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E-Fam Exodus. Arno EndlerЧитать онлайн книгу.

E-Fam Exodus - Arno Endler


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Otto hatte nicht übertrieben. Peabloid führte uns auf dem Weg zu einem Durchgang in einen kahlen, zweckmäßigen Gang hinein. Er plapperte unkontrolliert vor sich hin, erwähnte, dass der Raum mit den Suizidalen im firmeninternen Sprachgebrauch »Erinnerungen schöpfen« genannt wurde. Er zeigte mir im Vorbeigehen eine Art Andachtsraum für die Angehörigen der Toten. Ich ignorierte ihn einfach und atmete auf, als er zurückblieb. Wir verließen das Firmengelände und überquerten den Platz. Gangnes hatte mir überflüssigerweise gesagt, wo er wohnte. Sein Apartment befand sich ganz in der Nähe meiner Wohnung. Dort hatte ich die Suche gestartet. Ich ging nicht darauf ein, sondern fragte ihn, während wir zu den Trans-Segment-Liften marschierten, nach seinen Beweggründen, obwohl sie mich nichts angingen. Aber in mir steckte ein unverbesserlicher Ermittler, dessen Neugier nie gestillt war. »Sie haben einen Job, sind jung und nicht krank. Warum wollten Sie sterben?«

      Gangnes beschleunigte noch mit raumgreifenden Schritten, so dass ich kaum mithalten konnte, ohne außer Atem zu geraten. »Ich leide an schweren Depressionen, Bürger Mayer.«

      »Das ist kein Grund. Dafür gibt es Medikamente.« Ich erwähnte nicht, dass ich von seiner Medikamentenpumpe wusste. Ein implantiertes chipgesteuertes Depot unterhalb seines linken Schulterblattes sorgte für eine automatische Bekämpfung der depressiven Schübe. Es war ein ziemlich modernes Verfahren, nicht billig, aber er konnte es sich leisten. Ich vermutete, dass er es abgeschaltet hatte.

      »Sie wissen nicht, wie das ist«, widersprach er.

      »Das mag sein.« Kaffeeduft stieg mir in die Nase. Flinalls mobile Café-Bar, mit dem Eigentümer an der Maschine, war nahe. »Einen Espresso?«, schlug ich Gangnes vor. »Der wird Sie munterer machen.«

      »Nein. Danke. Ich will nur nach Hause und die Firma kontaktieren.«

      »Gut.« Ich gab mich geschlagen, ignorierte die suchterzeugenden Düfte, die der Barista der Maschine entlockte.

      Flinall reinigte mit geschickten Handgriffen Tassen, wurde auf uns aufmerksam und hob beide Arme in die Höhe. »Wie haben Sie das gemacht?«, rief er laut zu mir herüber.

      Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte, und sagte ihm das auch. »Was gemacht?«

      »Die Zahlung. Plötzlich stehen dort ganz andere Konten. Dabei ist die Anweisung einer Zahlung nicht manipulierbar.« Flinall war sichtlich aufgeregt. »Es ist, als hätte jemand anderes für Sie bezahlt.«

      »Reden wir beim nächsten Mal drüber«, wiegelte ich ab. Meine Konzentration galt dem Auftrag. Gangnes wirkte zwar stabil, aber wer wusste schon, was in einem Depressiven vorging. Ich wollte den Bürger so schnell wie möglich in seiner Wohnung abliefern. Flinalls merkwürdige Hinweise würde ich später mit Otto diskutieren. Wie hatte der Famulus die Zahlung verändern können?

      Gangnes strauchelte. Ich stützte ihn. »Ist nicht mehr weit bis zu den Liften«, versicherte ich ihm.

      Das Apartment des Programmierers hätte einem Zwangsneurotiker gefallen. Penibel im rechten Winkel zueinander ausgerichtete Möbelstücke und kein sichtbarer Staub oder Schmutz. Auf dem Boden zog ein Saugroboter seine Bahnen, die deaktivierten Videoleinwände reinigte eine Antistatik-Vorrichtung, die an jeder der vier Wände von der Decke hing.

      Ich suchte zunächst vergeblich nach einer Tür zum Bad, bis mir klar wurde, dass die Videoprojektion keineswegs ausgeschaltet war. Sie gab nur eine schmucklose Wand wieder, was bedeutete, dass die Tür zur Nasszelle nicht erkennbar war.

      Ich zählte neben zwei Stühlen und einem VR-Sessel noch einen quadratischen Tisch und das Einzelbett als Mobiliar.

      In einer Beziehung steckte Gangnes sicherlich nicht.

      Er bot mir tatsächlich einen Platz an, durchquerte den zwanzig Quadratmeter großen Raum, und endlich zeigte sich die Tür, die er aufdrückte. Kurz darauf war ich allein im Zimmer. Bürger Gangnes blieb im Bad verschwunden.

