Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena ThemsenЧитать онлайн книгу.
drehte den Kopf und biss Rian spielerisch ins Ohrläppchen. Sie quietschte protestierend, entzog ihm das Ohr und funkelte ihn strafend an. Er nutzte die Gelegenheit, um seine Lippen dicht an ihre zu führen. Kurz davor verharrte er jedoch. Sie sah nur noch seine tiefschwarzen Augen, wie endlose Schächte, in denen man sich verlieren konnte. Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Lider und hob ihren Kopf dem seinen ein Stück entgegen, bis ihre Lippen sich berührten.
Erwartungsvoll beschleunigte sich ihr Atem, und die Härchen auf ihrer Haut stellten sich auf. Sie öffnete leicht den Mund, doch zu ihrer Überraschung zog er sich bereits wieder zurück. Zugleich löste er seinen Griff um sie. Verwirrt öffnete Rian die Augen. In diesem Moment umfasste er sie an Rücken und Oberschenkeln, stand auf und hob sie mit sich hoch. Ein überraschter Laut entfuhr der Elfe. Hastig schlang sie ihre Arme um seinen Hals.
»Nun, meine schöne Prinzessin, möchte ich dich in meinen magischen Turm entführen«, sagte Alberich. »An der Spitze ist ein Zimmer, dessen Fenster in alle Welten schauen, und darin steht mein hoffentlich auch einer Prinzessin wie dir angemessenes Bett. Dort würde ich dann gerne über dich herfallen und einige meiner Lüste und Triebe an dir ausleben. Wäre das in deinem Sinne?«
Sie lachte auf. »Solange du dabei Wert auf meine Zustimmung legst, ist das genau in meinem Sinne.«
»Das erfreut mein altes Herz. Angelina, du solltest David bei Gelegenheit unser romantisches Gästezimmer zeigen. Ihr entschuldigt uns dann?«
Ohne auf eine Antwort zu warten trug Alberich Rian aus dem Zimmer und in seinen Turm hinauf.
*
Alebin schnalzte mit der Zunge und sämtliche Fenster seines Hauses flogen auf. Trübes rotes Abendlicht ergoss sich in den großen Raum, den der Elf zu seinem Atelier gemacht hatte. Eine Handbewegung ließ die feuchten Tücher herabgleiten, mit denen er das Werk seiner Hände vor der Austrocknung geschützt hatte.
Zufrieden betrachtete der Elf die stehende, mannshohe Tonfigur eines nackten Mannes, die darunter zum Vorschein kam. Mit den Fingerspitzen fuhr er die sorgfältig aufmodellierten Gesichtszüge nach, strich den Hals entlang und über Brust und Bauch hinunter bis zum Geschlecht. Dann trat er einen Schritt zurück, legte den Kopf etwas zur Seite und verschränkte die Arme.
»Wenn man dich recht betrachtet, bist du doch ein schönes Wesen«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. Er nahm ein mit dunkelrotem Wein gefülltes Glas von dem Tischchen mit seinen Modellierwerkzeugen, stürzte einen Teil des Inhaltes hinunter, stellte es dann wieder beiseite und rieb sich die Hände.
Er spuckte auf seine Fingerspitzen, trat wieder vor und verteilte die Flüssigkeit im Gesicht der Tonfigur. Das gleiche wiederholte er noch an einigen anderen Stellen, ehe er sich eine Haarsträhne auszupfte und hinter die Statue trat. Er legte die Ansätze der Haare an den Hinterkopf der Figur, drückte sie vorsichtig hinein und verstrich dann den Ton wieder so, dass nichts mehr von dem Eingriff zu erkennen war außer den herabhängenden dünnen Härchen. Noch immer dahinter stehend trat er dicht an die Figur heran, sah ihr über die linke Schulter und drückte vorsichtig seine Wange gegen die des Tonelfen.
