Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
ist auch noch großzügig. Sie fördert Nachwuchstalente und macht jedes Jahr eine Sonderausstellung, sowie diesen Wettbewerb. Der Ertrag dieser Ausstellungen geht an eine Hilfsorganisation. Dieses Frühjahr sollte das Geld in ein Hospiz fließen.«
»Davon hat Rebecca gar nichts erzählt«, sagte Chris. »An welches Hospiz sollte das Geld denn gezahlt werden?«
»Ähm, Moment«, sagte Randy und blätterte im Ordner herum, bis er den Post-it mit der Aufschrift ›Heartfull‹ fand und die Seite aufschlug. »Evelyn Granger ist Leiterin des Hospizes Heartfull. Sie führt es seit fünf Jahren mit großem Engagement und war bereits ein paar Mal in der Presse. Sie wurde vor allem für ihre warmherzige Art und ihr Einfühlungsvermögen gegenüber den Patienten gelobt. Außerdem legt sie sehr viel Wert auf ein familiäres Ambiente. ›Bei uns sollen Menschen in Würde sterben‹, wird sie zum Beispiel in der Gazette zitiert. Ach ja, und falls ihr euch fragt, warum ich das explizit markiert habe: Evelyn Granger und Rebecca Reach waren Zimmergenossinnen auf dem College. Bis vor einem halben Jahr hatten sie sogar noch regen Kontakt, und auf einmal brach der ab. Seither herrscht eine Eiseskälte zwischen den beiden.«
Olivia klappte den Ordner zu und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und das hast du innerhalb von zwei Stunden herausgefunden?«
Randy zuckte die Schultern, als wäre das das Normalste der Welt. »Hast du eine Ahnung, was man in Zeiten von Facebook, Twitter und Instagram herausfinden kann, wenn man weiß, wonach man suchen muss? Ein paar gut gezielte Schlüsselwörter und die Maschine spuckt dir alles aus, was du wissen willst. Gerade bei Menschen, die – wie Rebecca und Evelyn – in der Öffentlichkeit stehen, ist es ein Klacks. Das Ausdrucken und Abheften hat fast länger gedauert als alles andere.«
»Warum die beiden sich zerstritten haben, weißt du nicht zufällig?«, fragte Chris.
»Nein, aber fast zur gleichen Zeit ging die Randale in Rebeccas Leben los. Die zerstochenen Reifen, eingeschlagene Fensterscheiben et cetera.«
»Na, so ein Zufall«, sagte Chris.
»Vielleicht sollten wir mal bei Mrs. Granger vorbeischauen, was meint ihr?«, fragte Olivia.
»Ich bin dabei.«
»Ich kann nicht«, sagte Randy. »Tut mir leid, aber Mason hat mir vorhin in der Schule gesagt, wir müssten uns unbedingt treffen. Er hat den Film und braucht meine Hilfe beim Abspielen.«
Olivia war natürlich sofort klar, um was für einen es sich handelte. »Oh, echt?«
»Nein, ich erfinde das nur, weil ich es spannend finde«, sagte Randy.
»Blödmann.« Olivia lachte und wollte ihm den Ordner auf den Kopf hauen, doch er riss ihn ihr aus den Händen. Sie wandte sich zu Chris. »Da wäre ich gerne dabei«, sagte sie. »Mason ist mein Freund.«
Chris zuckte, sichtlich irritiert, als sie Mason als Freund bezeichnete. »Äh, klar. Mach du ruhig.«
»Also, er ist nicht so ein Freund. Also kein Boyfriend-Freund, wenn du verstehst«, fügte sie rasch an. »Ich bin Single.«
»Oh Mann«, sagte Randy und klemmte den Ordner unter den Arm. »Ich warte draußen auf dich, komm einfach, wenn du so weit bist, dann kannst du mich gleich mit ins Haus nehmen.«
»Wie bist du überhaupt hierher gekommen?«, fragte Olivia.
»Es gibt öffentliche Verkehrsmittel. Sind ganz praktisch von Zeit zu Zeit.«
Randy ging und ließ sie alleine. Für eine Sekunde blieb Olivia unschlüssig zurück, dann drehte sie sich um und lächelte ihn an. Sie wollte nach ihren Bildern greifen, die Chris noch immer in den Händen hielt, aber er zog sie weg.