      Der kleine Saugroboter verschwand in einer bodennahen Wandöffnung. Auch die Wischanlage für die Wände stellte ihre Arbeit ein. Ich wartete geduldig, bemerkte erst nach einer Weile, wie neutral der Wohnraum roch. Weder die üblichen designten Raumerfrischer, die die Bürger der Mega-City allgegenwärtig bedufteten, noch ein erkennbarer Eigenduft ließen sich feststellen.

      Bürger Gangnes kam aus dem Bad zurück. Er trug eine blassblaue Ganzkörperkombination, aus der nur seine nackten Füße, die Hände und natürlich der Kopf ragten. Die Haare waren nass, er hatte offensichtlich geduscht. Künstlicher kräftiger Apfelduft begleitete sein Erscheinen.

      Er runzelte die Stirn, als er mich ansah, seufzte und ging zu dem VR-Sessel, in dem er Platz nahm. Er drehte ihn, so dass er mich direkt ansehen konnte. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen danken soll, Bürger Mayer«, meinte er.

      »Es war mein Job«, erklärte ich.

      »Nun, schon. Allerdings bezweifle ich, dass Sie von meinen Selbstmordabsichten wussten.« Er hob beschwichtigend die Hand, bevor ich antworten konnte. »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Es besteht keine akute Gefahr, dass ich mir vor Ihren Augen etwas antun werde. Die pharmazeutische Pumpe ist aktiv. Mir geht es so gut, wie es jemandem mit meinem Krankheitsbild gehen kann. Also kein Grund zur Besorgnis.«

      »Warum wollten Sie sich töten?«, fragte ich.

      »Sie besitzen einen E-Fam?«, erwiderte er.

      »Ja, sagte ich schon, obwohl besitzen ein sehr dehnbarer Begriff ist.«

      »Stimmt.« Gangnes aktivierte die Bedienkonsole des VR-Sessels. Ein faustgroßer Stempel hob sich aus der rechten Seitenlehne. Der Programmierer umfasste ihn, indem er die Finger in einer vielgeübten Bewegung um den Griff legte. Man sah kaum ein Muskelzucken, als er eine der Wände zu einem Kontaktmonitor umwandelte. Ich sah das Rufsignal und die Adresse, an die der Anruf erfolgte. Es war seine Firma Cybersearch, die Gangnes kontaktierte. Während wir auf die Bestätigung warteten, hörte ich ihn eine Frage stellen, die ich nicht verstand, weil er so leise sprach. »Wie bitte?«, bat ich ihn, das Gesprochene zu wiederholen.

      »Vertrauen Sie Ihrem E-Fam?«, fragte er fast monoton.

      »Warum nicht?«

      »Hört er mit?«

      Ich schüttelte den Kopf und verneinte es dann noch einmal verbal, da Gangnes mich nicht ansah. »Nein. Ich bin kein High-Con. Um mit Otto zu kommunizieren, muss ich aktiv werden.«

      »Otto?«, hakte Gangnes nach.

      »Ja. Das ist sein Name. Warum?«

      Die laute Akzeptanzfanfare unterbrach uns. Auf der Videoleinwand prangten überlebensgroß das Gesicht und der Oberkörper von Bürgerin Gundebar, der Chefin von Cybersearch. Sie lächelte nicht, lächelte nie, soweit ich das in Erfahrung hatte bringen können. Auf dem Schreibtisch, der den Rest ihres Körpers verdeckte, lagen eine ganze Armada an Speicherkristallen, eine oder zwei an Spielzeug erinnernde kleine Statuen und ein Daten-Cube.

      »Kore. Banzai«, erklang ihre sehr männlich klingende Stimme. Dabei bewegten sich ihre Lippen kaum. Fast wie bei einem Bauchredner. Sie setzte sich zurück und schien erst jetzt meine Anwesenheit wahrzunehmen. Vielleicht war das Aufnahmeobjektiv auf Weitwinkel gestellt worden. »Bürger Mayer. Banzai auch Ihnen.«

      »Banzai, Bürgerin Gundebar. Ich habe Ihren Mitarbeiter aufgespürt.«

      »Ich sehe es.« Sie konzentrierte sich wieder auf Gangnes. »Kore? Was ist geschehen? Ich habe hier einen Kunden, der äußerst unangenehme Nachfragen stellt. Was haben deine Nachforschungen ergeben? Und warum sind die Resultate nicht in der Firmencloud gesichert worden?«

      Der Programmierer schien unbeeindruckt. Er lehnte sich provokativ entspannt in die weiche Polsterung, faltete seine Hände im Schoß und schüttelte den Kopf. »Der Job, ach ja«, sinnierte er gedehnt. »Ich bin mir im Unklaren, ob ich die Ergebnisse teilen möchte.«

      »Wie bitte?«, fragte die Chefin von Cybersearch gefährlich leise und beherrscht. »Wir werden nicht vertragsbrüchig, Kore. Das können wir uns nicht leisten. Nicht bei einem solchen Kunden.« Ein Seitenblick von ihr, der mich traf, entging mir nicht. »Es ist riskant, wie du


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