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Tod in Rothenburg. Barbara EdelmannЧитать онлайн книгу.

Tod in Rothenburg - Barbara Edelmann


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Waltner räusperte sich verlegen. »Vor knapp zwei Monaten hatte Sandra Kaiser über die Kleinanzeigen-Plattform bereits eine ähnlich gelagerte Transaktion abgewickelt«, begann er. »Ich habe ihren Account geprüft und dabei den Verkauf entdeckt. Damals ging es um einen antiken Dolch, der weit unter dem von mir in Erfahrung gebrachten Schätzwert an einen Herrn in Troisdorf ging. Er wird von uns angeschrieben werden. Wer das Kerbholz gekauft hat, konnte ich bisher nicht ausfindig machen, ich arbeite aber dran. Bisher kenne ich nur den Benutzernamen, nämlich ›Spiderman‹.« Er grinste breit.

      »Laut dem E-Mail-Wechsel, den ich einsehen konnte, war die Übergabe auf dem Rothenburger Marktplatz vor genau fünf Tagen um Punkt zwölf Uhr mittags vereinbart. Klar, da sind die meisten Leute da. Alle wollen die große Uhr und den Meistertrunk sehen.«

      »Das hört sich ja beinahe wie eine Lösegeldübergabe an«, meldete sich Kurti zu Wort. »War der Käufer denn nicht skeptisch?«

      »Die Korrespondenz enthält nur die nötigsten Informationen zur Abwicklung«, erklärte Peter. »Beide haben keine Romane geschrieben.«

      »Als ob es beim Drogenhandel anders läuft«, bemerkte Dodo. »Barzahlung bei Abholung. Müsste dir doch bekannt sein.« Dafür erntete sie von Hübner einen strafenden Blick.

      »Übrigens habe ich auch ihr BMW-Cabrio in einer Internet-Automobilbörse entdeckt, wo es seit drei Wochen zum Verkauf steht«, fuhr Peter fort. »Scheinbar brauchte sie dringend Geld.«

      »Kein Wunder, wenn man das Bruttoinlandsprodukt eines kleinen Landes für Handtaschen ausgibt«, murmelte Dodo.

      »Wir haben ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz Rödergasse sichergestellt, bisher noch keine Ergebnisse«, sagte der Chef. »Weiter, Herr Waltner.«

      Peter, der sich am wohlsten hinter einem Bildschirm fühlte und es hasste, vor Menschen zu sprechen, räusperte sich abermals. »Zum Mobiltelefon des Opfers konnten wir uns heute Morgen Zugang verschaffen«, erklärte er. »Durch den Aufprall auf den Boden hatte sich der Akku entladen, das konnte ich beheben. Bei dem Handy handelt es sich Gott sei Dank um eines mit Android-Betriebssystem, für Apple hätte ich länger gebraucht oder Hilfe anfordern müssen.«

      »Uns interessieren die Fotos auf dem Telefon«, meldete sich Kurti. »Wie sieht es da aus?«

      »Der Foto-Ordner war ein wahres Füllhorn der Selbstdarstellung«, sagte Peter. »Während meiner gesamten Tätigkeit sind mir noch nie so viele Selfies auf einem Smartphone untergekommen, ich habe insgesamt 5.297 Bilddateien und achtundzwanzig Videos gesichert. Mindestens hundert der Selfies zeigen das Opfer mit einem älteren Mann, in teilweise sehr pikanten Situationen, auf den Videos posiert sie in diversen Lokalen oder vor Spiegeln. Ich vermute, die Filme werde ich bei einem Abgleich in den sozialen Medien wiederfinden.«

      Dodo freute sich. »Das ist doch immerhin etwas. Kennen wir den Mann?«

      »Dazu komme ich gleich«, versprach ihr Peter. »Im Kontaktverzeichnis befanden sich hauptsächlich Dienstleister wie Kosmetikstudios, Friseur, ein Nagelstudio, ein Fitnesscenter, eine Nummer in Würzburg, die ich noch verifizieren muss, Frau Kaisers Arbeitsplatz und eine Bank. Zwei Rufnummern waren blockiert, bei einer davon handelt es sich um Frau Kaisers Ex-Mann Karsten, die andere konnte ich einer gewissen Daniela Lorsch zuordnen. Anhand der noch nicht gelöschten Anrufliste kann ich sagen, dass Frau Kaiser bis vor knapp sechs Wochen von dieser letzteren Nummer aus täglich mehrere Male angerufen wurde.«

      »Sie hatte also sogar eine eigene Stalkerin«, sagte Kurti. »Höchst interessant.«

      »Es waren bemerkenswert wenige WhatsApp-Unterhaltungen auf dem Telefon zu finden«, fuhr Peter fort. »Scheinbar pflegte das Opfer nicht allzu viele soziale Kontakte. Den einzigen Gruppenchat habe ich gecheckt, er setzt sich zusammen aus Kolleginnen von Sandra Kaiser. Keine relevanten Informationen. Das übliche Frauenzeugs eben.«

      »Das Übliche?«, wiederholte Hübner.