»Wenn du nichts dagegen hast, zeige ich die mal Lucian. Er wird sie lieben.«
Ob sie etwas dagegen hatte, wenn er ihre Fotos einem der berühmtesten Fotografen zeigte, weil er sie so toll fand? Machte er Witze? Als Antwort küsste sie ihn auf die Wange und hauchte ein Danke hinterher. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie die Galerie mit diesem herrlichen Kribbeln im Bauch, als würde eine Horde Schmetterlinge darin herumflattern.
*
Tarnowski-Haus, etwas später
Mason saß vor dem Bildschirm. In einem Chatfenster war Danielle zu sehen. Sie hatte sich via Skype hinzugeschaltet, weil sie nach der Kusssache Hausarrest bekommen hatte. Vorhin hatten sie sich auch nur kurz in der Schule von Weitem gesehen, weil Danielle ständig von ihren Freundinnen umlagert gewesen war. Wie Bodyguards hatten sie sie abgeschirmt, als wäre es ihr Auftrag, Danielle von allen anderen Schülern der Barrington High fernzuhalten. Und es war ihnen gelungen. Mason fand nicht eine Sekunde Zeit, sich alleine mit ihr zu unterhalten. Dafür hatte sie ihm irgendwann im Laufe des Vormittags einen Zettel mit ihrer Skypeaddy in den Spind geschoben. Da sie auch keine Gelegenheit gehabt hatte, mit Randy oder Olivia zu sprechen, hatte Mason Danielle auf den neuesten Stand wegen Marietta gebracht.
»Der arme Randy bekommt ganz schön was ab«, sagte Danielle. Der Schreibtisch, auf dem ihr Computer stand, war gegenüber von ihrem Fenster aufgebaut. Mason konnte sogar die einzelnen Bäume in ihrem Garten erkennen, so gestochen scharf war das Bild.
»Das stimmt, aber man sieht kaum noch was. Seine Nase hat einen leicht gelblichen Ton, sonst nix.«
»Und Marietta war tatsächlich schwanger? Ist ja der Hammer.«
»Ja, aber niemand weiß, was aus dem Kind wurde. Es kann genauso gut sein, dass sie es abgetrieben hat.«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube es einfach nicht. Ist so ein Gefühl. Oh, warte kurz, da klopft jemand.«
Der Bildschirm wurde auf einmal schwarz und Danielle war verschwunden. Mason sah seine Reflektion im Monitor. Er fuhr sich durch die Haare und versuchte, einige Strähnen zu glätten. Er sollte mal wieder zum Friseur.
Nicht mal eine Minute später wählte ihn Danielle von Neuem an. Er nahm ab.
»Alles klar bei dir?«
»Ja, das war Mum. Sie hat mir frisch gepressten O-Saft gebracht. Ich glaube, sie wollte eher sehen, ob ich durchs Fenster geflohen bin.«
»Wie geht es denn zu Hause? Hat sie noch etwas gesagt?«
»Kein Wort. Als wäre das alles nicht passiert.«
Das wäre Mason auch am liebsten, aber er konnte das Geschehene nicht rückgängig machen.
»Wann wollten Randy und Olivia kommen?«, fragte Danielle.
Mason sah auf die Wanduhr, die sie aufgehängt hatten. »Kann nicht mehr allzu lange dauern. Ich bin echt gespannt, was in dem Film zu sehen ist. Zum Glück besaß Billy einen Super-8-Projektor.« Er deutete hinter sich. Um die Zeit zu überbrücken, bis Olivia und Randy kamen, hatte Mason schon mal alles aufgebaut und eine Wand freigeräumt, die sie als Leinwand nutzen konnten. »Wenn ich wüsste, wie ich den Film einlegen muss, hätte ich schon längst reingeschaut.«
»Ich bin auch ziemlich gespannt, nachdem wir so viel daran gesetzt haben, das Ding zu bekommen.«
Mason rieb sich durch den Nacken und beugte sich näher an den Monitor. »Ja, darüber wollte ich auch mit dir sprechen … wegen unseres Kusses …«
Danielle zog eine Augenbraue nach oben und wartete. Wie sollte Mason das formulieren. Er mochte Danielle, aber nicht so. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, mit ihr was anzufangen. Vielleicht, weil sie nun im King-Fall zusammenarbeiteten oder weil ihm die Freundschaft zu ihr zu wichtig geworden war, um sie durch eine Beziehung zu gefährden. »Ja, also …«, stammelte er weiter. Ob sie sauer sein würde? Oder war es ihr sogar recht, wenn sie das Thema fallen lassen würden?
Jetzt schmunzelte sie und beugte sich ebenso nah an die Webcam. »Was in Vegas geschieht, bleibt in Vegas.