»Du wirst meine Stelle einnehmen, während ich Besseres zu tun habe«, flüsterte Alebin. »Du wirst mein Stellvertreter sein, mein Haus bewohnen, meine Aufgaben erledigen, meine Besucher unterhalten … du wirst ich sein, für eine Weile.« Alebin zuckte die Achseln. »Allzu viel wird es ohnehin nicht zu tun geben, denn im Schloss bin ich vorerst nicht gern gesehen, und man hat mir für eine Weile frei gegeben. Zweifellos werden mich infolgedessen auch meine wenigen sogenannten Freunde meiden. Und das ist besser so, denn dein Denken kann ich in der kurzen Zeit, die uns bleibt, leider nur mit wenigen Dingen füllen.«
Langsam ging er um die Figur herum, bis er wieder vor ihr stand. Er nahm einen spitzen Dolch vom Tischchen, stach sich damit in die Fingerkuppe des linken Zeigefingers und beobachtete, wie sich ein stetig größer werdender Blutstropfen über dem Einstich bildete. Ehe der Tropfen groß genug wurde, um abzulaufen, legte Alebin den Finger dort gegen die Figur, wo bei ihm selbst das Herz schlug, und bohrte ihn tief hinein.
»Viel von mir steckt bereits in dir, mein Freund. Nun schenke ich dir von meinem Blut. Spüre meinen Puls, damit auch du einen Herzschlag erhältst.«
Als Alebin ein schwaches Echo seines Pulses in der Figur spürte, zog er den Finger zurück und wischte ihn mit einem Tuch ab. Die Wunde hatte sich bereits verschlossen. Erneut griff er nach dem Glas, trank den Rest des Inhalts und füllte es dann wieder aus einer geschliffenen Kristallkaraffe, die unter dem Tisch stand.
Die nächste Viertelstunde verbrachte Alebin damit, das geschaffene Loch zu verschließen und die Oberfläche zu glätten. All diese Dinge musste er ohne die Unterstützung seiner Magie tun, und es hatte ihn viele Jahre gekostet, diese Kunst zu perfektionieren. Doch es war der Mühe wert, wie er fand – und sei es nur, damit er selbst sich am eigenen Körper erfreuen konnte.
Als keine Spur mehr von der Stelle zu finden war, an der er sein Blut in den Tonelf eingebracht hatte, war die nebelverhangene rote Sonne vom Himmel verschwunden und hatte der Dunkelheit der Nacht Raum geschaffen. Kleine leuchtende Kügelchen erhellten stattdessen das Atelier mit vielfarbigen Lichtschimmern, die scharfe Löcher in die Finsternis stanzten.
Alebin legte den Spatel beiseite und breitete lächelnd die Arme aus. Neue Energie schien ihn zu erfüllen, straffte seine Gestalt und brachte seine Augen zum Funkeln. Sein Haar bekam einen rötlichen Glanz und zog sich zu leichten Locken zusammen, und die Blässe seiner Haut gewann einen anziehenden seidigen Schimmer. Die Magie der Nacht vollzog die Veränderung, die in der Natur des Elfen lag, und er genoss es.
»Und nun kommt der beste Teil, mein Freund«, murmelte er. Er trat auf die Figur zu, die eine exakte, spiegelbildliche Kopie seiner selbst war, umarmte sie und küsste sie auf die irdenen Lippen.
»Ich schenke dir von meinem Atem«, flüsterte er und hauchte in die ausgehöhlten Nasenlöcher.
Von einem Moment zum nächsten wandelte sich der kalte Ton unter Alebins Händen zu weicher Haut und warmem Fleisch. Goldschimmerndes Haar spross überall aus dem kahlen Schädel hervor, bis es die Länge erreicht hatte, die Alebins Haare vorgaben. Gleichmäßige Atemzüge drangen aus der schwach zuckenden Nase, und unter den Augenlidern waren die Bewegungen von Augäpfeln zu erkennen.
Alebin ließ seine Finger an der Brust des Spiegelelfen hinuntergleiten, bis er den Herzschlag spürte. Dann trat er erneut zurück und schlug drei Mal kräftig die Hände zusammen.
»Erwache, Nibela!«, rief er. »Erwache, und sei Alebin, bis ich dich von deinem Dienst entbinde!«
Der irdene Elf schlug die Augen auf, und sein Blick begegnete dem seines Schöpfers. Alebin lächelte, nahm das Glas auf und prostete seinem Werk zu.
»Alles Gute zum Geburtstag, mein Freund.«
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