Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
Sie schaute betreten zu Boden. »In der ganzen Hektik habe ich daran nicht mehr gedacht. Aber das alles wird immer suspekter. Kannst du dir vorstellen, warum?«
Mason schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich hatte mit Thompkins bisher nichts zu tun. Gestern im Crest Point habe ich zum ersten Mal mit ihm gesprochen.«
»Du hast ein interessantes Leben, Mason Collister«, sagte Danielle. »Eines ist sicher: Einfach wird es nicht werden, deine Unschuld zu beweisen. Solange wir nicht wissen, wer hinter all dem steckt, wer dein wahrer Feind ist.«
Randy taumelte. Mit einem Mal entwickelte der Boden ein Eigenleben und wollte einfach nicht mehr still unter ihm liegen. Sein Körper fühlte sich an, als hätten Knochen und Muskeln sich in Gummi verwandelt.
»Alter, nicht umfallen«, sagte Mason und packte ihn fester. »Ich bring Randy ins Haus. Kommt doch morgen früh zum Brunch. 11 Uhr? Dann besprechen wir alles.«
Danielle wirkte kurz verlegen. »Ich weiß nicht, ob meine Eltern … ach egal. Bin dabei.«
»Ich auch«, rief Olivia aus der Limousine. »Und jetzt bring unser Nachwuchs-Computergenie besser ins Bett.«
Sie verabschiedeten sich, dann fuhr das Auto davon.
Während sie auf das Haus zugingen, flog die Tür auf. Masons Mutter kam mit entsetztem Gesicht herbeigestürmt. »Was ist passiert?!«
*
Ein Sonntag
Als Randy die Augen aufschlug, verfolgte ihn der Albtraum noch einen Moment in die Wirklichkeit. Ein lachender Pratt Thompkins stand auf der Spitze eines schwarzen Turms, von dem Randy gerade in die Tiefe stürzte. Da es keinen Boden gab, fiel er immer weiter und weiter, bis er endlich aus dem Schlaf hochschreckte.
Mason steckte den Kopf zur Tür herein. »Alles okay? Du hast geschrien.«
Der Freund war schon geduscht und trug frische Klamotten.
»Alles super«, erwiderte Randy. Schlagartig kamen ihm die gestrigen Ereignisse wieder in den Sinn. Er betastete sein Gesicht.
»Keine Angst, der Doc hat die Wunden geklammert. In ein paar Tagen sieht man nichts mehr davon«, erklärte Mason. »Du kannst also ruhig weiter mit Danielle flirten.«
»Was?!«
»Als ob mir das nicht aufgefallen wäre.« Sein Kopf verschwand. »Im Bad liegen frische Klamotten. Geh lieber duschen, die Mädels kommen gleich.«
Für einen Augenblick starrte Randy mit offenem Mund auf den Türspalt. Wie um Himmels Willen kam Mason auf den Gedanken, dass er mit Danielle – ausgerechnet! – geflirtet hätte? Er hatte nicht das geringste Interesse an ihr.
Was soll's.
Er verschwand im Bad.
Als er die Treppe herunterkam, lag das Erdgeschoss ausgestorben vor ihm. Von der Terrasse drangen Stimmen an sein Ohr. »Ah, hier seid ihr.«
Beim Anblick von Randy lächelte Danielle und atmete auf. »Hey, Nerd. Ich dachte schon, du hast ernsthaft was abbekommen.«
»Also, wenn man es genau nimmt …«
»Ach, hör auf zu prahlen«, sagte Mason grinsend. »So ein kleiner Fenstersturz ist doch nichts.«
Olivia grinste ebenfalls.
Von der Anspannung, wie er sie gestern auf der Rückfahrt erlebt hatte, war nichts mehr zu spüren.
Randy nahm Platz. Der Tisch war mit Tellern und Tupperschalen bedeckt, auf denen Brötchen, Brot, Marmelade und Wurst lagen. Dazwischen standen allerlei Säfte in Glaskaraffen, Tee und Kaffee in Kannen. Es war ein Wunder, dass Mason nicht schon alles verputzt hatte, der Freund atmete Essen förmlich ein und hatte ständig Hunger. »Wo sind deine Eltern?«
Mason schnaubte. »Glücklicherweise am Strand. Meine Mum wollte erst nicht weg, weil sie sich so große Sorgen um dich gemacht hat. Sie hat dir aber was dagelassen, Moment.« Er verschwand im Haus und kam mit einem kleinen Teller zurück, auf dem Lakritzstangen lagen. »Mit vielen Grüßen. Ich glaube, sie würde dich auch adoptieren, wenn sie könnte.«
»Was hast du ihr denn erzählt?«, fragte Danielle.
