefallen wie heute.
*
Es war ein stattlicher Besitz, den Dr. rer. pol. Detlef Honneck seit einigen Monaten sein eigen nannte. Die Fabrik, ein großer stabiler Bau, beanspruchte schon allein einen beachtlichen Platz. Dazu kamen noch die Verwaltungsgebäude, Labor, Maschinenhaus, Speicher, Ställe, Garagen, die Häuschen der Arbeiter, das Herrenhaus, das ein wenig abseits in einem mäßig großen Park stand, um die zehn Morgen Land, alles in allem gab das schon einen Riesenkomplex.
Ganz aus der Branche war der Besitzer all der Herrlichkeit wohl nicht, aber immerhin annähernd. Denn vorher war er Teilhaber eines Mühlenwerkes gewesen – und Mehlprodukte und Zucker vertragen sich ja gut. Also fiel es ihm gar nicht schwer, sich in dem neuen Betrieb einzuarbeiten.
Hanna, seine Schwester, die schon immer viel für das Landleben übrig hatte, war nun so richtig in ihrem Element. Sie schwang in der komfortablen Villa das Zepter mit Energie, während der Bruder es im Betrieb tat.
Eben betrat er das Speisezimmer, wo bereits der Tisch zum Abendessen gedeckt war. Durch eine andere Tür kam die Schwester hinzu, und Detlef begrüßte sie schmunzelnd.
»Guten Abend, Hansinchen. Siehst ja prächtig aus. Mir scheint, du wirst jeden Tag jünger und hübscher!«
»Hast du etwa ein böses Gewissen, weil du mir so beflissen Komplimente machst?« fragte sie lachend, doch er winkte großartig ab.
»Mein Gewissen ist so rein wie eine Frühlingsblume. Aber einen Mordshunger hab’ ich.«
»Sollst ihn herrlich stillen, Bruderherz. Jost wird sofort servieren.«
Jost war der Diener, den Hannas Gatte mit in die Ehe brachte und dann der Gattin testamentarisch vermacht hatte. Also ein Inventarstück, mit den Allüren des herrschaftlichen Dieners. Würdig servierte er das Mahl, das aus einem ländlichen Gericht bestand. Schmackhaft zubereitet; denn die Köchin war vorzüglich.
Nach dem Essen ging man ins Wohnzimmer hinüber, nahm am Kamin Platz, griff zur Zigarette und plauderte.
Das villenartige Haus war sehr geräumig. Unten befanden sich außer der Diele sechs Räume, darunter ein sehr großer für gesellschaftliche Zwecke. Im ersten Stock lagen die Schlafzimmer der Geschwister nebst einer Anzahl Fremdenzimmer, im zweiten Stock die Räume der Dienerschaft mit mancherlei Nebengelaß, die Wirtschaftsräume barg der Anbau, und das alles bot einen schmucken, gepflegten Eindruck, nach dem der neue Besitzer es hatte renovieren lassen.
Auch innen war alles komfortabel eingerichtet. Man hatte dazu die Sachen Hannas verwendet und die fehlenden hinzugekauft. Jedenfalls befand sich kein Stück ihres Elternhauses darunter, man hatte es in Bausch und Bogen verkauft.
»Sag mal, Detlef, wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken«, fragte die Schwester ungeduldig. »Schon dreimal habe ich dich dasselbe gefragt.«
»Entschuldige, Hansichen, frage ein viertes Mal.«
»Hast du den Herren deinen Vorschlag unterbreitet?«
»Jawohl.«
»Was machten sie für Augen?«
»Graugrüne.«
»Wie