      »Subtile Anspielungen auf Äußerlichkeiten und Klamotten«, erklärte Peter. »Streit bezüglich der Urlaubsplanung, dazwischen Küsschen-Emojis und Abnehmtipps.«

      »Und das ist frauenspezifisch?«, meldete sich Kurti zu Wort. »Ich habe auch eine …«

      »Schreiben Sie es in Ihr Tagebuch, Herr Voggel«, unterbrach ihn Hübner. »Und lassen Sie Herrn Waltner ausreden. Sie sehen doch, dass ich ihm jeden Wurm aus der Nase ziehen muss.«

      Peter zuckte zusammen. Als introvertierter Mensch hasste er nichts mehr als Aufmerksamkeit, daher verbrachte er auch seine Freizeit vorwiegend im virtuellen Raum, wo man sich seinen Umgang selbst aussuchen und bei Ärger schnell offline gehen konnte. Sein gesellschaftliches Leben beschränkte sich auf Kontakte mit 4.293 Facebook-Freunden aus der ganzen Welt, das genügte ihm vollkommen. Seiner Erfahrung nach waren die wenigsten Menschen pragmatisch, sondern meist irrational und unberechenbar. Davon bekam er Kopfschmerzen, deshalb ging er ihnen tunlichst aus dem Weg, wenn es sich arrangieren ließ.

      Nur mit Dodo pflegte er einen unbefangenen, fröhlichen Umgang, vielleicht auch deswegen, weil sie ihm mit ihrer offenen, geradlinigen Art nie eine Wahl gelassen hatte. Trotzdem war und blieb seine Vorstellung von einem gelungenen Abend eine Pizza »Tonno« mit Zwiebeln und mindestens sieben Folgen seiner jeweiligen Lieblingsserie, immer etwas mit Kriminalfällen und Gerichtsmedizin.

      »Sonst noch etwas?«, riss ihn Hübner aus seinen Gedanken.

      Peter nickte ertappt. »Frau Kaiser hat am Sonntagnachmittag sieben Nachrichten an einen einzigen Kontakt verschickt, aus denen hervorgeht, dass sie gekränkt war. Es geht um eine Feier, zu der sie nicht eingeladen war. Außerdem traf am Sonntag um acht Uhr dreißig von genau diesem Kontakt über WhatsApp eine Nachricht ein, in der sie aufgefordert wurde, um zweiundzwanzig Uhr zum Galgentor zu kommen, zu einem Mondscheinspaziergang auf der Stadtmauer. Absender ist ein gewisser Ulf Wilbold. Das ist auch die Nummer, zu der die meisten ihrer Anrufe erfolgten, und an die sie oft geschrieben hat.«

      »Ulf Wilbold? Ihr Arbeitgeber?«, vergewisserte sich Kurti.

      Peter nickte. »Sieht ganz danach aus. Aus dem vorangegangenen Chatverlauf und den Bildern auf dem Handy ist klar zu erkennen, dass beide eine heftige Affäre unterhielten. Alle Ausdrucke liegen auf euren Schreibtischen. Die Fotos müsst ihr euch bitte auf dem Bildschirm ansehen. Sie sind etwas verstörend.«

      »Wilbold kenne ich«, meldete sich Dodo zu Wort. »Meine Mutter lässt sich dort regelmäßig auf Hautveränderungen untersuchen. Hauptsächlich lebt er allerdings von minimalinvasiven Schönheitsreparaturen. Der ist doch locker Ende sechzig?«

      »Alter schützt vor jungen Damen nicht«, bemerkte der Chef. Er deutete auf ein Schälchen Erdbeeren, das Dodo dezent hinter ihren nackten Beinen auf dem Boden zu verstecken versuchte. »Habe ich zu einem Brunch geladen?«

      »Verzeihung«, sagte sie. »Lange Nacht. Neue Diät. Kein Frühstück.«

      »Die wievielte dieses Jahr?« Hübner grinste.

      »Na ja, von einer werde ich nicht satt, darum mache ich immer mindestens zwei gleichzeitig«, erklärte Dodo verschmitzt.

      Hübner schmunzelte. »Denken Sie daran, allein das menschliche Gehirn benötigt pro Tag ungefähr ein Gramm Fett. – Herr Waltner, was noch?«

      »Sandra Kaiser führte Benutzerkonten auf verschiedenen Online-Partnerbörsen, Facebook und Instagram«, fuhr Peter fort. »Auf Facebook präsentierte sie sich perfekt geschminkt in teuren Lokalen, und in letzter Zeit hat sie viele Fotos von sich und Dr. Wilbold gepostet. Tut mir leid, weiter bin ich noch nicht gekommen.«

      »Wie immer hervorragende Arbeit, Herr Waltner«, lobte Hübner.

      »Ich hatte Hilfe vom Kollegen Bruchhammer«, gestand Peter bescheiden. »Allein wäre es nicht zu schaffen gewesen. Außerdem hat Frau Kaiser für sämtliche Accounts dasselbe Passwort benützt, das erleichtert die Sache ungemein.«

      Auch Kurti sagte anerkennend: »Ich bin beeindruckt, was Sie in den letzten Stunden geleistet haben. Sie hätten wir beim Rauschgift gut gebrauchen können. Haben die Online-Partnerbörsen etwas ergeben?«


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