»Das Gleiche, was wir dem Doc erzählt haben. Wir waren am Crest Point, haben dort mit den anderen gefeiert und sind dann etwas zu mutig geworden.«
Randy war die Lüge unangenehm, aber die Wahrheit würde ihnen tatsächlich nur Scherereien einbringen. Er griff nach Brötchen und Wurst und begann zu essen. »Hat sie es geglaubt?«
»Ich denke schon.«
Danielle nickte. »Meine auch. Leider hat Silverman auch meinen schlechten Umgang erwähnt. Ich habe gesagt, dass ich reiten gehe.«
In den nächsten Minuten schlugen sie sich die Bäuche voll.
»Ich habe gestern noch mein Auto geholt und es in die Werkstatt gebracht«, sagte Olivia und nahm einen großen Bissen von einem Brötchen mit Erdbeermarmelade. »Und das zerbrochene Fenster im Tarnowski-Haus habe ich mit einer Plane abgeklebt. Das wird einstweilen halten. Bis der Nachlassverwalter aber mal wieder vorbeischaut, müssen wir das erledigt haben.«
»Danke«, sagte Mason. »Das kriegen wir schon irgendwie hin. Bleibt nur die Frage, was Thompkins eigentlich wirklich wollte. Wieso will er mich verprügeln, um eine Nachricht zu übermitteln?«
Auf diese Frage wusste niemand eine Antwort.
»Aber damit dürfte klar sein, dass er es war, der dir den Stoff untergeschoben hat«, sagte Danielle. »Oder er hat es jemand anderem gegeben, der das erledigt.«
»Das muss er getan haben«, sagte Randy. »Thompkins käme am Tag nicht in die Schule. Irgendwer hätte ihn gesehen. Nein, er muss jemanden damit beauftragt haben. Das klärt zwar nicht das Warum, aber wenn wir denjenigen finden, kriegen wir es vielleicht raus.«
Olivia zog ihr Pad hervor und legte es auf den Tisch. »Momentan hängt er wieder im Crest Point ab«, sagte sie. »Aber wenn er heute auf Tour geht, hängen wir uns an ihn dran. Für das, was er gestern getan hat, verdient er eine ordentliche Abreibung. Vorzugsweise durch den Sheriff.«
Randy sah die Hoffnung, die in Masons Gesicht aufblitzte. Der Freund wollte unter allen Umständen seine Unschuld beweisen. Blieb nur zu hoffen, dass ihnen das auch gelang.
*
Drei Stunden klebten sie an Thompkins wie ein zweiter Schatten. Dank des Senders konnten sie stets außer Sichtweite bleiben, verloren aber nie die Spur. Mittlerweile musste Thompkins zu Ohren gekommen sein, dass Randy den Sturz überlebt und nur ein paar Blessuren davongetragen hatte. Mason fragte sich unweigerlich, ob der Mistkerl Randy wirklich hatte töten wollen – und warum. Die Tatsache, dass eigentlich er das Ziel gewesen war, machte es nicht besser.
»Ein netter kleiner Flitzer«, sagte Olivia gerade.
Da ihr Auto sich noch in der Reparatur befand, hatte Danielle für Ersatz aus dem Fuhrpark ihres Vaters gesorgt. Da eine Verfolgungsjagd mit der Familienlimousine Aufsehen erregt hätte, hatte stattdessen ein schwarzer Mercedes CLS herhalten müssen.
Die gepolsterten, mit Luftdruck verstellbaren Sitzkissen, die Kirschholzarmaturen und die Sprachsteuerung machten jedoch recht schnell deutlich, dass auch dieses Auto nichts an Komfort vermissen ließ.
Obwohl Mason schnelle Autos liebte, ertappte er sich dabei, immer öfter tief in den Sitz zu rutschen. Olivias Fahrstil passte einfach besser in einen Hindernisparcours als die Innenstadt. Vermutlich bereute Danielle es zutiefst, dass sie Olivia hinter das Steuer gelassen hatte.
»Er fährt Richtung Industriegelände«, sagte Mason.
Olivia riss den CLS in eine Rechtskurve, grinste breit und gab Gas. Wenigstens eine hatte ihren Spaß. Die Straßen waren glücklicherweise leer.